OGH 12Os35/04

OGH12Os35/0422.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pröstler-Zehetmaier als Schriftführer, in der Strafsache gegen Renate M***** und Sylvia F***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der beiden Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 20. Jänner 2003, GZ 8 Hv 216/02t-66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen "wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Renate M***** und Sylvia F***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie von Oktober 2000 bis April 2001 in Wallern und an anderen Orten des Bundesgebietes im bewussten und gewollten Zusammenwirken, teils mit den in Deutschland gesondert verfolgten Verantwortlichen der Firma T***** Ltd, Werbeagentur A***** und Firma S*****, andere mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine nicht mehr feststellbare Zahl von Personen durch die Vorspiegelung, über ihre Vermittlung zu einem Nebeneinkommen zu gelangen, mithin durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen verleitet, die diese in einem 40.000 EUR übersteigenden Gesamtausmaß an ihrem Vermögen schädigten, indem sie über Zeitungsinserate und teils mehrkostenpflichtige Telefonauskünfte die Broschüre "Top Jobs" gegen ein Entgelt von je 350 S (entspricht etwa 25,44 EUR) sowie im Anschluss daran weitere für die Besteller wertlose Broschüren gegen Bezahlung von 140 S bis 640 S (entspricht etwa 10,17 EUR bis 46,51 EUR) vertrieben, wodurch jedenfalls ein zwei Millionen Schilling (entspricht ca 145.000 EUR) übersteigender Gesamtschaden entstand.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagten bekämpfen dieses Urteil mit auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Erstgericht die Feststellungen zur Irreführung nicht nur auf die Angaben der - beispielsweise - namentlich genannten Geschädigten (US 22), sondern auf die Aussagen aller entweder (nur) im Vorverfahren oder (auch) in der Hauptverhandlung vernommenen Arbeitssuchenden (vgl US 3 f) sowie der als Zeugen einvernommenen freien Mitarbeiter der R***** KEG gestützt (US 12, 21 f).

In freier Beweiswürdigung, zu der das Schöffengericht nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet war, konnte es daher aus diesem übereinstimmenden Beweisergebnis zum Schluss gelangen, dass die Angeklagten nicht nur die im Strafverfahren vernommenen Arbeitssuchenden, sondern alle Kunden der R***** KEG geschädigt hatten, die für die Broschüre "Top Jobs", für die Inanspruchnahme der Beratungshotline und für die vermittelten Arbeitsunterlagen der Firmen T***** Ltd. und Werbeagentur A***** Zahlungen geleistet hatten (US 10).

Die Höhe des Schadens hat das Erstgericht aus dem Umsatz der R***** KEG mängelfrei abgeleitet (US 10). Dieser kann mit dem als Grundlage für die Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 Abs 1 Z 1 StGB) angenommenen Gewinn gar nicht im Einklang stehen, weil die Bewertung des Ausmaßes der Bereicherung nach dem Nettoprinzip zu erfolgen hat (Fabrizy StGB8 § 20 Rz 2). Der von den Beschwerdeführerinnen behauptete Widerspruch im Urteil ist daher nicht gegeben. Mit dem Hinweis darauf, dass nur wenige Geschädigte Anzeige erstattet hatten, vermögen die Beschwerdeführerinnen keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellung der Schadenshöhe aufzuzeigen (Z 5a), zumal es der Erfahrung entspricht, dass sich in der Regel nur ein geringer Teil der durch betrügerische Irreführung um einen verhältnismäßig niedrigen Geldbetrag Geschädigten an die Strafverfolgungsbehörden wendet.

Soweit die Beschwerdeführerinnen mit der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) geltend machen, dass ihre vom Erstgericht festgestellten Tathandlungen unter keine der Täterschaftsformen des § 12 StGB fallen und daher straflos seien, sind sie nicht im Recht.

Mit der bloßen - ohne Bezug auf das angewendete materielle Strafrecht aufgestellten - Behauptung, die Veranlassung von Zeitungsinseraten mit irreführendem Inhalt stelle keine Täuschung im Sinne des § 146 StGB dar, die die unmittelbare Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) begründet, leiten die Beschwerdeführerinnen ihren Standpunkt nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (Ratz WK-StPO § 281 Rz 588-590) und übergehen zudem die Urteilsannahme, wonach die Inseratentexte für den selbstschädigenden Willensentschluss der getäuschten Arbeitsuchenden zumindest mitbestimmend waren (US 12 ff), sodass der angezogene materielle Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung gelangt.

Gleiches gilt für den Einwand, dass der Anrufer einer Beratungshotline, die als mehrkostenpflichtig gekennzeichnet ist, keinen Schaden erleidet, weil die Urteilsfeststellung übergangen wird, dass die Angeklagten die Arbeitssuchenden durch Täuschung darüber, dass sie Heim- und Nebenverdienstmöglichkeiten anbieten bzw vermitteln, zur Tätigung von Mehrkostentelefonaten verleitet haben (US 9 f).

Auch das Beschwerdevorbringen, dass die den freien Mitarbeitern erteilte Instruktion der Wahrheit entsprach, verfehlt den bei Ausführung des materiellen Nichtigkeitsgrundes notwendigen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz, weil es die Konstatierung übergeht, wonach die Angeklagten auch ihre eigenen Mitarbeiter über die Tätigkeit und Leistungen der R***** KEG getäuscht haben (US 20 iVm US 12, 14).

Soweit sich die Beschwerdeführerinnen mit ihrer Rechtsrüge gegen die Urteilsfeststellung wenden, dass die verkauften Broschüren und Unterlagen völlig wertlos waren (US 8 ff), suchen sie das Tatsachensubstrat des Urteils zu bekämpfen, wonach das übersendete Material nicht den durch das Inserat geweckten Erwartungen entsprach und für die Adressaten wertlos war, sodass der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund abermals nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gelangt.

Dies gilt auch für das auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Vorbringen, in einem - nicht vorwerfbaren - Verbotsirrtum gehandelt zu haben, weil eine solche Feststellung vom Erstgericht nicht getroffen wurde und nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung auch nicht indiziert war, zumal sich die Angeklagten dahin verantworteten, niemanden getäuscht zu haben (US 12). Soweit die Beschwerdeführerinnen in Ausführung der Berufung wegen Strafe das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO wegen Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot geltend machen, legen sie nicht dar, inwiefern der vom Erstgericht bei der Strafbemessung im engeren Sinn als Erschwerungsgrund angenommene hohe Schaden ein weiteres Mal zur Bestimmung der Strafe herangezogen worden wäre, so dass die Beschwerde auch in diesem Umfang der prozessordnungsgemäßen Ausführung entbehrt. Im Übrigen wird mit dem Vorbringen, ein vom Erstgericht angenommener Strafbemessungsgrund liege nicht vor, bloß ein Berufungsgrund geltend gemacht. Die teils offenbar unbegründeten, teils nicht gesetzmäßig ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits in nichtöffentlicher Sitzung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen der beiden Angeklagten (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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