OGH 12Os49/24h

OGH12Os49/24h27.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juni 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Edermaier‑Edermayr LL.M. (WU) in der Strafsache gegen C* M* und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten C* M* und ihrer gesetzlichen Vertreterin S* M* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffen-gericht vom 7. März 2024, GZ 144 Hv 116/23v‑48.4, sowie über die Beschwerde der Zweitgenannten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung von Probezeiten hinsichtlich bedingter Strafnachsichten nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00049.24H.0627.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Jugendstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung der Angeklagten C* M* werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung der gesetzlichen Vertreterin S* M* und deren Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Der Angeklagten C* M*fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – die Angeklagte C* M*des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Nachdem die Angeklagte C* M* und deren gesetzliche Vertreterin S* M* unmittelbar nach der Urteilsverkündung noch keine Erklärung abgegeben hatten, meldeten die Gruner & Pohle Rechtsanwälte als Verteidiger der Angeklagten C* M* sowie als Vertreter der S* M* innerhalb der dreitägigen Frist der §§ 284 Abs 1 erster Satz, 294 Abs 1 StPO schriftlich Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 51; vgl zur Rechtsmittelbefugnis des gesetzlichen Vertreters § 38 Abs 3 erster Satz JGG). Am folgenden Tag langte bei Gericht der Rechtsmittelverzicht der Angeklagten C* M* ein (ON 56).

[3] Dennoch führten die Verteidiger namens der Angeklagten C* M* die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung aus (ON 75 [siehe insb S 7 Rechtsmittelschrift]). Eine Rechtsmittelausführung der S* M* langte nicht ein.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten C* M*:

Rechtliche Beurteilung

[4] Im Fall einander widersprechender Erklärungen (hier) der Angeklagten und ihrer Verteidiger gilt grundsätzlich jene der Angeklagten (§ 57 Abs 2 zweiter Satz StPO). § 57 Abs 2 letzter Satz StPO, der (als Ausnahme hiezu) die Wirkungslosigkeit eines „nicht im Beisein seines Verteidigers und nach Beratung mit diesem“ abgegebenen Rechtsmittelverzichts des Angeklagten normiert, ist auf unmittelbar im Anschluss an die Urteilsverkündung abgegebene Erklärungen des Angeklagten zu reduzieren (RIS‑Justiz RS0133227).

[5] Davon ausgehend ist der von der Angeklagten C* M* erklärte Rechtsmittelverzicht rechtswirksam und (demzufolge) unwiderruflich (vgl 13 Os 69/22d, 13 Os 67/21h; RIS‑Justiz RS0099945).

[6] Die dennoch ausgeführten Rechtsmittel wurden somit von einer Person eingebracht, die auf sie verzichtet hat (§ 285a Z 1 StPO und § 294 Abs 4 erster Satz StPO), sodass die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten C* M* bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen waren (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 1 StPO und § 296 Abs 1 und 2 iVm § 294 Abs 4 erster Satz StPO).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der S* M*:

[7] Da S* M* als gesetzliche Vertreterin der Angeklagten C* M* die Nichtigkeitsgründe bei der Anmeldung lediglich der Ziffer nach genannt und sie in weiterer Folge auch nicht innerhalb der vierwöchigen Ausführungsfrist Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet hat, war ihre Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 1, 285a Z 2 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizierte) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[8] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO (vgl zum erfolglosen Rechtsmittel des gesetzlichen Vertreters RIS‑Justiz RS0088683 [T1]).

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