OGH 12Os18/08a (12Os19/08y)

OGH12Os18/08a (12Os19/08y)21.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Februar 2008 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Lässig, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Branislav P***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. November 2007, GZ 12 Hv 152/07g-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Branislav P***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt. Nach rechtzeitiger Anmeldung von Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wurde dem Verteidiger des Angeklagten das Urteil am 3. Dezember 2007 zugestellt (S 3l). Die Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde endete somit am 31. Dezember 2007.

Mit persönlich überreichtem Schriftsatz vom 3. Jänner 2008 (ON 32) beantragte der Angeklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wider die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung, die er damit begründete, dass es dem (eine Rechtsanwaltskanzlei in Graz führenden) Verteidiger „infolge Krankheit (Übelkeit, Erbrechen und Durchfall)" nicht möglich gewesen sei, das Rechtsmittel auszuführen, weil er wegen „krankheitsbedingter Schwächung" nicht in der Lage war, zwischen Weihnachten und Silvester in der Kanzlei zu arbeiten. Auf Grund der Feiertage und der „urlaubsbedingten Abwesenheit der Kollegen" sei der Verteidiger auch nicht in der Lage gewesen, einen anderen Rechtsanwalt zu ersuchen, die Ausführungen an seiner Stelle vorzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 364 Abs 1 Z 1 StPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einem Beschuldigten - neben anderen, hier nicht aktuellen Fällen - gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels zu bewilligen, sofern er nachweist, dass ihm die Einhaltung der Frist durch unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt. Das Vorbringen des Verteidigers zu seiner krankheitsbedingten, sich nach den Ausführungen zwischen 24. und 31. Dezember 2007 erstreckenden Verhinderung wurde in keiner Weise bescheinigt und erschöpft sich daher in bloßen Behauptungen. Gleiches gilt für die Argumentation, dass es dem Verfahrenshilfeverteidiger in dieser Zeit wegen urlaubsbedingter Abwesenheit der Kollegen unmöglich gewesen sei, eine Substitution in die Wege zu leiten. Ob in dieser Zeit alle sonst in Graz tätigen Anwälte auf Urlaub gewesen sind, kann fallbezogen dahin gestellt bleiben, denn im Antrag wird nicht einmal ein Versuch vorgebracht, einen anderen Verteidiger zu finden, der die ausstehende Rechtsmittelausführung hätte übernehmen können. Gemäß § 14 RAO ist der Rechtsanwalt berechtigt, im Verhinderungsfall einen anderen Rechtsanwalt unter gesetzlicher Haftung zu substituieren; in Fällen von andauernder Verhinderung oder längerer Abwesenheit ist die Substitution auch dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen. Die Erkrankung eines Verteidigers kann somit für sich allein genommen niemals Grund für eine Wiedereinsetzung sein (vgl 15 Os 163/01). Nur dann, wenn zufolge der Krankheit die Dispositionsfähigkeit des Verteidigers ausgeschlossen wird, wenn also wegen der Krankheit nicht einmal mehr für eine Stellvertretung gesorgt werden konnte, stellt diese ein Ereignis iSd § 364 Abs 1 Z 1 StPO dar, aufgrund dessen es unmöglich wäre, die versäumte Frist einzuhalten (vgl 15 Os 163/01; AnwBl 1992, 275; EvBl 1972/44; VfSlg 8801/1980). Dass die unbescheinigt gebliebene krankheitsbedingte Verhinderung des Verteidigers im vorliegenden Fall dergestalt gewesen sei, dass er nicht für eine Vertretung (zur Bearbeitung fristgebundener Prozesshandlungen) Vorsorge treffen hätte können, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht einmal behauptet. Ein gesetzlicher Grund für die Bewilligung der begehrten Wiedereinsetzung liegt daher nicht vor. Der darauf abzielende Antrag war in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur abzuweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wiederum war mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung der Nichtigkeitsgründe bei der Anmeldung (auf die in der verspäteten Ausführung geltend gemachten Gründe war nicht Bedacht zu nehmen; vgl RIS-Justiz RS 0100168) schon bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die rechtzeitig angemeldete Berufung (§ 285i StPO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte