OGH 12Os150/80

OGH12Os150/809.10.1980

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Köck als Schriftführer in der Strafsache gegen Robert A wegen des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Juli 1980, GZ. 6 f Vr 4346/80-15, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem unter Pkt. A/ 1 und 2 ergangenen Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 (nunmehr § 12 Abs. 1) SuchtgiftG und demgemäß auch im Strafausspruch, einschließlich der Aussprüche über die Wertersatz- (Verfallsersatz)-

Geldstrafe und über die Anrechnung der Vorhaft, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2. August 1955 geborene Hilfsarbeiter Robert A A./ des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SGG, B./ des Vergehens nach dem § 9 Abs. 1 Z 2 SGG und C./ des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG schuldig erkannt. Ihm liegt nach dem Inhalt dieser Schuldsprüche zur Last, in Wien A./: vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen in Verkehr gebracht zu haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er 1.) dem Josef B in der Zeit zwischen 1976 und Jänner 1980 etwa 650 Gramm Haschisch und etwa 50 LSD-Trips und 2.) dem Kurt C in der Zeit zwischen Frühjahr 1979 und April 1980 etwa 110 Gramm Haschisch und 5 LSD-Trips verkaufte;

B./: in der Zeit zwischen Frühjahr 1979 und Anfang Mai 1980 wiederholt unberechtigt Suchtgifte erworben und besessen zu haben;

C./: in der Zeit zwischen September 1979 und 5. Mai 1980 unbefugt eine Faustfeuerwaffe, und zwar eine Pistole Z-Automatic, Kal. 6,65 mm, besessen und geführt zu haben.

Von dem weiteren Anklagevorwurf, das Verbrechen nach dem § 6 Abs. 1 SGG im Sommer 1979 in Wien auch durch Verkauf von weiteren 1000 Gramm (richtig: 100 Gramm) Haschisch an Franz D begangen zu haben, wurde der Angeklagte Robert A gemäß dem § 259 Z 3 StPO rechtskräftig freigesprochen.

Mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte Robert A der Sache nach nur den zu Punkt A./ 1.) und 2.) des Urteilssatzes ergangenen Schuldspruch wegen Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SGG.

Rechtliche Beurteilung

Schon seine Mängelrüge, mit der er dem angefochtenen Urteil in bezug auf den zur Herstellung des Verbrechenstatbestandes nach dem § 6 Abs. 1 SGG erforderlichen Gefährdungsvorsatz eine den erstangeführten Nichtigkeitsgrund bewirkende Unvollständigkeit sowie eine offenbar unzureichende Begründung zum Vorwurf macht, erweist sich als zutreffend.

Nach den dem Schuldspruch wegen Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SGG zugrundeliegenden Urteilsfeststellungen verkaufte der Angeklagte Robert A dem ihm bekannten Josef B bereits im Jahre 1976 etwa 50 Gramm Haschisch sowie 30 LSD-Trips und im Sommer 1979 etwa 600 Gramm Haschisch sowie 20 LSD-Trips; ferner dem Kurt C, den er durch Josef B kennengelernt hatte, in der Zeit ab Frühjahr 1979 bis Februar 1980 etwa 110

Gramm Haschisch und 5 LSD-Trips. Die vorerwähnten Haschischmengen (von insgesamt 760 Gramm) überließ der Angeklagte dem Josef B und Kurt C nach den weiteren Urteilsannahmen jeweils nur in kleineren Teilmengen im Gegenwert von einigen Tausend Schilling, davon betrug die größte, dem Josef B verkaufte Teilmenge an Haschisch 110 Gramm (vgl. S 155 und 156 d.A). In subjektiver Beziehung erachtete das Erstgericht ein Handeln des Beschwerdeführers mit zumindest bedingtem Gefährdungsvorsatz für gegeben, weil er in Kenntnis des Umstandes, daß die von ihm weiterverkauften Suchtgiftmengen (insgesamt) ausreichend waren, um einen größeren Personenkreis der Sucht zuzuführen, die Weitergabe zumindest des größten Teils des dem Josef B und Kurt C überlassenen Suchtgifts durch die Genannten billigend in Kauf genommen und sich damit abgefunden habe (S 156 und 158 d.A).

Dagegen wendet der Beschwerdeführer mit Recht ein, das Erstgericht habe hiebei seine Verantwortung, dem ihm jeweils als Suchtgiftkonsumenten bekannten Josef B und Kurt C nur fallweise kleinere Suchtgiftmengen für den Eigenbedarf überlassen zu haben (vgl. S 135, 137, 139 und 140 d.A), und die sonstigen, diese Darstellung stützenden Verfahrensergebnisse (vgl. Zeuge Josef B, S 141 d.A, und Zeuge Kurt C, S 145 d.A) mit Stillschweigen übergangen und für die Annahme, er habe bei der Weitergabe der einzelnen Suchtgiftmengen an die Vorgenannten zumindest mit bedingtem Gefährdungsvorsatz gehandelt, in Wahrheit überhaupt keine Gründe angeführt.

Eine nähere Auseinandersetzung im Ersturteil mit dieser Verantwortung des Beschwerdeführers und den Bekundungen der Zeugen B und C wäre nämlich schon deshalb erforderlich gewesen, weil nach den Urteilsfeststellungen die wiederholte, auf größere Zeiträume verteilte Weitergabe des Suchtgifts an die beiden jeweils nur in kleineren Mengen erfolgte und davon die größte, an Josef B weiterverkaufte Teilmenge nur 110 Gramm Haschisch betrug. Die nach forensischer Erfahrung bei Haschisch zur Herbeiführung einer abstrakten Gemeingefahr im Sinne des § 6 Abs. 1 SGG (nunmehr seit Inkrafttreten der Suchtgiftgesetz-Novelle 1980 am 1. September 1980, BGBl. Nr. 319/80;

§ 12 Abs. 1 SGG) erforderliche 'Grenzmenge', die notwendig ist, damit ein größerer Personenkreis, d. s. etwa 30

bis 50 Personen, der Sucht zugeführt werden kann, liegt, wie auch im Ersturteil zutreffend ausgeführt wird, etwa bei 100 Gramm (vgl. Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, zu § 6 SGG, S 550, und die dort zitierte Judikatur).

Dem Beschwerdeführer liegt im Urteilsfaktum A./

der Weiterverkauf von insgesamt 760 Gramm Haschisch und 55 LSD-Trips (allerdings nur an zwei Personen) in mehreren - zumeist kleineren - Teilmengen zur Last. Zudem kann der Verbrechenstatbestand nach dem § 6 Abs. 1 (nunmehr § 12 Abs. 1) SGG auch durch eine Folge von Einzelakten, mit denen der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg (nämlich die Herbeiführung einer abstrakten Gemeingefahr) nach und nach erreichen will, ohne daß in jedem einzelnen Fall eine die vorerwähnte 'Grenzmenge' erreichende oder übersteigende Suchtgiftmenge in Verkehr gesetzt wird, verwirktlicht werden. Die Annahme einer solchen, durch mehrere Einzelakte herbeigeführten (fortlaufenden) Tatbestandsverwirklichung, bei der sich die einzelnen Teilakte rechtlich als eine Einheit darstellen, erfordert aber die Feststellung, daß sich die einzelnen Tathandlungen objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität fortsetzen und auf der subjektiven Tatseite der - zumindest bedingte - Tätervorsatz auch jeweils den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt mitumfaßt (9 Os 74/78 = RZ 1979/73 = ÖJZ-LSK 1979/287). Abgesehen davon, daß das Ersturteil darüber jede Feststellung vermissen läßt, hätte es darin schon angesichts der Verantwortung des Beschwerdeführers, die den Gegenstand seines Schuldspruchs nach dem § 6 Abs. 1 SGG bildenden Suchtgiftmengen nur an zwei ihm als rauschgiftsüchtig bekannte Personen für deren Eigenbedarf in jeweils nur kleineren Teilmengen, darunter nach den Urteilsfeststellungen nur einmal in einem die vorerwähnte Grenzmenge von Haschisch knapp übersteigenden Ausmaß (entgeltlich) überlassen zu haben, einer ausreichenden (schlüssigen) Begründung bedurft, weshalb das Erstgericht dieser ein Handeln mit Gefährdungsvorsatz in Abrede stellenden Verantwortung des Beschwerdeführers nicht folgte und welche Erwägungen für die Urteilsannahme maßgebend waren, daß entgegen den seine Verantwortung insoweit stützenden Bekundungen seiner beiden Suchtgiftabnehmer der zumindest bedingte Vorsatz des Angeklagten auch eine Weitergabe des größten Teils des ihnen überlassenen Suchtgifts an andere Personen mitumfaßte. Denn die in subjektiver Beziehung für einen Schuldspruch wegen Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 (12 Abs. 1) SGG, begangen durch das Inverkehrsetzen einer relativ kleinen, wenngleich über der sogenannten 'Grenzmenge' liegenden Suchtgiftmenge, erforderliche, allein aus den individuellen (urteilsgegenständlichen) Tathandlungen resultierende Feststellung, daß sich der (bedingte) Tätervorsatz auf die für die Entstehung einer abstrakten Gemeingefahr maßgeblichen Tatumstände erstreckte, könnte im vorliegenden Fall mangels einer breit gestreuten Verteilung des Suchtgifts durch den Beschwerdeführer selbst nur auf eine solche, von ihm im Zeitpunkt der Veräußerung mit zumindest bedingtem Vorsatz ins Auge gefaßte Verwendungsbestimmung durch die beiden Abnehmer des Suchtgifts gestützt werden. Gegebenenfalls wäre auch schlüssig darzulegen, ob und weshalb der Beschwerdeführer unter diesen Umständen zu einer so weitgehenden Begrenzung der von ihm durch die Weitergabe des Suchtgifts geschaffenen Gefahr, daß sie das Ausmaß einer Gemeingefahr im Sinne des § 6 Abs. 1 (12 Abs. 1) SGG nicht erreichen konnte, weder willens noch in der Lage war.

Schon die in der Nichtigkeitsbeschwerde aufgezeigten Begründungsmängel, die dem Ersturteil in Ansehung des darin festgestellten, zur Herstellung des Verbrechenstatbestandes nach dem § 6 Abs. 1 (12 Abs. 1) SGG erforderlichen (bedingten) Gefährdungsvorsatzes anhaften, machen eine Aufhebung des Schuldspruchs des Angeklagten nach dem § 6 Abs. 1 SGG (Punkt A./ 1. und 2. des Urteilssatzes) und demgemäß auch des gesamten Strafausspruchs (eeinschließlich der Aussprüche über die Wertersatz- /Verfallsersatz-/ Strafe und die Anrechnung der Vorhaft) sowie eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung der Sache in erster Instanz im Umfang der Aufhebung unvermeidbar, sodaß ein Eingehen auf das weitere, (auch) den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO relevierende Beschwerdevorbringen entbehrlich erscheint. Es war sohin der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Robert A Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem unter Punkt A./ 1.) und 2.) ergangenen Schuldspruch wegen des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SGG und demgemäß auch im Strafausspruch, einschließlich der Aussprüche über die Wertersatz- (Verfallsersatz-) Strafe und die Anrechnung der Vorhaft, aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Robert A auf diese Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte