OGH 12Os15/92-5

OGH12Os15/92-57.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Hon.-Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Schindler als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Freilinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Georg B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 11.Oktober 1991, GZ 7 Vr 181/91-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 2.August 1942 geborene Georg Martin B***** wurde (zu 1 a) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB, (zu 1 b) des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB, (zu 2 a und 3 a) des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, (zu 2 b und 3 b) des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs. 2 StGB und (zu 4) des Verbrechens der Kuppelei nach § 213 Abs. 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - in Oberwart seine am 23.August 1968 geborene Stieftochter Petra G***** durch im Urteil näher beschriebene Drohungen und Gewalttätigkeiten zur Duldung des Beischlafes genötigt (1 a) und sie dadurch zur Unzucht mißbraucht (1 b), ferner im Jahre 1985 oder 1986 mit seinen unmündigen leiblichen Töchtern Gabriela B***** (geboren 11.8.1975) und Martina B***** (geboren 27.11.1978) mehrfach den außerehelichen Beischlaf unternommen (2 a und 3 a) und dadurch Personen, mit denen er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt (2 b und 3 b) und schließlich zwischen 1987 und 1990 seine beiden minderjährigen Töchter Gabriela B***** und Martina B***** der Unzucht mit den abgesondert verfolgten Julius N***** und Emil B***** zugeführt, um sich hieraus einen Vermögensvorteil zu verschaffen (4).

Die vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs. 1 Z 2, 5, und 5 a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Rechtliche Beurteilung

Da im Zuge von Erhebungen durch die Sicherheitsbehörden verfaßte Protokolle und Berichte überhaupt nicht als nichtige Vorerhebungsakte im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 2 StPO in Betracht kommen, ist dadurch, daß vorliegend trotz Verwahrung des Beschwerdeführers die sicherheitsbehördlichen Angaben jener Personen verlesen wurden, die in der Hauptverhandlung von ihrem Entschlagungsrecht nach § 152 StPO Gebrauch gemacht hatten, weder der Nichtigkeitsgrund nach der Z 2 noch jener nach der (vom Beschwerdeführer gar nicht relevierten) Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO verwirklicht (Mayerhofer-Rieder3 ENr 4 und 5 zu § 281 Abs. 1 Z 2 StPO).

Der Mängelrüge (Z 5) und der sich damit weitgehend überschneidenden Tatsachenrüge (Z 5 a) ist zunächst generell und zusammenfassend zu erwidern, daß dem Urteil keine formalen Begründungsgebrechen in der Bedeutung des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes anhaften, die dazu ins Treffen geführten Argumente vielmehr bloß in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpfen und daß das Vorbringen in der Tatsachenrüge nicht geeignet ist, erhebliche Bedenken gegen die den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen zu erwecken.

Im einzelnen ist auszuführen, daß die Tatrichter jene Passagen im Gutachten des Sachverständigen Univ-Prof. Dr. S*****, die sich mit der Aussagefähigkeit der Zeugin Martina B***** in kritischer Weise befassen, keineswegs mit Stillschweigen übergangen haben (Band I S 469 ff), durch die aus der Sicht des Psychiaters gegebenen diesbezüglichen Einschränkungen aber - weil die Beurteilung der Beweiskraft einer Zeugenaussage allein dem Gericht zukommt - nicht gehindert waren, dieser Zeugin auf Grund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks dennoch vollen Glauben zu schenken (Band I S 461 f).

Petra G***** hat zwar in der Hauptverhandlung von ihrem gesetzlichen Entschlagungsrecht (als Stieftochter) Gebrauch gemacht; ihre Angaben vor der Gendarmerie (Band I S 143 ff und 321 ff) - wo sie übrigens, der Beschwerde zuwider, über ihr Entschlagungsrecht vor der Vernehmung belehrt worden war - waren aber gemäß § 252 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung zu verlesen (siehe Mayerhofer-Rieder3 § 252 StPO ENr 89 f) und stellten im Zusammenhalt mit den Bekundungen der in der Hauptverhandlung vernommenen Klosterschwester ***** (Band I S 303 f) eine durchaus zureichende Grundlage für die zu diesem Faktum getroffenen Konstatierungen dar, und zwar namentlich mit Bezug auf die vom Angeklagten ausgeübte Gewalt, die übrigens, entgegen der Beschwerde, bereits in dem Schreiben der genannten Zeugin vom 21. September 1985 implizit erwähnt wurde (Petra habe sich ... gewehrt ... es sei ihr aber nicht gelungen; Band I S 141).

Keine Unvollständigkeit der Begründung haftet dem Urteil aber auch in Ansehung der Zeugin Gabriela B***** "in Kombination mit der Aussage der Zeugin P*****" - wie die Beschwerde meint - an; denn im Kontext gelesen und unter Berücksichtigung des einige Zeilen vorher von der Zeugin P***** angeführten Datums ("1.2.") kann ihre zusammenfassende Formulierung (Band I S 305), Gabriela B***** habe - geschüttelt von Weinkrämpfen - geschildert, wie das zu Hause abgelaufen sei und "daß sie von ihrem Vater mißbraucht worden ist", nicht anders als ein Resümee der detaillierten, von der genannten Zeugin handschriftlich aufgenommenen Angaben der Gabriela B***** vom 1.2.1991 (siehe Band I S 163 ff) verstanden werden, in welcher Niederschrift sich auch konkrete Schilderungen über mehrfachen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten und mit Julius N***** finden (Band I S 165 und 169).

Die Angaben des Zeugen Andreas B***** vor der Gendarmerie schließlich werden, der Beschwerde zuwider, von den Depositionen des Zeugen Adolf S***** keineswegs in Frage gestellt, bzw begründet die Nichterörterung der in der Beschwerde zitierten Passage, wonach es "Andreas mit der Wahrheit nicht sehr genau nahm und sein Lügen sich auf alle Bereiche bezogen habe", keine Unvollständigkeit; denn die Beschwerde verschweigt, was der Zeuge S***** diesen Sätzen hinzufügte und was sich dahin zusammenfassen läßt, daß Andreas B***** "beim Schildern dieser Vorfälle", also dessen, worauf es gegenständlich ankam, gewiß "nicht gelogen" habe und sich in Widersprüche verwickelt hätte, falls seine Erzählungen nicht der Wahrheit entsprochen hätten (Band I S 313).

Die übrigen weitwendigen Beschwerdeausführungen erschöpfen sich - überwiegend in Gestalt hypothetischer Umdeutungen von Aussagegehalten - in der Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung und muß demnach darauf nicht weiter eingegangen werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs. 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird demgemäß der zuständige Gerichtshof zweiter Instanz abzusprechen haben.

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