OGH 12Os131/13a

OGH12Os131/13a12.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Vasak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Isa E***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landegerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. Juli 2013, GZ 31 Hv 68/13i-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Isa E***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 19. Oktober 2012 in W***** dadurch, dass er Angela P***** in eine Mobiltoilette stieß, sie verbal zum Geschlechtsverkehr aufforderte, ihr auf ihre Ablehnung hin erklärte, er werde sie „tot ficken“ und wenn sie schreien würde, würde er sie umbringen, also durch gefährliche Drohung, sowie dadurch, dass er ihr gewaltsam die Jacke auszog, das T-Shirt hochschob und die Hose herunterzog und vaginal sowie anal in sie einzudringen versuchte und sie dabei so fest am Oberkörper hielt, dass Hämatome an den Rippen entstanden, sowie, als sich Angela P***** aus der Mobiltoilette befreien konnte, dadurch, dass er sie verfolgte, an den Haaren packte, ihren Hinterkopf gegen einen LKW schlug, mit der Faust in ihr Gesicht schlug, wodurch die Genannte die im Spruch angeführten, multiplen Verletzungen erlitt, somit auch mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung, nämlich eine krankheitswerte posttraumatische Belastungsstörung, welche eine 24 Tage deutlich überschreitende und zumindest bis 4. März 2013 andauernde Gesundheitsschädigung zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 4, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider erfolgte die Abweisung des Antrags auf Durchführung einer Tatrekonstruktion zum Beweis dafür, dass „aufgrund der Abmessungen des Containers und der darin enthaltenen Installationen, welche(n) den Platz noch weiter verringern, die angeklagte Tat ohne jegliche tatrelevanten Spuren nicht möglich ist“ (ON 62 S 41), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten. Der Beschwerdeführer legt nämlich nicht dar, inwiefern von der Durchführung einer Maßnahme nach § 149 Abs 1 Z 2 StPO mit Blick auf die im Akt erliegende (ON 14 S 41 ff) und im Rahmen der Hauptverhandlung dargestellte (ON 62 S 41) fotografische Tatortdokumentation eine Verbreiterung der Beweislage zu erwarten gewesen wäre. Im Ergebnis strebt der Angeklagte eine unzulässige Erkundungsbeweisführung an (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f mwN), der im Stadium der Hauptverhandlung (RIS-Justiz RS0118123 [T1, T2], RS0097230) im vorliegenden Fall umso weniger entsprochen werden konnte, als Anhaltspunkte für eine Teilnahmewilligkeit des Opfers (das anlässlich der kontradiktorischen Zeugenvernehmung erklärt hatte, gemäß § 156 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StPO nicht mehr aussagen zu wollen - ON 36 S 3) an der intendierten Tatrekonstruktion nicht dargetan wurde (RIS-Justiz RS0117928). Das ergänzende Antragsvorbringen im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde unterliegt dem Neuerungsverbot und war daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Auch die von der Mängelrüge behauptete Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nicht vor. Diese Nichtigkeit haftet nur einem solchen Urteil an, das den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde, auf die es seine Feststellung stützt, in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099547; vgl Fabrizy StPO11 § 281 Rz 47). Das Erstgericht stützt jedoch die getroffene Feststellung, wonach der Angeklagte erkannt habe, „dass er aufgrund der weiterhin bestehenden Gegenwehr seines Opfers und auch mangels Erektion diese nicht zu einem vollendeten Vaginal- bzw Analverkehr zwingen könne, weshalb er von ihr abließ und die Flucht ergriff“ (US 9), einwandfrei darauf, dass Zeugin Angela P***** eindringlich schilderte, sich bis zuletzt gegen die Übergriffe des Angeklagten gewehrt zu haben (US 14), was in deren Aussage (ON 14 S 77 ff und ON 36) Deckung findet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt daher nicht vor. Außerdem sind die Tatrichter davon ausgegangen, dass sich aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. D*****, wonach in einer bedrohlichen Situation der Geist abgeschaltet werde und der Körper quasi auf Autopilot umschalte (ON 62 S 20), gut erklären lasse, weshalb das Tatopfer anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung nicht mehr genau schildern konnte, wie es dem Täter entkommen war (US 12). Soweit der Beschwerdeführer aus einzelnen aus dem Zusammenhang gelösten und zum Teil nur deren persönliche Einschätzung enthaltenden (insoweit nicht dem Zeugenbeweis unterfallenden; vgl RIS-Justiz RS0097545, RS0097540) Depositionen der Zeugin P***** im Rahmen der kontradiktorischen Vernehmung (ON 36 S 19 f) andere, für ihn günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht, wendet er sich im Ergebnis nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die gesetzmäßige Darstellung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den zum Tatsächlichen getroffenen Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei. Unerheblich ist dabei, ob die mit dem Gesetz zu vergleichenden Feststellungen einwandfrei zustande gekommen oder dargestellt sind oder erheblichen Bedenken begegnen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584; RIS-Justiz RS0099810). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch durch Vorkommen in der Hauptverhandlung indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580).

Die vorliegende, Rücktritt vom Versuch reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) ist nicht an diesen Anfechtungskriterien ausgerichtet:

Die Tatrichter gingen - wie bereits zur Mängelrüge ausgeführt - davon aus, dass der Angeklagte von seinem Opfer lediglich abließ, weil ihm die Vollendung der Tat aufgrund der heftigen Gegenwehr des Opfers und mangels Erektion nicht mehr wahrscheinlich erschien. Dem entgegen stellt der Beschwerdewerber lediglich Mutmaßungen und Beweiswerterwägungen dahingehend an, dass im Hinblick auf das Größen- und Gewichtsverhältnis zwischen Täter und Opfer nur von freiwilligem Ablassen ausgegangen werden könne und das sich selbst schützende Erheben der Hände vor Gesicht und Körper seitens des Opfers nicht als (im Übrigen für den Tatbestand des § 201 StGB gar nicht erforderliche) aktive Gegenwehr zu verstehen sei. In diesem Zusammenhang übergeht der Beschwerdeführer auch die ausdrücklichen Feststellungen, wonach Angela P*****, nachdem es ihr gelungen war, sich aus der Mobiltoilette zu befreien, laut um Hilfe rief. Wenngleich der Einwand schon die gebotene Orientierung am festgestellten Sachverhalt vermissen lässt, bleibt anzumerken, dass freiwilliger Rücktritt bei einem fehlgeschlagenen Versuch ausscheidet (RIS-Justiz RS0090338).

Im Hinblick darauf, dass das Erstgericht - wie dargelegt - zutreffend von einem nicht durch freiwilligen Rücktritt strafaufhebend begünstigten Versuch ausgegangen ist, können die sich ebenfalls nicht an der Gesamtheit der tatrichterlichen Feststellungen orientierenden, ausschließlich auf die fehlende Erektion abstellenden Beschwerdeausführungen zur absoluten Untauglichkeit des Versuchs im Sinne des § 15 Abs 3 StGB auf sich beruhen. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass eine bloß vorübergehende Beischlafsunfähigkeit des Täters keinen die Straflosigkeit des Versuchs bewirkenden Mangel an persönlichen Eigenschaften darstellt (vgl RIS-Justiz RS0090026).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde zeigt sich aber mit Blick auf die vom Schöffengericht vorgenommene Wertung der rückfallbegründenden Vorverurteilungen als erschwerdend (US 16) eine dem Angeklagten zum Nachteil gereichende, aber solcherart nicht gerügte unrichtige Gesetzesanwendung (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO), weil das Erstgericht die Strafe zwar innerhalb des Strafsatzes des § 201 Abs 2 erster Fall StGB ausgemessen hat, aber von einem unter Anwendung des § 39 StGB erweiterten Strafrahmen von fünf bis 20 Jahren ausgegangen ist (vgl RIS-Justiz RS0091438 [T9], 13 Os 84/99). Da dem Nichtigkeitsgrund noch im Rahmen der Entscheidung über die Berufung Rechnung getragen werden kann (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29), bedarf es keiner amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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