OGH 12Os30/95

OGH12Os30/9523.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.März 1995 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.Mayrhofer, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Madersbacher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Markus K***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Inverkehrsetzens einer übergroßen Menge Suchtgift nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall, Abs 3 Z 3 SGG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Markus K***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17.November 1994, GZ 35 Vr 2639/94-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus K***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt - teilweise auch gemäß § 290 Abs 1 StPO - im Schuldspruch A./I./2. und demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Markus K***** zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Markus K***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung der Angeklagten Brigitte A***** wird das Oberlandesgericht Innsbruck zu befinden haben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten K***** auch die - auf den erfolglosen Teil seiner Urteilsanfechtung entfallenden - Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthaltenden Urteil wurden Markus K***** der Verbrechens des gewerbsmäßigen Inverkehrsetzens einer übergroßen Menge Suchtgift nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall, Abs 3 Z 3 SGG (A./I./1. und 2.) und des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (B./I./1. bis 4.) und Brigitte A***** des Verbrechens des Inverkehrsetzens einer übergroßen Menge Suchtgift nach § 12 Abs 1, Abs 3 Z 3 SGG (A./II.), des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (B./II.) und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

Zu den von der Rechtsmittelanfechtung betroffenen Schuldsprüchen A./I. liegt Markus K***** - zusammengefaßt wiedergegeben - zur Last, in Innsbruck und an anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einem das Fünfundzwanzigfache der großen Menge übersteigenden Quantum, und zwar

1. zwischen Juli 1993 und Anfang Jänner 1994 mindestens 360 Gramm Heroin durch Verkauf an Brigitte A***** und

2. zwischen Sommer 1992 und Ende 1992 nicht mehr feststellbare Mengen Heroin und Kokain durch Verkauf an die gesondert verfolgte Manuela H*****

jeweils gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte K***** bekämpft diese Schuldsprüche mit einer auf die Z 5 a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Lediglich die Rechtsrüge ist berechtigt.

Fehl geht zwar die zum Schuldspruchfaktum A/I./1. erhobene Tatsachenrüge, weil sich aus den Akten keinerlei Umstände ergeben, die geeignet wären, Bedenken - geschweige denn solche erheblicher Natur - gegen die diesen Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken.

Im einzelnen ist der Beschwerde zu erwidern, daß allein schon die vom Schöffengericht für glaubhaft befundene Aussage der Angeklagten Brigitte A***** unter den hervorgehobenen Begleitumständen (US 12 f) eine durchaus tragfähige Grundlage für die zu diesem Faktum konstatierte Transaktion von Heroin darstellt. Dabei verwies das Erstgericht - der Beschwerde zuwider - zutreffend darauf, daß A***** die (nicht nur) den Beschwerdeführer belastenden Angaben ohne Vorhalt irgendwelcher Namen deponierte (33 ff in ON 2), während sie in ihrer zeitlich vorgelagerten Aussage vom 10.Februar 1994 - der für den Fall der Verhaftung mit dem Beschwerdeführer getroffenen Absprache gemäß - lediglich zu Protokoll gab, von ihm Geld geliehen zu haben (35 in ON 2). Der in der Beschwerde unternommene Versuch, die Verläßlichkeit der Bekundungen der Mitangeklagten in Zweifel zu setzen, läuft insgesamt der Sache nach auf eine unzulässige Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung hinaus, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist. Bloß der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß die Angaben des Zeugen Z***** vor der Polizei (ON 26) mit den die Feststellungsgrundlage bildenden Depositionen A***** harmonieren.

Im bisher erörterten Rahmen erweist sich sohin die Nichtigkeitsbeschwerde als teils offenbar unbegründet, teils nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO), weshalb sie bereits in einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war.

Berechtigung kommt jedoch der das Schuldspruchfaktum A./I./2. betreffenden Reklamation von Feststellungsmängeln zur Qualifikation nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG zu (Z 10). Denn in der Tat läßt das Urteil dazu - anders als zum Faktum A./I./1. - die erforderlichen Konstatierungen zu den objektiven und subjektiven Qualifikationserfordernissen vermissen. Werden doch einerseits unter Verweisung auf die divergierenden Angaben der Zeugin H***** (vor der Gendarmerie, 177 in ON 2: Bezug von durchschnittlich ca 2 Gramm Heroin/Kokain pro Tag "und das ein halbes Jahr lang. Es können vier Monate, aber auch sieben Monate gewesen sein" und in der Hauptverhandlung 46 II: behaupteter Erwerb von Heroin und Kokain um 5.000 S und 10.000 S pro Tag in einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen) die unabdingbaren Tatsachenprämissen für die Annahme der Untergrenze der nach § 12 Abs 3 Z 3 SGG qualifizierten Suchtgiftmenge "als nicht mehr feststellbar" (US 3, 10) in keiner Weise konkretisiert. Damit fehlt es aber auch - wovon sich der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugen konnte - an einem quantitativ tragfähigen Feststellungssubstrat für die Annahme einer nach Abs 1 leg cit tatbestandsessentiellen großen Suchtgiftmenge.

Darüber hinaus wurden zur subjektiven Tatseite der auch zu A./I./2. angenommenen Tatbestandsverwirklichung nach § 12 Abs 1, Abs 2 erster Fall, Abs 3 Z 3 SGG (abgesehen von der Tatbeschreibung als "gewerbsmäßig" im Urteilsspruch - bei ersichtlicher Verneinung des Fortsetzungszusammenhanges mit dem insoweit realkonkurrierenden Schuldspruchfaktum A./I./1. -) keinerlei Feststellungen getroffen. Die Strafdrohung des § 12 Abs 3 Z 3 SGG beruht nämlich nicht auf einem schlichten Zusammenrechnungsprinzip (§ 29 StGB); die Annahme dieser Qualifikation auch zu A./I./2. des Urteilssatzes setzt somit für sich - was das Erstgericht ersichtlich verkennt - einen von vornherein auf eine Tatverübung in Teilmengen und auf schrittweise Erreichung einer übergroßen Menge Suchtgifts gerichteten (zumindest bedingten) Tätervorsatz voraus (JBl 1989, 458; JUS-Str 1991/653, Foregger-Serini StGB5 Anm III zu § 12 SGG).

Soweit die aufgezeigten Feststellungsmängel nicht ohnehin mit der Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden, sind sie zum Vorteil des Angeklagten von Amts wegen aufzugreifen.

Es zeigt sich somit, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht eintreten kann. Das angefochtene Urteil war daher im Schuldspruch A./I./2. bereits in nichtöffentlicher Beratung gemäß §§ 285 e, 290 Abs 1 StPO aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen, ohne daß auf weitere Beschwerdeeinwände zu dem von der kassatorischen Entscheidung erfaßten Urteilsfaktum einzugehen war.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte K***** auf die auch den Strafausspruch erfassende Teilaufhebung zu verweisen.

Über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung der Angeklagten A***** wird der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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