OGH 12Os130/10z

OGH12Os130/10z7.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Reich als Schriftführerin in der Strafsache gegen S***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten S***** und A***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Mai 2010, GZ 053 Hv 6/10d-47, und über die Beschwerden des Angeklagten A***** und der Staatsanwaltschaft gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden S***** und A***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 zweiter und dritter Fall StGB (A./) sowie A***** des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (B./) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien

A./ S***** und A***** am 6. Dezember 2009 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe dem M***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 50 Euro Bargeld sowie Somnubene- und Substitol-Tabletten, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem S***** dem M***** mit einer Gaspistole einen Schlag gegen die rechte Schläfe versetzte, die Gaspistole sodann gegen ihn richtete und Geld und Drogen forderte und A***** auf das am Boden liegende Opfer zumindest einmal eintrat, wobei die Gewaltanwendung eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine Nasenbeintrümmerfraktur zur Folge hatte;

B./ A***** von ca Mitte November 2009 bis 8. Dezember 2009, wenn auch nur fahrlässig eine Gaspistole der Marke Walther P 88 Compact und 8 Patronen, somit eine Waffe und Munition besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** sowie die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des A*****.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des S*****:

Der Angeklagte war in der Hauptverhandlung durch die gewählte Verteidigerin RA Mag. D***** (ON 26, ON 40 und ON 46) vertreten. Nach der in der Hauptverhandlung erfolgten Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung (S 19 in ON 46) wurde der Verteidigerin RA Mag. D***** am 18. Juni 2010 das Urteil zur Rechtsmittelausführung zugestellt (S 23 in ON 1). Noch während des Laufs der Rechtsmittelfrist stellte S***** einen Antrag auf Verfahrenshilfe (ON 52), wobei die bisherige Verteidigerin dazu mit einem am 8. Juli 2010 beim Landesgericht für Strafsachen Wien eingelangten Schriftsatz (ON 53) erklärte, dass der Angeklagte am 18. Juni 2010 die Vollmacht gekündigt habe. Daraufhin bestellte die Vorsitzende des Schöffengerichts S***** einen Verfahrenshilfeverteidiger gemäß § 61 Abs 2 StPO. Der sodann namhaft gemachten Verteidigerin RA Dr. R***** wurde das Urteil ON 47 (ohne darauf abstellende richterliche Verfügung; vgl S 3 in ON 53) neuerlich zur Ausführung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung zugestellt (ON 55 iVm ON 53). Die Verfahrenshilfeverteidigerin führte daraufhin eine am 10. August 2010 eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung aus (ON 59).

Wurde durch eine Zustellung an den Verteidiger eine Frist ausgelöst, so wird deren Lauf nicht dadurch unterbrochen oder gehemmt, dass die Vollmacht des Verteidigers zurückgelegt oder gekündigt wird. In diesem Fall hat der Verteidiger weiterhin die Interessen des Beschuldigten/Angeklagten zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen nötigenfalls vorzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte/Angeklagte hätte ihm dies ausdrücklich untersagt (§ 63 Abs 2 StPO). Im vorliegenden Fall hätte daher die gewählte Verteidigerin bis spätestens 16. Juli 2010 eine Nichtigkeitsbeschwerde ausführen müssen. Die von der in der Zwischenzeit als Verfahrenshelferin bestellten RA Dr. R***** am 10. August 2010 eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich daher als verspätet; auf die dortigen Argumente war daher nicht weiter einzugehen (vgl RIS-Justiz RS0100168).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des A*****:

Der Beschwerdeführer vermag in der Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Tatsachen aufzuzeigen. Weder die ärztlichen Diagnosen anlässlich der Behandlung des Tatopfers noch der vom Erstgericht gewürdigte Umstand, dass S***** die Gewaltakte gegen M***** begonnen hatte, vermögen derartige Bedenken zu erwecken. Im Übrigen versucht der Rechtsmittelwerber durch eigene Schlussfolgerungen die diametral entgegenstehenden Beweiswerterwägungen der Tatrichter in Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung zu bekämpfen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der beiden Angeklagten und der Staatsanwaltschaft sowie über die (implizierte) Beschwerde des Angeklagten A***** und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft (mit der nur das Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht, nicht aber das Unterbleiben einer Entscheidung über die damit zusammenhängende bedingte Entlassung aus dem unbedingten Strafenteil bekämpft wird; vgl aber § 53 Abs 1 zweiter Satz StGB) gegen den Beschluss nach § 494a Abs 6 StPO (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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