OGH 12Os43/23z

OGH12Os43/23z22.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Mair in der Strafsache gegen * I* * wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 3. Februar 2023, GZ 45 Hv 68/22d‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00043.23Z.0622.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Schlepperei/FPG

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * I* * des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPGschuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 30. September 2022 in K* und an anderen Orten des österreichischen Bundesgebiets im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 [erster Fall] StGB) und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zumindest bestehend aus ihm, noch unbekannten Auftraggebern, eines weiteren Schleppers in einem Begleitfahrzeug und weiteren Fußschleppern, die rechtswidrige Einreise [und Durchreise] in Bezug auf mindestens drei Fremde, nämlich 25 syrische Staatsangehörige, die allesamt über keine gültigen Einreise- und Aufenthaltsdokumente für den EU- und Schengenraum verfügten, in sowie durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, und zwar die Republiken Österreich, Slowakei und Ungarn, mit dem Vorsatz, sich [und Dritte] durch ein ihm dafür geleistetes Entgelt von 500 Euro [sowie ein der Schleppervereinigung dafür geleistetes Entgelt von 2.000 bis 8.000 Euro pro Fremdem; US 3] zu bereichern, gefördert, indem er die Fremden von einem Waldstück in der Nähe der serbisch-ungarischen Grenze mit einem ihm zur Verfügung gestellten Fahrzeug aufnahm und bis nach Österreich transportierte, wobei er die Tat auf eine Art und Weise beging, dass die Fremden längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, nämlich dadurch, dass er sie trotz großer Hitze und Angstzuständen in einem [fensterlosen und nicht belüftbaren; US 3] Laderaum [mit den Maßen 285 x 165 x 190 cm; US 3] zusammenpferchte, sie während der mehrere Stunden dauernden Fahrt nicht verpflegte und ihnen keine Pausen ermöglichte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Das Erstgericht begründete die Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz (US 4) mit dem äußeren Tatgeschehen und der „überwiegend“ geständigen Verantwortung des Angeklagten (US 7), der einräumte, mangels Erwerbseinkommens der Verlockung erlegen zu sein, „in kurzer Zeit“ 500 Euro zu verdienen (US 5; ON 29.3 S 5), und bereits vor Fahrtantritt mit einer Geldstrafe im Fall der Entdeckung rechnete (US 8; ON 29.3 S 5). Dass diese Erwägungen den Kriterien logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprächen (RIS‑Justiz RS0118317), vermag die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) mit der unsubstantiierten Behauptung einer Scheinbegründung und eines „Standardbeispiel[s] einer offenbar unzureichenden Begründung“ nicht aufzuzeigen (vgl zur von der Beschwerde herausgestrichenen Verwendung des Wortes „zwanglos“ RIS‑Justiz RS0099494 [insb T11]).

[5] Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), der (objektive) Tatbestand des § 114 Abs 1 FPG erfordere, dass das Entgelt im Tatzeitpunkt bereits geleistet sein muss, erschöpft sich in einer nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleiteten Rechtsbehauptung (vgl aber 11 Os 141/16v; RIS‑Justiz RS0116565, RS0130267 [T2]). Es sei daher allein aus Gründen der Vollständigkeit festgehalten, dass § 114 Abs 1 FPG – nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut – einen erweiterten Vorsatz normiert (13 Os 84/17b, 14 Os 3/17y, 14 Os 130/16y; vgl Tipold in WK² FPG § 114 Rz 12; Madl/Leukauf/Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze3 § 114 Rz 18; zur überschießenden Innentendenz allgemein Reindl‑Krauskopf in WK² StGB § 5 Rz 44). Mit der von der Beschwerde angesprochenen Formulierung („durch ein dafür geleistetes Entgelt“) bringt das Gesetz lediglich das Erfordernis eines ursächlichen Zusammenhangs der intendierten Entgeltleistung mit der Tathandlung zum Ausdruck. Dass der Gesetzgeber darüber hinaus auch eine zeitliche Komponente in dem Sinne normieren wollte, dass die Entgeltleistung der Tathandlung vorausgehen und insoweit tatsächlich erfolgen müsse (so Madl/Leukauf/Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze3 § 114 Rz 19), ist den Materialien gerade nicht zu entnehmen (vgl ErläutRV 952 BlgNR 22. GP  111). Die gegenteilige Ansicht würde im Widerspruch zu dieser Gesetzesauslegung dazu führen, dass eine im Tatzeitpunkt bereits erfolgte Entgeltleistung objektives Tatbestandsmerkmal wäre.

[6] Ebenso wenig legt die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a, nominell Z 5) methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb zusätzlich zu dem konstatierten Vorsatz des Angeklagten, sich durch den Erhalt von 500 Euro als Gegenleistung für die Schleppung zu bereichern (US 4), Feststellungen zu seiner „Kenntnis“ über die Höhe des an die kriminelle Vereinigung gezahlten Schlepperlohns und über die Person des Entgeltempfängers erforderlich sein sollten (vgl aber RIS‑Justiz RS0119884 [T2]). Im Übrigen übergeht die Beschwerde mit der Behauptung, dass auch in objektiver Hinsicht Feststellungen zur Höhe des an die kriminelle Vereinigung gezahlten Entgelts fehlen würden, die gerade dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 3; vgl aber erneut RIS‑Justiz RS0099810).

[7] Mit Spekulationen darüber, ob das Entgelt „unter Umständen auch an Personen bezahlt“ worden sei, „bei welchen nicht von einer unrechtmäßigen Bereicherung die Rede sein“ könne, wird der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (vgl wiederum RIS‑Justiz RS0099810).

[8] Zur Behauptung der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall), mangels tatsächlicher Leistung des Entgelts an den Angeklagten sei die Tat bloß versucht worden, ist auf die Erledigung der (im Übrigen zu diesem Vorbringen im Widerspruch stehenden) Rechtsrüge zu verweisen.

[9] Die aggravierende Wertung des Zusammentreffens mehrerer Qualifikationen des § 114 FPG und der großen Anzahl geschleppter Personen verstößt der weiteren Sanktionsrüge zuwider nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, wird hier doch der Strafrahmen durch die Qualifikation des § 114 Abs 4 erster Fall FPG bestimmt und ist der Tatbestand des § 114 Abs 3 Z 2 FPG im Übrigen bereits mit der Schleppung von drei Personen erfüllt (vgl zum Begriff Doppelverwertungsverbot RIS‑Justiz RS0091003 [T4]).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daherbereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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