Spruch:
In der Strafsache gegen Oswald A und Johann B wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, AZ 7 U 795/81 des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan, wurde das Gesetz verletzt, und zwar 1. durch das Urteil des bezeichneten Bezirksgerichtes vom 4. Dezember 1981, ON 10, insoweit damit Johann B des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, in der Bestimmung des § 3 StGB, und 2. durch das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 11. März 1982, AZ 4 Bl 57/82 (= ON 14 in 7 U 795/81), womit die Nichtigkeitsberufung des Johann B gegen das angeführte (Erst-)Urteil zurückgewiesen wurde, in der Bestimmung des § 474 StPO Die bezeichneten Urteile, jenes des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan jedoch nur insoweit, als es den Beschuldigten Johann B betrifft, sowie alle auf den den genannten Beschuldigten betreffenden Urteilssprüchen beruhenden gerichtlichen Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 23. März 1982 (S 90), der Kostenbestimmungsbeschluß ON 17 und die Urkunde über die bedingte Strafnachsicht ON 16, werden aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht St. Veit an der Glan die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.
Text
Gründe:
Aus den Akten 7 U 795/81 des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan ergibt sich folgender Sachverhalt:
Am 28. Juni 1981 kam es in Guttaring anläßlich eines Volksfestes zu einem Raufhandel zwischen (dem am 27. Juli 1942 geborenen Werksarbeiter) Oswald A und (dem am 5. November 1927 geborenen Fleischer) Gottfried C. A, der seinen Gegner schon vorher mit dem Umbringen bedroht hatte, stieß C zu Boden, setzte sich auf ihn, schlug mit den Fäusten gegen dessen Gesicht und Bauchgegend und würgte ihn so stark, daß Cs Gesicht sich bereits bläulich verfärbte, wobei er ankündigte, er werde jetzt seine Drohung, ihn umzubringen, verwirklichen. Der am 22. April 1929 geborene Werksarbeiter Johann B trat hinzu, forderte A zunächst auf, Gottfried C loszulassen und versuchte wegen Erfolglosigkeit dieser Aufforderung sodann, A von C loszureißen. A versetzte jedoch B einen Schlag ins Gesicht, wodurch dieser leicht verletzt wurde. Nunmehr trat B mit dem Fuß gegen As Gesicht und fügte diesem leichte Verletzungen zu; hierauf ließ A den unter ihm liegenden C los (vgl Anzeige ON 2, insbes S 5 und 9). Das Bezirksgericht St. Veit an der Glan erließ daraufhin, nachdem die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der von A gegenüber C gebrauchten Drohungen die Erklärung gemäß § 90 StGB abgegeben und die Bestrafung von Oswald A und Johann B wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB beantragt hatte, gegen beide Beschuldigten Strafverfügungen wegen dieses Vergehens (ON 3 und 4), gegen die sie jedoch Einspruch erhoben. Mit Urteil vom 4. Dezember 1981, ON 10 erkannte es zu 1.) Oswald A des Vergehens der leichten Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig, weil er a) Gottfried C Faustschläge gegen den Kopf und den Körper versetzt und ihn gewürgt hatte, was Schürfwunden am Kehlkopf und am linken Unterkiefer sowie eine Blutunterlaufung in der linken Bauchgegend zur Folge hatte, und b) Johann B einen Schlag ins Gesicht versetzt hatte, welcher eine Platzwunde über dem linken Jochbein zur Folge hatte, sowie 2.) Johann B eben dieses Vergehens schuldig, weil er Oswald A einen Tritt ins Gesicht versetzt hatte, welcher eine Nasenbeinprellung und Blutunterlaufungen an den Augenlidern zur Folge hatte.
Das Bezirksgericht stellte in den Entscheidungsgründen zwar fest, daß der Beschuldigte B in der Absicht, die Raufenden zu trennen, versucht hatte, A von C loszureißen. Seiner Verantwortung, dem in Lebensgefahr befindlichen C Nothilfe geleistet zu haben, als er A einen Fußtritt versetzte, lehnte es jedoch ab, weil er vor der Gendarmerie angegeben hatte, A den Fußtritt zufolge des von diesem erhaltenen Faustschlages versetzt zu haben (S 68). Von dieser Beurteilung ausgehend unterließ es nähere Feststellungen zum Andauern des (rechtswidrigen) Angriffs des Oswald A gegen Gottfried C, welche Frage insbesondere nach den Gendarmerieerhebungen (S 5), wonach A erst nach diesem Fußtritt den unter ihm liegenden C losließ, und ebenso nach der Verantwortung des Beschuldigten B in der Hauptverhandlung, wonach A mit der einen Hand auf ihn einschlug, mit der anderen Hand weiter C am Hals festhielt (S 53), jedenfalls erörterungsbedürftig war. Dem Ersturteil ist dazu indes nur zu entnehmen, daß A, als er mit einer Hand gegen B schlug, 'weiterhin über C blieb' (S 67).
Der von B gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Landesgericht Klagenfurt als Berufungsgericht mit Urteil vom 11. März 1982, AZ 4 Bl 57/82, nur in Ansehung der Strafberufung (teilweise) Folge, indem es die vom Bezirksgericht verhängte Geldstrafe unter Bestimmung einer 2- jährigen Probezeit bedingt nachsah; die Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld sowie hinsichtlich des Strafmaßes wies es hingegen (als unbegründet) zurück, wobei es jedenfalls davon ausging, daß der Fußtritt gegen A vom Angeklagten mit Mißhandlungsvorsatz geführt worden war (ON 14). Der in der Berufungsverhandlung vom Angeklagten wiederholten Verantwortung (S 80), in welcher er auch auf seine körperliche Unterlegenheit gegenüber dem viel stärkeren A hinwies, die ihn veranlaßte, C durch einen Fußtritt zu Hilfe zu kommen, erwiderte das Berufungsgericht lediglich mit Bezugnahme auf die 'unbedenklichen' Feststellungen des Erstgerichtes (S 88).
Rechtliche Beurteilung
Das im Spruch bezeichnete Urteil des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan, soweit es den Beschuldigten Johann B betrifft, sowie das ebenfalls dort bezeichnete Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht, mit welchem (ua) über die Nichtigkeitsberufung des genannten Beschuldigten erkannt wurde, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Beide Unterinstanzen gingen in Ansehung des Beschuldigten Johann B ersichtlich von der Rechtsauffassung aus, daß Notwehr bzw Nothilfe gemäß § 3 StGB nur dann in Betracht kommt, wenn der Notwehr- (bzw Nothilfe-)übende ausschließlich mit dem Vorsatz handelt, den (rechtswidrigen) Angriff abzuwehren, während eine Berufung auf Notwehr (bzw Nothilfe) schon dann ausgeschlossen sei, wenn die zu einer Körperverletzung des Angreifers führenden Abwehrhandlungen (auch) mit Mißhandlungs- (oder mit Verletzungs-)vorsatz gesetzt werden, mag auch im Zeitpunkt dieser Handlungen der rechtswidrige Angriff auf ein notwehrfähiges Gut an sich noch andauern. Dieser Rechtsauffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Gemäß § 3 Abs. 1 StGB handelt nicht rechtswidrig, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen (oder unmittelbar drohenden) rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren. Voraussetzung für die Rechtfertigung ist somit das Vorliegen einer Notwehrsituation und einer angemessenen Notwehrhandlung, wobei es keinen Unterschied macht, ob Notwehr im engeren Sinn oder Nothilfe, das heißt Abwehr eines gegen einen anderen gerichteten Angriffs, vorliegt. Nur wenn der Abwehrende das gerechtfertigte Maß der Verteidigung überschreitet oder sich einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung bedient, ist er strafbar, und zwar dann, wenn dies aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken geschieht und die überschreitung auf Fahrlässigkeit beruht, wegen des entsprechenden Fahrlässigkeitsdelikts, andernfalls, also bei überschreitung aus anderen Gründen, wegen vorsätzlicher Tatbegehung (§ 3 Abs. 2 StGB). Wird hingegen das gerechtfertigte Maß der Verteidigung nicht überschritten (oder bedient sich der Abwehrende nicht einer offensichtlich unangemessenen Verteidigung), so spielt seine innere Einstellung in bezug auf die Verteidigungshandlung für die Rechtfertigung keine Rolle; insbesondere vermag sie das Bestehen (oder weitere Bestehen) der Notwehrsituation nicht zu beeinflussen. Bei objektiv gegebener Notwehrsituation schließt daher ein allenfalls bei Setzung der Abwehrhandlung vorliegender Mißhandlungs- oder Verletzungsvorsatz des Abwehrenden die Annahme gerechter Notwehr nicht generell aus, betrifft dieser doch die Tatbestandsmäßigkeit, nämlich den subjektiven Tatbestand, der durch die Abwehrhandlung gegebenenfalls erfüllt ist, nicht jedoch die Rechtswidrigkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens, deren Fehlen ausschließlich nach § 3 StGB zu prüfen ist.
Vorliegend haben die Unterinstanzen festgestellt, daß (jedenfalls zunächst) eine Notwehrsituation vorlag, weil Oswald A den Gottfried C rechtswidrig am Körper angegriffen hat, und daß Johann B deshalb aktiv in das Geschehen eingriff, um C zu helfen (S 67). Anlaß für das Eingreifen des B war daher der rechtswidrige Angriff des A gegen C, sohin eine Situation, die B zur Nothilfe berechtigte. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat es aber das Erstgericht - ebenso wie sodann das Berufungsgericht - unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob die Notwehr-(Nothilfe-)situation auch noch in jenem Zeitpunkt bestanden hat, als B dem Oswald A jenen Fußtritt versetzte, der zur inkriminierten Verletzung des Letztgenannten führte, und ob es sich bei dieser Vorgangsweise um eine angemessene Verteidigungs-(Nothilfe-)handlung des B gehandelt oder B dadurch die Grenzen gerechter Notwehr (Nothilfe) überschritten hat und aus welchen Beweggründen dies allenfalls der Fall war. Insoweit ist daher das Urteil des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan in Ansehung des Beschuldigten B mit Feststellungsmängeln und somit mit Nichtigkeit (§ 468 Abs. 1 Z 4, 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO) behaftet und verletzt deshalb - wie die Generalprokuratur im Ergebnis zu Recht geltend macht - das Gesetz in der Bestimmung des § 3 StGB Das Landesgericht Klagenfurt als Berufungsgericht hinwieder hätte bei der gegebenen Sach- und Rechtslage, da es von der ihm offenstehenden Möglichkeit einer Aufhebung des Ersturteils zur Verfahrenserneuerung gemäß § 470 Z 3 StPO nicht Gebrauch gemacht hatte (vgl Mayerhofer/Rieder, StPO, Nr 4 zu § 473 StPO), in der mündlichen Berufungsverhandlung nach Wiederholung des Beweisverfahrens entsprechende Feststellungen treffen müssen, um seinerseits zu einer abschließenden und rechtsrichtigen Entscheidung in der Lage zu sein. Durch die Zurückweisung der Nichtigkeitsberufung des Angeklagten B verstieß es gegen § 474 StPO Die von der Generalprokuratur aufgezeigten Gesetzesverletzungen waren somit festzustellen und gemäß § 292
letzter Satz StPO wie im Spruch zu beheben, wobei - entgegen der Auffassung der Generalprokuratur - nicht dem Landesgericht Klagenfurt die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Johann B aufzutragen war, sondern (im Hinblick auf die Aufhebung auch des Ersturteils in Ansehung dieses Beschuldigten) die Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen war.
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