OGH 12Os48/06k

OGH12Os48/06k22.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Paul Joseph N***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 27. Februar 2006, GZ 22 Hv 76/05z-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Paul Joseph N***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. August 2005 in Neufelden mit einer unmündigen Person, nämlich der am 7. August 2000 geborenen Hannah R***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er sie zunächst an der nackten Scheide betastete, ihr sodann einen Finger in die Scheide einführte und sie anschließlich an der Scheide abschleckte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch gerichtete, auf die Z 5, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Mit dem Vorwurf, die auf der aussagepsychologischen Untersuchung des Tatopfers beruhende, von der Beschwerde als „apodiktisch" bezeichnete Schlussfolgerung der psychologischen Sachverständigen, wonach die Aussage des Kindes erlebnisfundiert ist, habe in die tatrichterliche Beweiswürdigung „eingegriffen", sodass ihr Gutachten zu Unrecht verwertet worden sei, wird in Wahrheit - in hier unzulässiger Weise - die erstgerichtliche Beweiswürdigung bekämpft, eine von der Mängelrüge - der Sache nach - geltend gemachte mangelnde oder offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) aber nicht dargetan. Allfällige (in der Hauptverhandlung - vgl S 305 ff, 348 - nicht geltend gemachte) Mängel von Befund und Gutachten iSd §§ 125 f StPO hätte der Beschwerdeführer zur Wahrung eines aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO abgeleiteten Überprüfungsrechtes zum Gegenstand geeigneter Antragstellung machen müssen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351); dies ist jedoch unterblieben.

Dass sich dem Angeklagten zugerechnete Speichelspuren (an der Rückseite innen im linken Seitenbereich unterhalb des Bundes) nicht zwingend (auch) im Schrittbereich des vom Tatopfer am 27. August 2005 getragenen Slips befinden mussten, haben die Tatrichter aus dem als unbedenklich und schlüssig eingestuften Sachverständigengutachten Dris. Ne***** erschlossen (US 11). Der von der Beschwerde vermissten „eigenen (notwendigen) Überlegungen" des Erstgerichtes, warum gerade dort, wo nach dem Schuldspruch am meisten Speichel vorhanden sein müsste, sämtliches Material verloren gegangen sein soll, hat es hingegen schon mangels von ihr aufgezeigter, vom Experten angeblich nicht berücksichtigter konkreter Verfahrensergebnisse nicht bedurft (vgl Mayerhofer StPO5 § 281 Z 5 E 10, 10a). Überdies hat das Schöffengericht - vom Rechtsmittelwerber jedoch vernachlässigt - darauf hingewiesen, dass die Erläuterungen des Sachverständigen mit der Ablehnung der Verantwortung des Angeklagten insoweit im Einklang stehen, als er den Slip nach Einnahme einer Mahlzeit mit bloßen Händen zusammengelegt haben will, was jedoch Spurenmaterial auch auf der anderen Seite des Kleidungsstückes zur Folge gehabt haben müsste (US 7, 11).

Die Subsumtionsrüge (Z 10, inhaltlich Z 9 lit a) vermeint, der Angeklagte hätte infolge eines unmittelbaren einheitlichen Tatkomplexes neben dem Einführen des Fingers nicht auch des Betastens und Abschleckens der Scheide des Tatopfers schuldig erkannt werden dürfen. Sie vernachlässigt jedoch, dass die genannten im Urteilstenor angeführten Verhaltensweisen nicht als eigenständige Tathandlungen, sondern bloß als illustrative Schilderung des weiteren Täterverhaltens anzusehen sind (vgl 14 Os 92/03), und demgemäß der Schuldspruch allein wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, nicht jedoch auch wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB erfolgte.

Die ausschließliche Wiedergabe höchstgerichtlicher Judikatur zur juristischen Einordnung einer digitalen Vaginalpenetration im Rahmen der weiteren Ausführungen der Subsumtionsrüge lässt jeglichen Sachverhaltsbezug und damit eine der Prozessordnung entsprechende Begründung vermissen, weshalb die Subsumtion eines auch nur einmaligen Einführens des Fingers in die Scheide der zum Tatzeitpunkt fünfjährigen Hannah R***** unter § 206 Abs 1 StGB in den Feststellungen des Erstgerichtes keine Deckung finden sollte. Außerdem unterlässt der Nichtigkeitswerber die Bezeichnung jenes anderen Strafgesetzes, das seiner Ansicht nach auf die Tat hätte angewendet werden sollen (Mayerhofer aaO § 281 Z 10 E 8), und verfehlt dergestalt eine ordnungsgemäße Geltendmachung dieses materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes.

Entgegen der im Rahmen der Berufungsausführungen eventualiter geltend gemachten Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) haben die Tatrichter die Unanwendbarkeit bedingter Strafnachsicht bei derartigen Delikten nicht generell (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 724), sondern einzelfallbezogen insbesondere unter Berücksichtigung spezialpräventiver Erwägungen verneint, sodass lediglich ein Berufungsgrund zur Darstellung gebracht wird.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufungen kommt daher dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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