OGH 12Os143/98

OGH12Os143/9819.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmidt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Kurt Pe***** und Eva Maria Pi***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB, AZ 1 b E Vr 6.990/96, Hv 4.604/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. Mai 1997, AZ 20 Bs 105/97, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, der mit dem bezeichneten Urteil freigesprochenen Eva Maria Pi***** und des Verteidigers Dr. Eduard Wegrostek zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. Mai 1997, AZ 20 Bs 105/97, verletzt das Gesetz im § 267 StPO (iVm § 488 StPO) und im § 12 dritter Fall StGB.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. Juli 1996, GZ 1 b E Vr 6990/96-16, wurden Kurt Pe***** und Eva Maria Pi***** anklagekonform des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt.

Darnach haben sie im September 1994 in Wien "in Gesellschaft mit dem abgesondert verfolgten Franz G***** als Beteiligte (§ 12 StGB)" mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der V***** Allgemeine Versicherungs AG durch die Vorgabe, die in der am 12. September 1994 eingelangten Schadensmeldung angeführten Schäden am KKW VW 3 des Kurt Pe*****, polizeiliches Kennzeichen ZT PENZ 1, und am BMW 325i der Eva Maria Pi*****, polizeiliches Kennzeichen S 256 ZM, stammten von einem am 7. September 1994 in Wien 22, Rautenweg, fahrlässig verschuldeten, tatsächlich jedoch von Franz G***** und Kurt Pe***** gemeinsam geplanten und absichtlich herbeigeführten Verkehrsunfall, zur Auszahlung von Versicherungsleistungen, und zwar von 57.392 S (aus dem Titel der Kaskoversicherung) an Kurt Pe***** und von 110.676 S (aus dem Titel der Haftpflichtversicherung) an Eva Maria Pi*****, somit zu Handlungen verleitet, die diese Versicherung um insgesamt 168.068 S an ihrem Vermögen schädigten.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen planten Franz G***** und Kurt Pe***** einen Versicherungsbetrug, als der Erstgenannte am 7. September 1994 mit dem bei der V***** Allgemeine Versicherungs AG haftpflicht- und vollkaskoversicherten PKW seines Komplizen gegen den Wagen seiner Lebensgefährtin Eva Maria P***** fuhr und dadurch beide Fahrzeuge schwer beschädigte. Kurt P***** verfaßte sodann tatplangemäß am folgenden Tag eine Schadensmeldung, in welcher er wahrheitswidrig angab, als Lenker des versicherten Fahrzeuges fahrlässig den vor diesem abgestellten PKW Marke BMW durch einen Auffahrunfall beschädigt zu haben. Er übergab diese - nachdem auch die Daten der "Unfallsgegnerin" Eva Maria Pi***** eingetragen worden waren - an Franz G***** zur Weiterleitung an die Versicherung. Dort langte sie am 12. September 1994 ein. Darüber hinaus füllten die beiden gemeinsam mit Eva Maria Pi***** einen Unfallbericht (ON 4, S 135) aus, in welchem diese als Versicherungsnehmerin gegenüber dem Haftpflichtversicherer wahrheitswidrig behauptete, am 7. September 1994 die Lenkerin des unfallbeteiligten Kraftfahrzeuges gewesen zu sein. Franz G***** übernahm auch die Weiterleitung dieses Berichts, überdies die gesamte weitere Schadensabwicklung und den Verkauf des Autowracks, für das er in der Folge an Kurt Pe***** 96.000 S bezahlte.

Die V***** Allgemeine Versicherungs AG erbrachte sodann am 6. Oktober 1994 aus dem Titel der Vollkaskoversicherung an Kurt Pe***** eine Versicherungsleistung von 57.392 S und am 10. Oktober 1994 aus dem Titel der Haftpflichtversicherung an Eva Maria P***** eine solche von

110.676 S.

Sowohl Kurt Pe***** als auch Eva Maria P***** handelten bei Abfassung der Unfallberichte und Überlassung derselben an den gesondert verfolgten Franz G***** zwecks Einreichung an die Versicherung in der Absicht, die Versicherungsangestellten über den wahren Sachverhalt in Irrtum zu führen und das Versicherungsunternehmen im Ausmaß der angestrebten Ersatzleistungen von jedenfalls mehr als 25.000 S am Vermögen zu schädigen.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 13. Mai 1997, AZ 20 Bs 105/97 (= GZ 1 b E Vr 6990/96-24) wurde Eva Maria Pi***** in Stattgebung ihrer Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld auf Grund mangelnder Kausalität der dieser Angeklagten angelasteten Tathandlung gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Entscheidungsgrundlage dafür war der im Ersturteil festgestellte Sachverhalt und die vom Berufungsgericht nach Beweiswiederholung getroffene ergänzende Konstatierung, daß der von Eva Maria P***** unterfertigte Unfallbericht beim Versicherungsunternehmen erst am 12. Jänner 1995 eingelangt und daher ohne Einfluß auf die Schadensliquidierung war.

Rechtliche Beurteilung

Im Sinne der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes trifft es zu, daß diesem Urteil in zweifacher Hinsicht eine unrichtige Anwendung des Gesetzes zugrunde liegt.

Das Oberlandesgericht beschränkte sich bei der rechtlichen Überprüfung des inkriminierten Sachverhalts ausschließlich auf den Urteilsvorwurf, daß die Angeklagte Pi***** zu dem von Kurt Pe***** und Franz G***** begangenen Versicherungsbetrug durch einen von ihr unterfertigten, inhaltlich unrichtigen Unfallbericht beigetragen hat.

Diese einschränkende Betrachtungsweise, welche wesentliche und gleichfalls vom historischen Anklagesachverhalt umfaßte Verfahrensergebnisse außer Betracht ließ, steht mit den Verfahrensvorschriften nicht im Einklang.

Im vorliegenden Fall warf der öffentliche Ankläger Eva Maria Pi***** ohne gesonderte Bezugnahme auf den betreffenden Unfallbericht global eine Beteiligung an dem im Strafantrag individualisierten und nur insoweit für das Gericht bindenden Betrug vor, welcher durch die falsche - planessentiell geradezu denknotwendig auf die dolose Abstimmung zweier Tatbeteiligter angewiesene - Behauptung begangen wurde, bestimmte näher bezeichnete und auf vorsätzliche Verursachung zurückgehende Fahrzeugschäden seien bei einem fahrlässig verschuldeten Verkehrsunfall entstanden und daher vom Versicherer zu ersetzen. Damit war im Sinne ständiger Rechtsprechung das gesamte Verhalten dieser Angeklagten, soweit es in Beziehung zur Erwirkung der aus dem behaupteten Schadensgrund resultierenden Versicherungsleistungen stand, von der Anklage umfaßt. Bei Ermittlung und Beurteilung des dem Strafantrag zugrundeliegenden Tatsachenkomplexes durfte sich das Rechtsmittelgericht daher nicht auf einen einzigen Geschehensabschnitt beschränken, sondern es hätte auch alle anderen in diese Richtung deutenden Verfahrensergebnisse zu berücksichtigen gehabt (Mayerhofer StPO4 § 262 E 21, 22, 25, 26, 29).

Um eine umfassende rechtliche Beurteilung dieses Anklagesachverhaltes zu ermöglichen, wäre somit als a priori keinesfalls strafrechtlich irrelevant die im Verfahren erster und zweiter Instanz vorgekommene (339 verso, 389), an den Versicherer adressierte und mit dem Namenszug "Eva Maria Pi*****" unterfertigte Abfindungserklärung vom 10. Oktober 1994 (103) zum Anlaß einer weiteren Aufklärung zu nehmen gewesen. Mit dieser Erklärung verzichtete Eva Maria Pi***** nach Bezahlung der Versicherungssumme auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche gegenüber der Versicherung und gab gleichzeitig ein Bankkonto für die Überweisung des Entschädigungsbetrages von 110.676 S bekannt. Zufolge der aufgezeigten verfehlten Verfahrensbeschränkung blieb die hier evidente Möglichkeit ungeprüft, daß diese Angeklagte, deren im Ersturteil festgestellter Betrugsvorsatz auch das Rechtsmittelgericht seiner Beurteilung unverändert zugrunde legte, durch diese Erklärung am 10. Oktober 1994 die Schadensliquidierung veranlaßte und dadurch den ihr vorgeworfenen Versicherungsbetrug verwirklichte.

Überdies unterlief dem Oberlandesgericht bei Beurteilung des von ihm als allein entscheidend angesehenen (eingeengten) Sachverhaltssektors insoferne ein materiellrechtlicher Fehler, als es die Strafbarkeit des angenommenen Tatbeitrages allein deshalb verneinte, weil der Unfallbericht zur Täuschung des Versicherers nicht verwendet worden war.

Ein nicht erfolgswirksam gewordener Tatbeitrag - hier die (dem einverständlichen Tatplan folgend) vor dem Schadenseintritt vorgenommene Ausstattung des (unmittelbar tatausführenden) Betrügers mit einem dem Irregeführten erst nach der Tatvollendung zur Kenntnis gelangten Täuschungsmittel - bleibt nämlich nur dann straflos, wenn darin nicht zumindest eine intellektuelle Förderung des unmittelbaren Täters liegt (Leukauf/Steininger § 12 RN 47; Kienapfel AT6 E 5 RN 11 und 16). Unter dieser Voraussetzung, welche im konkreten Fall angesichts der Bedeutung des internationalen Unfallberichtes bei der zu erwartenden Überprüfung des geltend gemachten Versicherungsanspruches ausgesprochen naheliegend ist, hätte das Berufungsgericht von einer Beitragstäterschaft der Angeklagten Pi***** ausgehen müssen. In der insoweit unterbliebenen Klärung liegt daher eine unrichtige Anwendung des § 12 dritter Fall StGB.

Diese Gesetzesverletzungen, welche Eva Maria Pi***** zum Vorteil gereichen, waren daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes festzustellen.

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