OGH 12Os47/98

OGH12Os47/9828.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Mai 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Maschl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erich F***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16.Dezember 1997, GZ 5 Vr 2923/97-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Plöchl, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr.Scheimpflug zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich F***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt. Demnach hat er am 8.September 1997 in Graz zahlreiche Schrauben, Muttern und Beilagen in einem unbekannten Gesamtwert Berechtigten der Firma H***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er auf frischer Tat betreten Gewalt gegen den Detektiv Franz S***** anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem er sich trotz dessen Festhaltegriffes an seinem Oberarm in den PKW setzte und beschleunigend wegfuhr, weshalb Franz S***** letztlich loslassen mußte.

Der aus § 281 Abs 1 Z 4 und 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrages auf Durchführung eines Ortsaugenscheines zum Beweis dafür, daß auf Grund der Entfernung des Detektivs zum Angeklagten "dieser keine konkreten Wahrnehmungen darüber abgeben könne, ob der Angeklagte tatsächlich Schrauben aus den Schütten entnommen habe" (S 53), Verteidigungsrechte nicht verkürzt. Den Angaben des Detektivs Franz S***** zufolge (S 19, 45 f) konnte dieser aus einer Entfernung von ca 10 m die Tathandlungen des Beschwerdeführers konkret beobachten. Da sich diese Wahrnehmung in objektiver Hinsicht mit der Verantwortung des Angeklagten deckt, der selbst die Tatsache der Observierung und (wenn auch subjektiv mit angeblich anderer Intention) das Hineingreifen in die Schraubenbehälter zugab (S 41 f), fehlte es der Antragsbegründung an der (bei dieser Konstellation schon in formeller Hinsicht abzufordernden) Darlegung jener - vorweg nicht einsichtigen - speziellen Umstände, aus denen sich vorliegend ein entscheidungsrelevanter Antragsbezug hätte ergeben können. Dies umso mehr, als für die subjektive Auslotung eines objektiv im wesentlichen unbestrittenen Vorgangs primär der Kontext mit dem Folgeverhalten des Täters, nicht aber die Frage der (in Selbstbedienungsbereichen regelmäßig gewährleisteten) optischen Kontrollmöglichkeit aus größerer Entfernung von maßgebender Bedeutung ist.

Entgegen dem Vorbringen in der Subsumtionsrüge (Z 10) ist die festgestellte Handlungsweise des Angeklagten, der sich letztlich erfolgreich von dem ihn am Oberarm festhaltenden Kaufhausdetektiv losreißen konnte, indem er mit seinem PKW losfuhr und solcherart den Festhaltegriff überwand, als im Sinn des § 131 StGB tatbestandsmäßiger Einsatz von Gewalt zu beurteilen. Gewalt ist die Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes; einer besonderen Intensität der Kraftanwendung bedarf es nicht (Leukauf/Steininger StGB3 § 105 RN 4). Losreißen von einer Person, die den Täter so fest am Arm hält, daß er (zunächst) nicht fliehen kann, erfüllt den Gewaltbegriff des § 131 StGB (Leukauf/Steininger aaO § 131 RN 8, 9; EvBl 1991/12).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Anwendung des § 43 a Abs 3 StGB zu zehn Monaten Freiheitsstrafe, wovon ein Teil von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dabei wertete es als erschwerend die einschlägigen, auf Aggressionstendenz beruhenden Vorstrafen und die rücksichtslose Vorgangsweise, als mildernd hingegen keinen Umstand.

Auch der dagegen erhobenen Berufung des Angeklagten, mit der er die Gewährung gänzlicher bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Unter Berücksichtigung des durch mehrfache Vorverurteilungen wegen Gewaltdelikten getrübten Vorlebens des Angeklagten und seines längeren Zeitaufwand in Anspruch nehmenden, sohin nicht als Kurzschlußhandlung zu wertenden Tatverhaltens, das in der Durchsetzung des deliktischen Willens durch den Einsatz eines Personenkraftwagens eine insoweit nicht vorweg von der Strafdrohung des § 131 StGB erfaßte Aggravierungskomponente aufwies und solcherart (wegen der besonderen Gleichgültigkeit gegenüber dem Opferrisiko) ohne Verstoß gegen ein Doppelverwertungsverbot (inhaltlich Z 11) als rücksichtslos beurteilt werden konnte, erweist sich die vom Schöffengericht gewählte Sanktion auch in Ansehung des geringen Beutewerts als sachgerecht und gänzlicher bedingter Nachsicht nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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