OGH 12Os147/18m

OGH12Os147/18m24.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in den Strafsachen gegen Sebastian W***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ U 8/16x des Bezirksgerichts Bleiburg und AZ 38 Hv 77/17d des Landesgerichts Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Bezirksgerichts Bleiburg vom 8. Juni 2016, GZ U 8/16x‑9, und des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. November 2017, GZ 38 Hv 77/17d‑156, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter-Longitsch, LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00147.18M.0124.000

 

Spruch:

 

I./ Der mit Urteil des Bezirksgerichts Bleiburg vom 8. Juni 2016, GZ U 8/16x‑9, erfolgte nachträgliche Strafausspruch zum Urteil des Bezirksgerichts Bleiburg vom 13. Jänner 2016, GZ U 25/15w‑8, verletzt § 15 Abs 1 JGG.

Das Urteil des Bezirksgerichts Bleiburg vom8. Juni 2016, GZ U 8/16x‑9, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf nachträglichen Strafausspruch abgewiesen.

II./ Der mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. November 2017, GZ 38 Hv 77/17d-156, erfolgte nachträgliche Strafausspruch zum Urteil des Bezirksgerichts Bleiburg vom 13. Jänner 2016, GZ U 25/15w‑8, verletzt den im 16. Hauptstück der Strafprozessordnung verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen, das in Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK und in § 17 Abs 1 StPO normierte Verbot der Doppelbestrafung sowie § 15 Abs 1 JGG.

Das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. November 2017, GZ 38 Hv 77/17d-156, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Strafausspruch ebenso wie der unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO gefasste Beschluss aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht verwiesen und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf nachträglichen Strafausspruch abgewiesen.

 

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Bleiburg vom 13. Jänner 2016, GZ U 25/15w‑8, wurde Sebastian W***** der – als Jugendlicher (§ 1 Z 4 JGG) verübten – Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB und der Urkundenfälschung nach § 223 „Abs 2“ (richtig: Abs 1) StGB schuldig erkannt. Gemäß § 13 Abs 1 JGG wurde der Ausspruch der zu verhängenden Strafe unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit vorbehalten.

Weiters wurde der Genannte mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Bleiburg vom 8. Juni 2016, GZ U 8/16x‑9, der am 24. Mai 2015 begangenen Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hierfür „unter Einbeziehung des Schuldspruches zu U 25/15w des BG Bleiburg“ zu einer (unbedingten) Geldstrafe verurteilt (US 3).

Schließlich wurde Sebastian W***** mit rechtskräftigem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. November 2017, GZ 38 Hv 77/17d‑156, der Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 und Z 2, 15 Abs 1 StGB und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hierfür unter „gleichzeitiger Straffestsetzung zum Urteil des Bezirksgerichtes Bleiburg im Verfahren U 25/15w“ zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe sowie einer (unbedingten) Geldstrafe (§ 43a Abs 2 StGB) verurteilt. Gemäß § 494a Abs 1 Z 3 StPO fasste dieses Gericht den– bloß deklarativen (Schroll in WK2 JGG § 16 Rz 10; Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 3) – Beschluss, dass ein nachträglicher Strafausspruch im Verfahren AZ U 25/15w des Bezirkgerichts Bleiburg nicht mehr in Betracht kommt.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, stehen die mit den Urteilen des Bezirksgerichts Bleiburg vom 8. Juni 2016, GZ U 8/16x-9, und des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. November 2017, GZ 38 Hv 77/17d‑156, erfolgten (nachträglichen) Strafaussprüche mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1./ Ein Vorgehen gemäß § 15 Abs 1 JGG kommt (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) nur dann in Betracht, wenn der Rechtsbrecher wegen einer vor Ablauf der (bereits in Gang gesetzten) Probezeit begangenen Straftat neuerlich verurteilt wird (RIS-Justiz RS0088791; Schroll  in WK 2 JGG § 13 Rz 7, § 15 Rz 1). Das ist hinsichtlich des Urteils des Bezirksgerichts Bleiburg vom 8. Juni 2016, GZ U 8/16x‑9, nicht der Fall, weil die den nachträglichen Strafausspruch auslösende Tat bereits am 24. Mai 2015 – also vor der Anordnung des Sanktionsvorbehalts (§ 13 Abs 1 JGG) durch das Bezirksgericht Bleiburg im Verfahren AZ U 25/15w – verübt wurde.

2./ Der oben (zu 1./) genannte nachträgliche Strafausspruch entfaltete ungeachtet seines Rechtsfehlers Bindungswirkung (vgl RIS-Justiz RS0101270; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 2.234 ff), sodass es dem Landesgericht Klagenfurt schon deshalb verwehrt war, neuerlich gemäß § 15 Abs 1 JGG vorzugehen (vgl RIS-Justiz RS0086998). Zudem verstieß dieses Gericht durch die abermalige Sanktionierung einer bereits abgeurteilten Tat auch gegen das in Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK und in § 17 Abs 1 StPO normierte Verbot der Doppelbestrafung (RIS‑Justiz RS0101270 [T21], RS0124619, RS0075175; Jerabek , WK-StPO § 494a Rz 13).

Die in Rede stehenden Strafaussprüche wirkten sich zum Nachteil des Verurteilten aus. Gemäß § 292 letzter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof daher veranlasst, den aufgezeigten Gesetzesverletzungen die im Spruch ersichtliche konkrete Wirkung zu verleihen.

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