OGH 12Os144/16t

OGH12Os144/16t26.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martina R***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 29. Juli 2016, GZ 19 Hv 18/16z‑23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00144.16T.0126.000

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch II./ sowie demzufolge auch im Verfallsausspruch in Ansehung eines Betrags von 30.000 Euro und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martina R***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) sowie des Vergehens nach § 4 Abs 1 NPSG (II./) schuldig erkannt.

Danach hat sie in V*****

I./ im Zeitraum von 2005 bis November 2015 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich insgesamt zumindest 5.515 Stück Subutex 8 mg‑Tabletten (beinhaltend insgesamt 44,12 Gramm Buprenorphin) durch Verkäufe und Übergaben an verschiedene Drogenabnehmer anderen überlassen;

II./ im Zeitraum von Mitte 2014 bis Oktober 2015 mit dem Vorsatz, daraus einen Vorteil zu ziehen, eine mit Verordnung gemäß § 3 NPSG bezeichnete oder von einer gemäß § 3 NPSG definierten chemischen Substanzklasse umfasste Neue Psychoaktive Substanz mit dem Vorsatz eingeführt und anderen überlassen, dass sie von dem anderen oder einem Dritten zur Erreichung einer psychoaktiven Wirkung im menschlichen Körper angewendet wird, indem sie mindestens 500 Gramm Pentedron, 4‑MEC, 4‑CMC, 3,4 DMMC, Alpha‑PVP, 3‑MMC und 4 FMC per Internet in China von einem unbekannten Lieferanten bestellte und nach Österreich schicken ließ und anschließend an verschiedene Abnehmer gewinnbringend verkaufte.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Schuldspruch II./ ein nicht geltend gemachter Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zum Nachteil der Angeklagten anhaftet, der gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmen ist.

§ 4 Abs 1 NPSG bezieht sich ausschließlich auf Substanzen, die in einer Verordnung nach § 3 NPSG als solche bezeichnet oder von den gemäß § 3 NPSG definierten chemischen Substanzklassen umfasst werden.

Demnach gelten als Neue Psychoaktive Substanzen im Sinn dieser Bestimmung sowohl die in Anlage I der gemäß § 3 Abs 1 NPSG erlassenen Verordnung angeführten Substanzen (§ 1 Abs 1 Z 1 NPSV) als auch alle Substanzen, die von den in Anlage II dieser Verordnung angeführten chemischen Definitionen betroffen sind (§ 1 Abs 1 Z 2 NPSV).

Eine Unterstellung eines Sachverhalts unter § 4 Abs 1 NPSG setzt daher Feststellungen voraus, die eine eindeutige Zuordnung des inkriminierten Stoffes zu einer der von § 1 der erwähnten Verordnung umfassten Substanzen ermöglichen.

Diesem Erfordernis genügt die bloße Verwendung chemischer Nomenklaturen bzw Trivialnamen oder sogar bloßer Abkürzungen hievon nicht, weil damit kein eindeutiger Bezug dieses Stoffes zu den von der erwähnten Verordnung umfassten Substanzen, Substanzklassen und chemischen Strukturen hergestellt wird und selbst eine im Einzelfall diesbezüglich allenfalls vorliegende Gerichtsnotorietät entsprechende Konstatierungen nicht ersetzen könnte (vgl RIS‑Justiz RS0114428 [T9]; 15 Os 150/11i, SSt 2011/74).

Indem das vorliegende Urteil zu Schuldspruch II./ lediglich eine Bestellung von „Psychoaktiven Substanzen“ und die Weitergabe von „Pentedron, 4‑MEC, 4‑CMC, 3,4 DMMC, Alpha‑PVP, 3‑MMC, und 4 FMC“ konstatiert (US 4), die inkriminierten Stoffe also zunächst ohne weitere Unterscheidung als „Psychoaktive Substanzen“ und in weiterer Folge lediglich mittels chemischer Nomenklaturen oder deren Abkürzung bezeichnet, nicht jedoch konkret feststellt, welchen Substanzen, Substanzklassen und chemischen Strukturen diese Stoffe zuzuordnen sind, mangelt es dem Schuldspruch II./ an dem insoweit erforderlichen Sachverhaltssubstrat.

In dieser Hinsicht leidet – wie auch die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend aufzeigt – das Urteil demgemäß an einem Rechtsfehler mangels Feststellungen im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0119884).

Die angefochtene Entscheidung war daher gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO im Schuldspruch II./ und im Umfang des damit in Ansehung des Betrags von 30.000 Euro untrennbaren Verfallserkenntnis (US 6) von Amts wegen schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben.

Dies hatte auch die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, weshalb sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen (Z 11) erübrigt.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und ihrer Berufung war die Rechtsmittelwerberin auf die Kassation zu verweisen.

Da die Nichtigkeitsbeschwerde aufgrund der amtswegigen Maßnahme gegenstandslos wurde, trifft die Angeklagte in Bezug auf das Rechtsmittelverfahren keine Kostenersatzpflicht (RIS‑Justiz RS0101558 [T1]; Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12).

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