OGH 12Os140/23i

OGH12Os140/23i21.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. März 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Weißmann in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 30. Oktober 2023, GZ 614 Hv 6/23y‑40.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00140.23I.0321.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch sowie der gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefasste Beschluss aufgehoben und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht für Strafsachen Wien als Geschworenengericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * S* des Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich vom 29. August 2019 bis Sommer 2023 in W* auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er auf den Knöcheln seiner rechten und linken Hand die Parole „Ruhm“ und „Ehre“ als tätowierten Schriftzug für andere Personen sichtbar zur Schau trug, womit in der neonazistischen Szene der Waffen‑SS gehuldigt wird, und er damit die Waffen‑SS, die eine nationalsozialistische Organisation war und der NSDAP als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument diente, glorifizierte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 8 und 11 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht berechtigt.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert die nach Wiedereröffnung des Beweisverfahrens erfolgte Erörterung der Vorverurteilungen des Beschwerdeführers, wobei sie sich jedoch nicht auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder einen gegen einen Antrag der Gegenseite gerichteten Widerspruch stützt. Solcherart fehlt es dem Rechtsmittel an der erforderlichen Anfechtungslegitimation (RIS‑Justiz RS0099250; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.89).

[5] Soweit die Rechtsrüge (Z 11) den Bedeutungsinhalt der Parole „Ruhm und Ehre“ eigenständig interpretiert und davon ausgehend die Tatbildlichkeit dieser Passage verneint, verfehlt sie den in den festgestellten Tatsachen des gesamten Wahrspruchs der Geschworenen gelegenen gesetzlichen Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0101476) und übersieht, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des (normativen) Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ – einschließlich des Bedeutungsinhalts inkriminierter Äußerungen, Handlungen oder Textstellen – auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist. Bejahen diese die Schuldfrage, ist davon auszugehen, dass sie eben jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen haben, aufgrund derer das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht, sodass dessen Bejahung einer Anfechtung mit Rechts- und Subsumtionsrüge entzogen ist (RIS‑Justiz RS0119234; Lässig in WK2 § 3g VerbotsG Rz 17).

[6] Damit geht aber auch die gleichsinnige Instruktionsrüge (Z 8) ins Leere, die eine Rechtsbelehrung über den Bedeutungsinhalt der Begriffe „Ruhm und Ehre“ vermisst (vgl dazu jüngst 12 Os 119/22z; RIS‑Justiz RS0092588 [T22], RS0119234; erneut Lässig in WK2 VerbotsG § 3g Rz 17; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 31).

[7] Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Geschworenen bezüglich des normativen Rechtsbegriffs (vgl dazu RIS‑Justiz RS0100721 [T27]) „nationalsozialistisch“ ohnedies instruiert wurden (Rechtsbelehrung S 7 ff).

[8] Soweit die Beschwerde (der Sache nach aus Z 10a) auf eine Stellungnahme des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands hinweist (das im Übrigen ohnedies die Begriffe „Ruhm und Ehre“ in einen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stellte; vgl ON 40.1. S 13; ON 40.1.1 Beilage ./1), erweckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Sachverhaltsannahmen der Geschworenen.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

[10] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall, 344 StPO) – gleichfalls im Einklang mit der Generalprokuratur – von nicht geltend gemachter Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 13 erster Fall StPO, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht:

[11] Die rechtsfehlerfreie Annahme gemäß § 39 StGB

erweiterter Strafbefugnis erfordert Tatsachenfeststellungen, auf deren Grundlage die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 (oder Abs 1a) StGB erfüllt sind (RIS‑Justiz RS0134000). Der in den Entscheidungsgründen enthaltene allgemeine Hinweis auf (nicht näher konkretisierte) „vier einschlägige Vorstrafen“ und die „Tatbegehung während Strafvollzuges“ (US 5) genügt diesem Erfordernis nicht (vgl auch 11 Os 82/22a).

[12] Zudem war auch die weitere Annahme einer nach § 39 Abs 1a StGB erweiterten Strafbefugnis (US 3, 4) verfehlt, weil die dem Urteil zugrundeliegende strafbare Handlung nicht gegen eines der in der genannten Vorschrift aufgezählten Rechtsgüter gerichtet ist.

[13] Kassation des Strafausspruchs sowie des Beschlusses gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wie im Spruch ersichtlich ist die Folge.

[14] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte