OGH 12Os20/15f

OGH12Os20/15f9.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Moelle als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard R***** und andere Angeklagte wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 2 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Gerhard R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 10. September 2014, GZ 50 Hv 42/13d‑189, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00020.15F.0409.000

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard R***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtannahme der Privilegierung des § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG beim Schuldspruch A./I./1./b./ und jener des § 28a Abs 3 erster Fall SMG beim Schuldspruch A./II./, demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten R***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen ‑ auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthaltenden ‑ Urteil wurde Gerhard R***** mehrerer Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG (A./I./1./b./) und nach § 28a Abs 1 erster Fall SMG (A./II./) sowie der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A./VI./) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant ‑

A./ vorschriftswidrig Suchtgift nämlich Cannabisblüten,

I./1./b./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge als Mitglied einer kriminellen Vereinigung anderen überlassen, und zwar von Anfang Jänner 2011 bis 1. August 2013 in O***** und an anderen Orten insgesamt mehr als 1.633,50 Gramm „enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest 144,56 Gramm Delta‑9‑THC und THCA“ an im Urteil namentlich genannte Personen;

II./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge, und zwar insgesamt 1,5 Kilogramm „enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest 135 Gramm Delta‑9‑THC und THCA“ erzeugt, indem er

1./ 2010 in W***** 50 Cannabispflanzen aufzog und daraus 500 Gramm Cannabisblüten gewann;

2./ 2012 in O***** 50 Cannabispflanzen aufzog und daraus 1.000 Gramm Cannabisblüten gewann;

B./ am 2. März 2013 in O***** Robert F***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihm einen gezielten Kopfstoß versetzte, wodurch dieser einen Nasenbeinbruch mit Abschürfungen erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen A./I./1./b./, A./II./ und B./ des Schuldspruchs wendet sich der Angeklagte R***** mit einer auf Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welche sich als teilweise berechtigt erweist.

Zu Recht zeigt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) auf, dass die disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffenen Feststellungen betreffend die Nichtannahme der Privilegierung nach § 28a Abs 3 erster bzw zweiter Fall SMG nur unvollständig begründet wurden. Das Schöffengericht konstatierte, dass der Rechtsmittelwerber die Taten nicht vorwiegend deshalb begangen hat, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, zumal das Überlassen und Erzeugen erhebliche Mengen betraf (US 18 f). Die Tatrichter haben in diesem Zusammenhang die Verantwortung des Angeklagten R***** in der Hauptverhandlung, wonach er das weiterverkaufte Suchtgift selbst zu einem Preis von 5 bis 6 Euro pro Gramm eingekauft, er für die Aufzucht der Cannabispflanzen Investitionen von zumindest 2.500 Euro getätigt und weiters täglich zumindest ein Gramm Cannabis konsumiert hatte (ON 188 S 9), unerörtert gelassen.

Schon dieser Begründungsmangel erfordert die teilweise Aufhebung des Urteils, sodass auf das lediglich auf die Nichtannahme der Privilegierung des § 28a Abs 3 erster bzw zweiter Fall SMG bei A./I./1./b./ und A./II./ bezogene Vorbringen der Subsumtionsrüge (Z 10) nicht mehr einzugehen ist.

Soweit sich die Mängelrüge auf B./ des Schuldspruchs bezieht, erweist sie sich als nicht berechtigt.

Indem der Rechtsmittelwerber ausführt, das Erstgericht hätte seine Annahme der Unglaubwürdigkeit der Verantwortung des Angeklagten und der Aussage des Zeugen Julius R***** nicht oder nur unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), verkennt er, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Aussageperson aufgrund des von dieser in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch‑psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588).

Die Argumentation des Nichtigkeitswerbers, „bei lebensnaher Betrachtung der Tatumstände“ ergäbe sich, dass Robert F***** „schon vor der angeblichen Tat eine offensichtliche Abneigung“ gegen den Angeklagten hegte, und er „äußerst aufbrausend“ diesem gegenüber war, richtet sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Das gilt auch für die Ausführungen des Angeklagten, wonach sich das Erstgericht nicht mit der „Unvollständigkeit des Sachverständigen‑Gutachtens“ auseinandergesetzt habe. Der Sachverständige hätte nämlich vollkommen offen gelassen, wie er den Nasenbeinbruch des Opfers durch einen gezielten Kopfstoß des Rechtsmittelwerbers erkläre, und nicht erörtert, worin der Unterschied zwischen einem gezielten Kopfstoß und dem (versehentlichen) Zusammenstoßen der Köpfe „aus großer Nähe“ liegen solle. Indem der Angeklagte (ohne nachvollziehbare Begründung) ausführt, der in der Hauptverhandlung beigezogene gerichtsmedizinische Sachverständige hätte sein Gutachten „nur mangelhaft und notorisch erkennbar nicht im Einklang mit den Naturgesetzen der Physik“ erstellt, zeigt er keine Unschlüssigkeit des Gutachtens, auf welches sich die Tatrichter stützten, auf (vgl RIS‑Justiz RS0119301), weshalb der herangezogene Nichtigkeitsgrund (Z 5 vierter Fall) nicht zur Darstellung gebracht wird. Inwiefern die Ausführungen des Sachverständigen in der Hauptverhandlung, wonach ein Bruch des Nasenbeins nur bei „relativ starker Krafteinwirkung“ entstehe, während es bei einem leichten Zusammenstoß von zwei Köpfen „maximal zu einer Prellung“ komme (ON 188 S 7 f), unschlüssig sein sollten, bleibt offen.

Es war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der Nichtannahme der Privilegierung des § 28a Abs 3 zweiter Fall SMG beim Schuldspruch A./I./1./b./ und jener des § 28a Abs 3 erster Fall SMG beim Schuldspruch A./II./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben, eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Eisenstadt zu verweisen (§ 285e StPO).

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Zur Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche erhobene Berufung des Angeklagten waren die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zuzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Bleibt betreffend A./I./1./b./ und A./II./ des Schuldspruchs anzumerken, dass die Suchtgiftgrenzmengenverordnung betreffend Delta‑9‑THC eine Grenzmenge von 20 Gramm und betreffend THCA eine solche von 40 Gramm vorsieht. Diese Unterscheidung hat das Erstgericht außer Acht gelassen, was sich im konkreten Fall jedoch nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat (§ 290 StPO).

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