OGH 12Os17/21y

OGH12Os17/21y25.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Pateisky in der Strafsache gegen Deniz S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 142 Abs 1, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Deniz S***** und Emre E***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 10. September 2020, GZ 34 Hv 53/20m‑106, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00017.21Y.0325.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A./, demgemäß auch in den Strafaussprüchen sämtlicher Angeklagten (einschließlich der Vorhaftanrechnungen) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Deniz S***** und Emre E***** werden mit ihren Rechtsmitteln auf die Aufhebung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch (B./) des Angeklagten Abdul A***** enthaltenden Urteil wurden Deniz S*****, Abdul Ah*****, Emre E***** und Emrullah Sa***** jeweils des Verbrechens des Raubes nach §§ 142 Abs 1, „15“ (vgl aber RIS‑Justiz RS0122006 [T3] StGB (A./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 7. März 2020 in I***** in einverständlichem Zusammenwirken durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) dem Mark O***** fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Armbanduhr und Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz abgenötigt, indem sie Mark O***** in einem Halbkreis bedrohlich umringten, diesen immer enger schlossen, sodass für ihn eine Flucht nicht mehr möglich war, und die Herausgabe der Armbanduhr und von Bargeld forderten, „wobei die Tat hinsichtlich des Bargelds beim Versuch blieb, weil das Opfer über kein Bargeld verfügte“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die von Deniz S***** auf Z 5, 5a, 9 lit a und 10 sowie die von Emre E***** auf Z 10a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Schuldspruch A./ eine sich zum Nachteil sämtlicher Angeklagter auswirkende, von diesen jedoch nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet.

[5] Nach den wesentlichen Feststellungen umzingelten die Angeklagten den Zeugen Mark O***** bedrohlich, sodass eine Flucht nicht möglich war, und forderten die Übergabe seiner Armbanduhr und seines Bargelds. „Angesichts der Überzahl der Burschen“ übergab er seine Armbanduhr an Emre E***** (US 8).

[6] Der Tatbestand des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB verlangt als Tatmittel – soweit fallbezogen relevant – eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Mit dem Hinweis auf § 89 StGB wird klargestellt, dass die Ankündigung einer minimalen, im Bagatellbereich liegenden Beeinträchtigung der körperlichen Integrität oder die bloße Drohung mit einer Misshandlung (§§ 83 Abs 2, 115 Abs 1 StGB) nicht ausreicht (vgl RIS‑Justiz RS0118696; Eder‑Rieder in WK 2 StGB § 142 Rz 32; Leukauf/Steininger/Flora , StGB 4 § 142 Rz 8; Fabrizy , StGB 13 § 142 Rz 4).

[7] Die rechtliche Annahme der Eignung einer (hier nonverbalen) Erklärung, dem Opfer die begründete Besorgnis einzuflößen, der Täter sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel herbeizuführen (RIS-Justiz RS0092255, RS0092538; Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 74 Rz 34), erfordert Feststellungen zu ihrem Bedeutungsinhalt, die allein durch die Beschreibung des Täterverhaltens nicht ersetzt werden können (RIS‑Justiz RS0092437, RS0092588 [insb T15]).

[8] Den oben angeführten Feststellungen ist solcherart nicht zu entnehmen, welches konkrete (qualifizierte) Übel die Täter mit dem „bedrohlichen Umzingeln“ des Opfers angekündigt hätten (RIS‑Justiz RS0094153 [T1]).

[9] Davon abgesehen erschöpfen sich die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach die Angeklagten es ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden, Mark O***** durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben dessen Armbanduhr sowie Bargeld abzunötigen (US 9), in einem substanzlosen Gebrauch der verba legalia und bleiben demnach ebenfalls ohne Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.189).

[10] Die tatrichterlichen Feststellungen vermögen demnach einen Schuldspruch nach § 142 Abs 1 StGB nicht zu tragen.

[11] Urteilskassation (§ 285e StPO) ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Folge, ohne dass es eines Eingehens auf das in den Nichtigkeitsbeschwerden erstattete Vorbringen bedurfte.

[12] Die Angeklagten Deniz S***** und Emre E***** waren mit ihren Rechtsmitteln auf die Kassation zu verweisen.

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