OGH 12Os21/21m

OGH12Os21/21m25.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Pateisky in der Strafsache gegen Milos S***** wegen mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 2. Dezember 2020, GZ 12 Hv 17/20h‑68, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00021.21M.0325.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Im ersten Rechtsgang wurde Milos S***** mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 29. April 2020, GZ 12 Hv 17/20h‑35, mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 und Z 3, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt. Der Oberste Gerichtshof hob mit Erkenntnis vom 10. September 2020 in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das angefochtene Urteil in der Subsumtion jeweils auch nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG auf (12 Os 79/20i).

[2] Mit dem nunmehr angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil wurde der Angeklagte unter Einbeziehung des rechtskräftig gewordenen Schuldspruchs des ersten Rechtsgangs der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Z 2 und Z 3, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt. Danach hat er die im rechtskräftigen Schuldspruch des Urteils des Landesgerichts Eisenstadt vom 29. April 2020, GZ 12 Hv 17/20h‑35, angeführten Taten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung weiterer Mitglieder dieser kriminellen Vereinigung begangen.

[3] Der Angeklagte meldete gegen das im zweiten Rechtsgang gefällte Urteil innerhalb der Frist des § 284 Abs 1 StPO Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, ohne Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt zu bezeichnen (ON 69). Nach Zustellung der Urteilsausfertigung an den Wahlverteidiger Mag. Slavisa Z***** am 10. Dezember 2020 (ERV-Zustellnachweis im AB‑Bogen ON 1) teilte dieser dem Erstgericht mit Eingabe vom 15. Dezember 2020 mit, dass das Vollmachtsverhältnis „mit sofortiger Wirkung“ aufgelöst sei (ON 71). Am 16. Dezember 2020 beschloss die Vorsitzende die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 61 Abs 2 StPO (ON 1), welcher die angemeldeten Rechtsmittel – nachdem ihm neuerlich eine Urteilsausfertigung zugestellt worden war – schriftlich ausführte, wobei diese Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde beim Erstgericht am 22. Jänner 2021 elektronisch eingebracht wurde (ON 73).

Rechtliche Beurteilung

[4] Damit erfolgte sie verspätet.

[5] Vorliegend wäre schon der Wahlverteidiger gemäß § 63 Abs 2 zweiter Satz StPO verpflichtet gewesen, die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde – ungeachtet der während der laufenden Rechtsmittelfrist erfolgten Vollmachtskündigung und der Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers – auszuführen (RIS‑Justiz RS0125686), zumal ihm anlässlich der Vollmachtsauflösung die Vornahme weiterer Prozesshandlungen vom Angeklagten nicht ausdrücklich untersagt wurde.

[6] Damit wurde die Frist des § 285 Abs 1 erster Satz StPO nicht gewahrt. Der Lauf der durch eine Zustellung an den Verteidiger ausgelösten Frist wird nämlich nicht dadurch unterbrochen oder gehemmt, dass die Vollmacht des Verteidigers zurückgelegt oder gekündigt wird (§ 63 Abs 2 erster Satz StPO). Gleiches gilt für die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers, weil § 63 Abs 1 StPO Fälle bereits erfolgter Zustellungen an den Wahlverteidiger nicht umfasst (RIS‑Justiz RS0125686 [T1], RS0116182 [T12, T13]). Auf die verspätete Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war somit sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über dessen Berufung folgt (§ 285i StPO).

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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