OGH 12Os14/13w

OGH12Os14/13w7.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. März 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Viktorin als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Daniel G***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 7. Dezember 2012, GZ 20 Hv 114/12v-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Daniel G***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 eingewiesen, weil er am 25. August 2012 in H***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens, beruht, Michaela B***** mit der Äußerung „Wenn du die Polizei anrufst, dann bringe ich euch alle um“, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Unterlassung zu nötigen versuchte, nämlich zur Abstandnahme von der Anzeigeerstattung bei der Polizei, was ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB zugerechnet würde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen dieses Urteil aus Z 5, 9 lit a und c des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt Berechtigung zu:

Wie die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zutreffend aufzeigt, haftet der Begründung der Feststellungen zum subjektiven Tatbestand der Anlasstat Unvollständigkeit an. Vorliegend begründete das Schöffengericht die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite „aus einer lebensnahen Betrachtung des Tatgeschehens“ und sah sie „durch die Art des Handelns des Betroffenen indiziert“ (US 5). Wie der Beschwerdeführer ausführt, ist den Entscheidungsgründen jedoch nichts darüber zu entnehmen, ob oder aus welchen Gründen die Tatrichter die betreffend die subjektive Tatseite leugnende Einlassung des Betroffenen als unglaubwürdig ansahen. Dieser hatte in der Hauptverhandlung nämlich behauptet, dass er mit der Äußerung „gar nichts erreichen“ wollte, er hatte „einfach einen Hass gehabt“, und Wut auf sich selbst. Es wäre ihm egal gewesen, ob Michaela B***** die Polizei verständige oder nicht, er habe geglaubt, dass sie ohnehin bereits die Polizei verständigt hatte (ON 39 S 3 f). Diese einen (Eventual-)Vorsatz hinsichtlich des inkriminierten Nötigungsziels eindeutig in Abrede stellende Verantwortung wäre erörterungsbedürftig gewesen (RIS-Justiz RS0118316, RS0116877).

Da schon dieser Begründungsmangel die Aufhebung des Urteils und die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht erfordert (§ 285e StPO), erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere (auch eine unzulässige Berufung wegen Schuld mitumfassende) Beschwerdevorbringen.

Für den zweiten Rechtsgang bleibt anzumerken, dass das Erstgericht die Prognosetat im Urteil zumindest ihrer Art nach näher zu umschreiben haben wird, um solcherart die rechtliche Beurteilung der zu erwartenden mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen (unter Beachtung der tatbestandsmäßigen Folgen wie auch sonstiger Tatauswirkungen) zu ermöglichen (RIS-Justiz RS0118581 [T3, T10]; Ratz in WK2 § 21 Rz 26; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 723). Denn die bloße Wiedergabe der verba legalia, wonach - ohne ausreichende medikamentöse Behandlung - „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Betroffene Taten mit schweren Folgen begehen wird“ (US 4), stellt für sich allein noch keine ausreichende Feststellungsgrundlage dar, die geeignet wäre, die angeordnete Unterbringung des Betroffenen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB zu tragen. Der damit im Zusammenhang stehende Ausspruch, es bestehe „durchaus die Möglichkeit“ (US 4) bzw „die Wahrscheinlichkeit“ (US 7), dass der Betroffene „die angedrohten Übel auch umsetzt“, bringt wiederum die Befürchtung iSd § 21 StGB als die Bejahung einer hohen Wahrscheinlichkeit der Begehung einer mit einem Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedrohten Tat (vgl RIS-Justiz RS0090401; Ratz in WK² Vor §§ 21-25 Rz 4) nicht hinreichend zum Ausdruck.

Es war somit - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - der Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen bei der nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung wegen Strafe war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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