OGH 12Os20/22s

OGH12Os20/22s5.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juli 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M in der Strafsache gegen * N* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 12 zweiter und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * N* und * A* sowie über die Berufungen des Angeklagten * S* und der * R* gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 23. Juli 2021, GZ 24 Hv 111/19s‑300a, sowie über die Beschwerde des Angeklagten * S* gegen einen zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht sowie einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00020.22S.0705.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

* N* und * A* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung, wurden * N* (zu I./) und * A* (zu II./) jeweils des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall, 12 zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben in N* und an anderen Orten gewerbsmäßig und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz in den jeweils im Ersturteil näher beschriebenen Vermögensangriffen in Bezug auf einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden

I./ * N*

1./ von Dezember 2012 bis Dezember 2014 in den im Urteil näher beschriebenen Fällen (1./ bis 4./) andere Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorspiegelung, sie würden Genussrechte an der P* GmbH mit einer Laufzeit von drei bis fünf Jahren und einer Verzinsung von 4,5 bis 6 % bei 100 % Kapitalgarantie erwerben und ihr investiertes Kapital würde für die Realisierung von Immobilien‑ und Ökonomieprojekten verwendet, wobei er zum Teil zur Täuschung fingierte Bauprojektsunterlagen vorlegte, zum Abschluss von Genussrechtsverträgen und zur Überlassung von Geldbeträgen verleitet;

2./ von Februar 2013 bis Juni 2015 in den im Urteil näher beschriebenen Fällen * Sch* dazu bestimmt (I./2./1./1./ bis 68./) und in Bezug auf * H* durch Zurverfügungstellung von Informationen und fingierten Bauprojektsunterlagen dazu beigetragen (I./2./2./1./ bis 5./), dass die Genannten andere Personen durch Täuschung über Tatsachen auf die in I./1./ beschriebene Weise zur Überweisung von Geldbeträgen verleiten;

3./ am 13. März 2014 * R* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die wahrheitswidrige Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit zur Unterfertigung eines Zessionsvertrages hinsichtlich der für die Genannte abgeschlossenen Lebensversicherung verleitet, wodurch diese im Betrag von 100.000 Euro am Vermögen geschädigt wurde;

II./ * A* im Dezember 2012 * N* in einverständlichem Zusammenwirken mit * S* zur Ausführung der zu I./1./ und 2./ beschriebenen Taten bestimmt, indem sie ihn mit dem Vertrieb von Genussscheinen der P* GmbH beauftragten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen ergriffenen, von * N* auf Z 3, 5 und 9 lit a und von * A* auf Z 5, 5a und 11, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, gestützten Nichtigkeitsbeschwerden schlagen fehl.

 

I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N*:

[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) kritisiert eine Umgehung des Rechts des Mag. H* auf Verweigerung seiner Aussage (§ 157 Abs 2 iVm Abs 1 Z 2 StPO) durch Vorhalt eines Aktenvermerks (ON 202a, S 35 ff) an den Angeklagten in der Hauptverhandlung am 22. Juli 2021 (vgl ON 298 S 65 ff). Dieser Einwand kann schon deshalb auf sich beruhen, weil ein Vorhalt gegenüber dem Angeklagten den Inhalt des Beweismittels nicht im Sinn des § 528 Abs 1 StPO in der Hauptverhandlung vorkommen lässt (RIS‑Justiz RS0113446).

[5] Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider musste sich das Schöffengericht mit den bloßen Einschätzungen (vgl RIS‑Justiz RS0097540) der Zeugen Scha* und D* (ON 300 S 30, 36 und 39) dazu, ob der Beschwerdeführer vom Verschwinden der Anlegergelder wusste, nicht auseinandersetzen.

[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zu den Schuldsprüchen I./1./ und 2./ Konstatierungen zum Täuschungs‑ und Schädigungsvorsatz des Angeklagten N*. Indem sie jedoch die Gesamtheit der genau dazu getroffenen Feststellungen (vgl US 47 iVm US 32 f) übergeht, verfehlt sie den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (vgl RIS‑Justiz RS0099810).

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*:

[7] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) ist es angesichts des festgestellten Tatzeitpunktes im Dezember 2012 (vgl US 13, 31) nicht von Bedeutung, ob der Beschwerdeführer bereits im Herbst 2012 in den Tatplan eingebunden war. Das Schöffengericht musste sich daher nicht mit den auf diesen Zeitraum bezogenen Angaben des Mitangeklagten S* zur Frage des Wissensstandes des Angeklagten A* (ON 298 S 34 ff) befassen.

[8] Die weitere Beschwerde (Z 5 vierter Fall) geht daran vorbei, dass die Tatrichter die (zu § 147 Abs 1 Z 1 StGB getroffenen) Konstatierungen zur Verwendung gefälschter Bauprojektsunterlagen auf die Angaben der Angeklagten selbst und auf Aussagen zweier Zeuginnen stützten (US 74).

[9] Die die subjektive Ausrichtung des Beschwerdeführers bekämpfende Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich in einem unzulässigen Angriff auf die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung, indem sie die „Aktenlage“ – und insbesondere die Strafregisterauskunft (ON 380) – des Beschwerdeführers als „aktenwidrig“ kritisiert und eigenständig dahin interpretiert, dass daraus kein Schluss auf dessen finanzielle Schwierigkeiten ableitbar sei.

[10] Die Sanktionsrüge (Z 11) erstattet mit der Kritik an der Berücksichtigung der „Begehung mit Mittätern“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0090930) und der „Begehung während anhängigen Strafverfahrens“ (vgl dazu jüngst 15 Os 135/21y; zu den Voraussetzungen für die Annahme dieses Erschwerungsgrundes vgl RIS‑Justiz RS0119271) als erschwerende Umstände bloß ein Berufungsvorbringen (vgl allgemein RIS‑Justiz RS0099911 [T2, T8]).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte