OGH 12Os2/04

OGH12Os2/0411.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kainz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mehmet D***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes teils als Beteiligter nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und 12 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 20. Oktober 2003, GZ 37 Hv 43/03k-149, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Mehmet D***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem (auf dem auch im zweiten Rechtsgang einhellig gefällten Wahrspruch der Geschworenen beruhenden) angefochtenen Urteil wurde Mehmet D***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall und 12 dritter Fall StGB (1.-8.) schuldig erkannt. Darnach hat er

"1. am 18. Dezember 2001 in Pottendorf durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung der abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Ramazan K***** und Adem G***** beigetragen, welche im bewussten und gewollten Zusammenwirken durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung von Waffen, nämlich einer Gaspistole und eines Messers, dem Tankwart der OMV-Tankstelle Johann L***** einen Bargeldbetrag von 10.000 S (entsprechend 726,73 EUR) mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigten;

2. am 23. Dezember 2001 in Theresienfeld durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung der abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Ramazan K***** und des Adem G***** beigetragen, welche im bewussten und gewollten Zusammenwirken durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung von Waffen, nämlich einer Gaspistole und eines Messers, dem Tankwart der BP-Tankstelle Franz S***** einen Bargeldbetrag von 8.000 S (entsprechend 581,27 EUR) mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigten;

3. am 15. Jänner 2002 in Wiener Neustadt im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Ramazan K***** als Mittäter durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe dem Tankwart der MMM-Tankstelle Franz K***** einen Bargeldbetrag von 3.272,82 EUR mit dem Vorsatz abgenötigt, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem er eine gleichzeitig durchgeladene Faustfeuerwaffe CZ 9 mm und K***** eine Gaspistole gegen Franz K***** richteten und die Herausgabe des Geldes forderte;

4. am 12. Februar 2002 in Wiener Neustadt durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe CZ 9 mm dem Tankwart der MMM-Tankstelle Andreas Z***** einen Bargeldbetrag von

1.505 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;

5. am 19. Februar 2002 in Tribuswinkel durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe CZ 9 mm der Tankwartin der BP-Tankstelle Susanne W***** einen Bargeldbetrag von 2.000 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;

6. am 4. März 2002 in Traiskirchen durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer durchgeladenen Faustfeuerwaffe CZ 9 mm der Tankwartin der Agip-Tankstelle Fridoline K***** einen Bargeldbetrag von 6.260,80 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;

7. am 19. März 2002 in Leobersdorf durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe CZ 9 mm der Tankwartin der JET-Tankstelle Rosina K***** einen Bargeldbetrag von 2.686,88 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte;

8. am 21. März 2002 in Wien XXIII. durch Transportleistungen und Aufpasserdienste zur strafbaren Handlung des abgesondert verfolgten und bereits rechtskräftig verurteilten Ramazan K***** beigetragen, welcher durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe CZ 9 mm der Tankwartin der JET-Tankstelle Claudia L***** einen Bargeldbetrag von 2.272,87 EUR mit dem Vorsatz, durch dessen Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, abnötigte."

Bereits im ersten Rechtsgang haben die Geschworenen die auf die Verbrechen des schweren Raubes gerichteten, den Beschwerdeführer betreffenden acht Hauptfragen einstimmig bejaht und auf das Vorliegen entschuldigenden Notstands gerichtete Zusatzfragen einstimmig verneint. Wegen Unterlassung von durch die Verantwortung des Angeklagten indizierten Eventualfragen nach den Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB wurde der Wahrspruch allerdings zur Stellung von Eventualfragen in dieser Richtung auch in der Beantwortung der Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB bei den Raubtaten aufgehoben und die auf die Raubfakten bezogene (abermalige) Fragestellung nach § 11 StGB sowie nach § 287 Abs 1 StGB angeordnet. Im nunmehr zweiten Rechtsgang wurden die Zusatzfragen einstimmig verneint. Demgemäß entfiel die Beantwortung der Eventualfragen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten Mehmet D***** aus Z 5 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einholung eines weiteren Gutachtens eines Sachverständigen mit Lehrbefugnis (venia docendi) "zwecks Aufklärung der Widersprüche und zur Frage der Zurechnungsunfähigkeit zu den Tatzeitpunkten", dem sich der Verteidiger zum Beweis dafür anschloss, "dass der Angeklagte wie bereits im Gutachten Univ. Prof. Dr. P***** zu den Tatzeitpunkten nicht zurechnungsfähig war" (S 101/VI), zu Grunde liegende Auffassung, wonach die Gutachten der Sachverständigen Dr. P***** und Dr. L***** entscheidend divergieren, ist verfehlt.

Denn beide Experten haben nicht bloß die Diskretionsfähigkeit des Angeklagten zu den diversen Tatzeiten als gegeben beurteilt, sondern (gleichfalls) übereinstimmend dargelegt, dass die dependente Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers keine Krankheit ist (Dr. L***** - S 89/VI, Dr. P***** - S 95/VI) und weder für sich allein noch in Verbindung mit seiner Sucht die Dispositionsfähigkeit so weit einschränkte, dass sie die Zurechnungsunfähigkeit bewirkte. Die vom Sachverständigen Dr. P***** aufgezeigte Möglichkeit, dass bei Annahme von massiven Drohungen durch den Mittäter Ramazan K***** punktuell für die acht Tatzeitpunkte die Dispositionsfähigkeit aufgehoben und damit Zurechnungsunfähigkeit anzunehmen wäre (S 481 f/V, 95/VI), wurde vom Sachverständigen Dr. L***** keinesfalls in Abrede gestellt, sondern - in Übereinstimmung mit der Fachmeinung des erstgenannten Sachverständigen und dem einschlägigen prozessualen Vorschriften - als von den Geschworenen zu lösende Tatfrage dargestellt (S 71 und 93/VI).

Mangels eines Widerspruchs zwischen den Gutachten der vernommenen Sachverständigen (§ 126 StPO) hatte die Einholung des in Rede stehenden Gutachtens somit ohne Verletzung von Verteidigungsrechten (Z 5) zu unterbleiben.

Soweit er die Ablehnung des Antrags auf Einleitung des Moniturverfahrens mit der Begründung bemängelt, die Niederschrift der Geschworenen sei durch unrichtige Wiedergabe eines Sachverständigengutachtens mangelhaft, übersieht der Beschwerdeführer, dass der Inhalt der im § 331 Abs 3 StPO bezeichneten Niederschrift nur über eine Anfechtung aus Z 10 erster Fall zur Urteilsnichtigkeit führen könnte (Ratz WK-StPO § 345 Rz 67 ff, 71). Dazu wird im Übrigen in der Beschwerde kein in § 332 Abs 4 StPO normierter Grund für eine Verbesserung des Wahrspruchs aufgezeigt.

Nach Prüfung der Akten anhand des Vorbringens der Tatsachenrüge (Z 10a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof - auch im Blick auf die Aussagen der Mittäter Ramazan K***** und Adem G***** (S 343 ff und S 311 ff/V) - keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im (einhelligen) Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Dispositionsfähigkeit des Angeklagten in den jeweiligen Tatzeitpunkten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.

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