OGH 12Os25/07d

OGH12Os25/07d12.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. April 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef S***** wegen der Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 4. Dezember 2006, GZ 40 Hv 76/06i-103, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Bauer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde werden in amtswegiger Wahrnehmung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO die Wahrsprüche zu den Hauptfragen VI und VII hinsichtlich der Annahme gewerbsmäßiger Begehungsweise und das darauf beruhende Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung des vom Schuldspruch II jeweils erfassten Sachverhaltes unter § 130 erster und vierter Fall StGB, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht Wiener Neustadt zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung verwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef S***** der Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (I) sowie des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster und vierter Fall StGB, teils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB, (II) schuldig erkannt.

Danach hat er

I. im November 2005 in Wien den abgesondert verfolgten Michael Peter B***** dazu zu bestimmen versucht, strafbare Handlungen auszuführen, indem er ihn aufforderte, jeweils maskiert in die Wohnung von Dr. Charlotte S*****, Evelyne P***** und Brigitte M***** einzudringen, sie zu überwältigen und von ihnen unter Vorhalt eines Messers Bargeld zu fordern, ihnen also mit Gewalt gegen eine Person bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abzunötigen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub jeweils unter Verwendung einer Waffe verübt werden sollte;

II.

1) in Wien Johann E***** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem er jeweils das Türschloss der Beifahrertür des Pkws mit dem behördlichen Kennzeichen ***** mittels Schlossstich öffnete, und zwar

a) am 16. März 2004 eine Werkzeugtasche mit Schlüsseldienstwerkzeugen, eine Bohrmaschine und diverses Kleinwerkzeug im Gesamtwert von 800 Euro,

b) am 9. April 2004 einen Werkzeugkoffer, eine Kunststofftasche sowie eine Ledertasche mit Sperrwerkzeug im Gesamtwert von ca 4.000 Euro;

2) „den abgesondert verfolgten Michael Peter B***** zur Ausführung der von diesem begangenen strafbaren Handlungen, dass er Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegnahm, und zwar

a) am 28. September 2005 in Wien der Gertrude A***** mehrere Schmuckstücke und 3 Golddukaten in einem nicht mehr feststellbaren, jedenfalls aber 3.000 Euro übersteigenden Gesamtwert durch Einschlagen einer Fensterscheibe mit einem Stein und Abdrehen des Schlosszylinders einer Verbindungstür;

b) am 15. November 2005 in Perchtoldsdorf dem Gustav W***** 4 Goldmünzen im Gesamtwert von 136,08 Euro durch Öffnen der Wohnungseingangstür mit einem eigenmächtig einbehaltenen Schlüssel, wobei er den Diebstahl an Sachen in einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Wert beging und überdies in ein Gebäude bzw ein Transportmittel einbrach bzw mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel eindrang, sowie den Diebstahl durch Einbruch (§ 129 StGB) zudem in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, bestimmt, indem er ihn hiezu überredete und ihn überdies vereinbarungsgemäß jeweils mit einem PKW zum Tatort chauffierte, Aufpasserdienste leistete und die Flucht sicherte."

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gestützt auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Gegenstand der Tatsachenrüge (Z 10a) sind nur jene sich aus dem Wahrspruch ergebenden Feststellungen, angesichts derer - gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen - eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung der Laienrichter qualifiziert nahe liegt, die somit schlechterdings unerträglich sind (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391, 490; vgl 15 Os 22/06h). Zu dem in der Beschwerde hervorgehobenen Umstand, wonach der Zeuge Michael B***** in mehreren Schreiben sowie gegenüber den Zeugen H***** und He**** seine Josef S***** belastenden Aussagen widerrufen habe, ist darauf zu verweisen, dass diese Entlastungsangaben nach den im Vorverfahren (ON 78 und 94) als auch in der Hauptverhandlung (S 385/III) mehrfach und eingehend erörterten Ausführungen dieses Zeugen lediglich auf Drängen des Angeklagten verfasst wurden. Indem der Beschwerdeführer der Beweiswürdigung der Geschworenen lediglich seine eigenen Erwägungen gegenüberstellt, die er auf punktuelle und aus dem Zusammenhang gerissene Beweisergebnisse stützt und dabei die übrigen belastenden Verfahrensergebnisse außer Acht lässt, vermag er keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Wahrspruch der Geschworenen zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Gleiches gilt für die wiederum bloß auszugsweise zitierten Aussagen des Zeugen Johann E*****, der ihn als Täter nicht nur wegen der beim Beschwerdeführer sichergestellten Werkzeuge in Betracht gezogen hatte. Dass der Bruder des Angeklagten im Bezug auf die gestohlene Werkzeugtasche das Eigentum des Rechtsmittelwerbers wiedererkannt haben will, vermag derartige Bedenken ebenfalls nicht zu erwecken. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass war hingegen gemäß §§ 290, 344 StPO von Amts wegen der vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO wahrzunehmen:

Im Schuldspruch II (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 266; 13 Os 153/03, SSt 2004/12) liegt Josef S***** zur Last, die dort genannten Diebstähle durch Einbruch gewerbsmäßig begangen zu haben. Der sprachlich verunglückte Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO lässt dabei offen, ob die nach § 130 erster und vierter Fall StGB vorausgesetzte Absicht beim Nichtigkeitswerber oder aber nur bei dem von ihm bestimmten unmittelbaren Täter (Faktum II 2) vorlag. Den dem Schuldspruch II 1) zugrunde liegenden Wahrsprüchen zu den Hauptfragen IV und V lässt sich eine derartige gewerbsmäßige Begehungsweise nicht entnehmen. Die beiden weiteren und dem Schuldspruch II 2) zu Grunde gelegten Wahrsprüche zu den Hauptfragen VI und VII lassen demgegenüber offen, ob sich die dort jeweils bezeichnete Absicht darauf bezog, dass sich der Beschwerdeführer selbst durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstähle - gleich in welcher Täterschaftsform - eine fortlaufende Einnahme verschaffen wollte oder der von ihm bestimmte unmittelbare Täter. Diese Undeutlichkeit auf der Feststellungsebene lässt eine Subsumtion des im Wahrspruch dargestellten Sachverhalts (auch) unter § 130 erster und/oder vierter Fall StGB nicht zu (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 571, 616), sodass insoweit ein Mangel an Feststellungen zu der angenommenen Qualifikation nach § 130 vierter Fall StGB vorliegt. Die darüber hinaus erfolgte Unterstellung der inkriminierten vier Einbruchsdiebstähle auch unter § 130 erster Fall StGB war jedenfalls verfehlt, liegt doch insoweit Spezialität zur ideal konkurrierend angenommenen Qualifikation nach § 130 vierter Fall StGB vor (vgl RIS-Justiz RS0113904).

Diese Mängel an Feststellungen zwingen im geschworenengerichtlichen Verfahren zur Aufhebung des davon betroffenen Teils des Wahrspruchs und der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung im Schuldspruch (vgl 11 Os 23/07b; weitergehend 15 Os 43/01), zumal es den Geschworenen obliegt, die Verfahrensergebnisse dahin zu bewerten, ob die Sachverhaltsvoraussetzungen für die von der Anklagebehörde angestrebte Qualifikation vorliegen oder nicht.

Im zweiten Rechtsgang wird der Schwurgerichtshof mit Rücksicht auf die unberührt gebliebenen Wahrsprüche IV und V, und die aufrecht gebliebenen Teile der Wahrsprüche VI und VII jeweils eine uneigentliche Zusatzfrage nach § 316 StPO zur Qualifikation nach § 130 vierter Fall StGB (nicht aber nach einer solchen gemäß § 130 erster Fall StGB) zu stellen und eine entsprechende Rechtsbelehrung zu erteilen haben.

Mit seiner Berufung war Josef S***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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