OGH 12Os146/79

OGH12Os146/7924.4.1980

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Sperker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach §§ 217 Abs. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 30.Juli 1979, GZ. 12 a Vr 1973/78-31, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Heiss und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO. das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Josef A wegen des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB. - Urteilsfaktum

1.) - soweit sich dieser auf das Verhalten des Angeklagten gegenüber Renate B in den Monaten September bis Ende November 1978 erstreckt sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang dieser Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Josef A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe (auch) in den Monaten September bis Ende November 1978 in Feldkirch Renate B dadurch, daß er ihr den Standplatz für die Freierwerbung zuwies und zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit den Kunden seine Wohnung zur Verfügung stellte, der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt und hiedurch das Vergehen der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB. begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen.

Für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des erstgerichtlichen Urteils weiterhin zur Last fallende Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB.

(Urteilsfaktum 3.) und die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. (Urteilsfaktum 4.), der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB.

(Urteilsfaktum 1.) und der Zuhälterei nach § 216 StGB. (Urteilsfaktum 2.) sowie das Vergehen nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffG. wird Josef A nach §§ 28, 217 Abs. 1, erster Strafsatz, StGB. zu sieben Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB. wird die Vorhaft vom 21.Februar 1979, 19,30 Uhr, bis 9.März 1979, 11 Uhr, auf die Strafe angerechnet. Gemäß § 26 Abs. 1 StGB. wird die sichergestellte Faustfeuerwaffe (Pistole Webley & Scott, Nr. 11453, Kal. 7,65) eingezogen. Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung soweit sie gegen das Strafausmaß gerichtet ist, wird die Staatsanwaltschaft ebenso auf diese Entscheidung verwiesen, wie der Angeklagte mit seiner Berufung.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.Juni 1945 geborene Elektromonteur Josef A des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB., ferner der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB., der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB. und der Zuhälterei nach § 216

StGB. sowie des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffenG. schuldig erkannt, weil er 1. die Prostituierte Renate B der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatszugehörigkeit sie besitzt, dadurch zuführte, daß er sie in der Zeit vom 12. bis 24.August 1978 zur Ausübung der Prostitution nach Frankfurt (BRD) in eine Dirnenabsteige vermittelte (Urteilsfaktum 3.), 2. Anfang Dezember 1978 in Meiningen Renate B durch die Äußerung 'Du bist eine Drecksau, du wirst das nicht überleben; das haben schon andere probiert und die gibt' s nimmer', mit dem Tod gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (Urteilsfaktum 4.), 3. in der Zeit vom 25.Mai bis 6.Juni 1978 sowie in den Monaten September bis Ende November 1978 in Feldkirch die Renate B dadurch, daß er ihr den Standplatz für die Freierwerbung zuwies und zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs mit den Kunden seine Wohnung zur Verfügung stellte, der gewerbsmäßigen Unzucht zuführte (Urteilsfaktum 1.), 4. in dem zu Punkt 3. angeführten Zeitraum seinen Unterhalt zumindest zum Teil aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Renate B durch deren Ausbeutung zu gewinnen suchte, indem er ihr den Großteil des Schandlohnes abnahm (Urteilsfaktum 2.) und schließlich 5. von Sommer 1978 bis zum 6.September 1978 in Feldkirch eine Pistole der Marke Webley & Scott (Nr. 11453), Kal. 7,65, mithin eine Faustfeuerwaffe unbefugt besessen hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit seiner auf die Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, und zwar nur in Ansehung der Urteilsfakten 2.), 3.) und 4.). Als Feststellungsmangel im Sinne der zuvor erwähnten Verfahrensbestimmung wird vom Beschwerdeführer mit Beziehung auf den Schuldspruch wegen des Vergehens der Zuhälterei gerügt, das Erstgericht hätte auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht nur feststellen müssen, daß in der Zeit vom 25.Mai bis 6.Juni 1978

zwischen ihm und Renate B eine Einnahmenteilung bestanden habe; es wäre vielmehr auch zu einer ziffernmäßigen Feststellung der vom Angeklagten darüber hinaus an Renate B geleisteten Zahlungen und Leistungen verhalten gewesen, zumal unter diesem Gesichtspunkt von einer für die Tatbestandsverwirklichung (des § 216 StGB.) geforderten Ausbeutung nicht mehr gesprochen werden könne. Diese Rechtsrüge erweist sich als nicht stichhältig.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht hat ohnehin festgestellt, daß zwischen dem Angeklagten und Renate B, die er - laut Punkt 1

des Schuldspruchs - um den 25.Mai 1978 der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt hatte, ursprünglich 'Einnahmenteilung' vereinbart war und anfangs auch kurze Zeit praktiziert wurde; nach den weiteren Konstatierungen hielt der Angeklagte aber schon ab Anfang Juni 1978 diese Abmachung nicht mehr ein, sondern nahm den von Renate B aus der Prostitution (noch in Feldkirch) erzielten Verdienst bis auf ein kleines Taschengeld an sich. Das Urteil geht auch davon aus, daß der Angeklagte andererseits (teilweise) für Lebensbedürfnisse der Renate B aufkam und ihr zwei- bis dreimal wöchentlich auf Verlangen (jeweils) 200 bis 300 s zur eigenen Verfügung überließ. Die vom Angeklagten für Renate B ausgegebenen Beträge im Sinne des Beschwerdevorbringens ziffernmäßig festzustellen, war nicht erforderlich. Da das Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung im Sinne des § 216 StGB. schon durch die Wegnahme des ganzen oder doch überwiegenden Verdienstes der Prostituierten verwirklicht wird (LSK. 1977/117 =

EvBl. 1977/213), ohne daß sie dadurch in wirtschaftliche Bedrängnis oder gar in eine Notlage geraten muß (LSK. 1979/

192; LSK. 1979/264 = EvBl. 1979/245), wurde dem Beschwerdeführer, der Renate B nach den Urteilsannahmen solcherart in ein drückendes Abhängigkeitsverhältnis brachte, das Vergehen der Zuhälterei sohin zu Recht angelastet.

Soweit der Angeklagte hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Verbrechens des Menschenhandels (Urteilsfaktum 3.) rügt, das Erstgericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, daß Renate B freiwillig und ohne irgendeinen Einfluß in Frankfurt a.M. (BRD.) ihre Tätigkeit als Prostituierte aufgenommen habe, übersieht er, daß das in Rede stehende Verbrechen in dem hier angenommenen Deliktsfall des § 217 Abs. 1 StGB. - anders als nach Absatz 2

dieser Gesetzesstelle - nicht erfordert, daß der Täter (Täuschung oder) Zwang anwendet, um eine Person dazu zu bringen, die gewerbsmäßige Unzucht in einem fremden Staat auszuüben (LSK. 1978/232). Die (nach den Beschwerdebehauptungen von Willensmängeln freie) Einwilligung der Renate B, die gewerbsmäßige Unzucht in Frankfurt a.M. auszuüben, ändert daher an der Tatbildverwirklichung nichts.

Unter Zuführen im Sinne des § 217 Abs. 1 StGB. ist aber jedes Tätigwerden zu verstehen, das darauf abzielt, eine andere Person zur Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution im Ausland zu veranlassen. Eine Einwirkung auf den Willen des Opfers ist dazu nicht unbedingt erforderlich. Es genügt etwa - wie hier als erwiesen angenommen wurde -

das Verschaffen eines entsprechenden Quartiers im Ausland durch Kontaktaufnahme mit dessen Inhaber (Leukauf-Steininger2 RN. 5 zu § 217 StGB.; 9 Os 89/79). Demnach sind auch die Einwendungen gegen die Subsumtion des von Punkt 3 des Schuldspruchs erfaßten Deliktsverhaltens unter das Tatbild des Menschenhandels nicht gerechtfertigt.

Ebenso verfehlt ist das Beschwerdevorbringen des Angeklagten, soweit er im Zusammenhang mit dem Schuldspruch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (Urteilsfaktum 4.) die Auffassung vertritt, das Schöffengericht hätte angesichts der Tatsache, daß die ihm angelasteten Äußerungen im Zuhälter- bzw. Dirnenmilieu gefallen seien, feststellen müssen, aus welchen Erwägungen es zu dem Ergebnis kam, daß es sich hier nicht um milieubedingte Unmutsäußerungen handle, denen das Merkmal der Ernstlichkeit mangle. Die Rüge versagt auch in diesem Punkt.

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, daß das Tatbild der gefährliche Drohung gewiß durch (bloße) 'milieubedingte Unmutsäußerungen' in der Regel nicht verwirklicht wird (Leukauf-Steininger2 RN. 20 zu § 74 StGB.;

EvBl. 1968/99 u.a.); indes hat das Schöffengericht gerade unter Hinweis auf das 'Zuhälter- bzw. Dirnenmilieu' aus den Umständen des vorliegenden Falles zutreffend gefolgert, daß der als Reaktion auf die ihn belastende Aussage der Renate B bei der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Vorarlberg aufzufassenden Äußerung des Angeklagten, sie werde das nicht überleben, das hätten schon andere probiert und die gebe es nicht mehr, der Charakter einer ernstgemeinten und objektiv ernst zu nehmenden Drohung (mit dem Tod), um Renate B in entsprechende Furcht und Unruhe zu versetzen, zukam, zumal dieses Tatverhalten des Angeklagten die dadurch tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzte Renate B veranlaßte, den Wohnort zu wechseln und ihren Aufenthalt nur der die Erhebungen führenden Gendarmeriedienststelle mitzuteilen (S. 429, 228).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlaß konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß der - von beiden Seiten -

unbekämpft gebliebene Schuldspruch wegen des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB.

- Urteilsfaktum 1.) - im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. nichtig ist, soweit er sich auf das Verhalten des Angeklagten gegenüber Renate B in den Monaten September bis (Ende) November 1978 erstreckt. Denn aus den Feststellungen ergibt sich, wie bereits erwähnt, daß die Genannte schon um den 25.Mai 1978 in Feldkirch mit der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht begann, der sie der Angeklagte damals zugeführt hatte - insoweit lag die im Urteil angenommene echte Konkurrenz der Vergehen nach § 215 und § 216 StGB. allerdings vor (LSK. 1977/333) -, und daß sie diese Betätigung sodann im Sommer 1978 in Liechtenstein bzw. in der Bundesrepublik Deutschland, schließlich ab September 1978 wieder in Feldkirch fortsetzte. Im Hinblick darauf, daß im Sinne des § 215 StGB. der gewerbsmäßigen Unzucht schon begrifflich nur eine Person zugeführt werden kann, die ihr nicht - wie dies aber bei Renate B zu der in Rede stehenden Zeit zutraf - bereits ergeben ist, war es rechtlich verfehlt, dem Angeklagten (auch) das betreffende Tatverhalten in den Monaten September bis (Ende) November 1978 als mit der Zuhälterei (Urteilsfaktum 2.) tateinheitlich zusammentreffendes Vergehen nach § 215 StGB. zuzurechnen. Der zuvor erwähnte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund war daher aus Anlaß der Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen wahrzunehmen und insoweit wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Bei der sohin vom Obersten Gerichtshof vorzunehmenden Neubemessung der Strafe wurde - gleich dem Erstgericht - als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Delikte verschiedener Art sowie eine (einschlägige) Vorstrafe wegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz gewertet; hingegen fiel das teilweise Geständnis des Angeklagten als mildernd ins Gewicht.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe und der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen - § 32 StGB. - erachtete (auch) der Oberste Gerichtshof - ungeachtet der Eliminierung eines Teils des Schuldspruchs zu Punkt 1. des Urteilssatzes - eine siebenmonatige Freiheitsstrafe für angemessen. Angesichts der Vielzahl der dem Angeklagten zur Last liegenden Straftaten, deren (teilweise) Begehung durch einen längeren Zeitraum und des bereits belasteten Vorlebens ist die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Erreichung der Strafzwecke erforderlich.

Aus Anlaß der Neubemessung der Strafe war die vom Erstgericht ohne erkennbaren Grund - der Vorschrift des § 38 StGB. zuwider - unterlassene Anrechnung der aus dem Akt ersichtlichen Vorhaft nachzuholen, deren Unterbleiben mit der an sich berechtigt zugunsten des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gemäß § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. gerügt wird. Ebenso war entsprechend dem Berufungsvorbringen der Staatsanwaltschaft gemäß § 26 Abs. 1 StGB. auf Einziehung der sichergestellten Faustfeuerwaffe zu erkennen, da die bezügliche Pistole der Gegenstand war, der vom Täter zu seiner nach dem Waffengesetz strafbaren Handlung verwendet wurde (Leukauf-Steininger2, a.a.O. RN. 5 zu § 26 StGB. und die dort zitierte Judikatur).

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, soweit letztere gegen das Strafausmaß gerichtet ist, ebenso wie der Angeklagte mit seiner Berufung, auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte