OGH 12Os2/11b

OGH12Os2/11b25.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Michael V***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Oktober 2010, GZ 121 Hv 90/10g-51, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael V***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er in Wien unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie

I./ am 18. April 2010 andere durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich dem Anhalten ihres Fahrzeugs

1./ genötigt, und zwar den unbekannten Lenker eines Mercedes, indem er diesem einen Revolver zeigte;

2./ zu nötigen versucht, und zwar Mordechai H*****, indem er mit dem Revolver mehrere Schüsse in Richtung dessen Fahrzeugs abgab, wobei dieser aber die Flucht ergriff;

II./ am 19. April 2010 den Polizeibeamten Othmar H***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod an einer Amtshandlung, nämlich seiner neuerlichen Anhaltung zu hindern versucht, indem er auf diesen mit einem Ast in der Hand zulief und äußerte, er werde ihm den Ast „durch das Hirn rammen“,

und dadurch die Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall, 15 Abs 1 StGB (I./) und des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./) begangen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die sich auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO stützt. Sie schlägt fehl.

Entgegen dem Standpunkt der - innere Tatseite und Schuldfähigkeit vermengenden (RIS-Justiz RS0115231) - Mängelrüge ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus vernetzter Betrachtung des objektiven Verhaltens des Betroffenen, insbesondere der Abgabe mehrerer Schüsse und seinem Motiv (der Wahnidee, verfolgt zu werden) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall; US 14 und 16) nicht zu beanstanden.

Das weitere Vorbringen, die Feststellungen des Erstgerichts (zu I./2./) fänden keine Deckung in der Aussage des Zeugen Mordechai H***** und das „Zeigen einer Waffe“ stelle „an und für sich keine Bedrohung“ dar (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), nimmt nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370).

Mit dem Einwand, der Betroffene sei ein guter Schütze, weswegen er - entsprechenden Vorsatz vorausgesetzt - Fahrzeuge oder Menschen auch getroffen hätte, wird angesichts der angelasteten Nötigungshandlungen keine entscheidende Tatsache angesprochen; mit jenem, der Nichtigkeitswerber hätte „keinen Grund“ gehabt, andere zu bedrohen, wird ebenfalls kein formales Begründungsdefizit geltend gemacht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394).

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klar zu stellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0117247; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Indem die Rechtsrüge (nominell § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 10, der Sache nach Z 9 lit a und 9 lit b) den Einwand erhebt, der Betroffene sei einem (Tatbild-)Irrtum unterlegen oder habe in Putativnotwehr gehandelt, setzt sie sich zum einen über die erstgerichtlichen Feststellungen (US 6 und 7) hinweg und verkennt zum anderen, dass zustandsbedingte Irrtümer über die tatsächliche Seite von Rechtfertigungsgründen bedeutungslos sind (vgl RIS-Justiz RS0089282; Ratz in WK2 § 21 Rz 18).

Das weitere Vorbringen, die Polizeibeamten als solche nicht erkannt zu haben, übergeht ebenfalls die gegenteilige Konstatierung des Schöffengerichts (US 8, 9).

Deutlich ist schließlich den zur Prognosetat angestellten Erwägungen der Tatrichter zu entnehmen, dass diese gegen Leib und Leben gerichtete mit Strafe bedrohte Handlungen nach Art der Anlasstaten („Gewalttaten auch mit tödlichem Ausgang“, US 10) befürchteten, sodass auch die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall), die im Übrigen mit dem Begehren um „ambulante Therapie“ und bedingte Nachsicht der Maßnahme bloß Berufungsgründe geltend macht, fehlschlägt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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