OGH 12Os128/06z

OGH12Os128/06z14.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2006 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mag. Christoph Z***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 31 Ur 293/04i des Landesgerichtes Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerden der Angeklagten Dr. Markus Z***** und Erich Z***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 10. Oktober 2006, AZ 6 Bs 458/06p (ON 508 der Ur-Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dr. Markus Z***** und Erich Z***** wurden im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerden werden abgewiesen.

Text

Gründe:

Beim Landesgericht Innsbruck war zum AZ 31 Ur 293/04i unter anderem gegen Dr. Markus Z***** und Erich Z***** eine Voruntersuchung wegen „§§ 133 Abs 1 und 2; 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall; 153 Abs 1 und Abs 2; 156 Abs 1 und Abs 2; 271 und 292a StGB" anhängig, zu welcher sich beide Beschuldigte seit 29. Mai 2006 jeweils aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO in Untersuchungshaft befinden. Gegenstand der Voruntersuchung waren von 1999 bis 2006 in Innsbruck und anderen Orten begangene Veruntreuungs-, Betrugs- und Untreuehandlungen mit einem Schaden von mehreren Millionen Euro. Mit der zwischenzeitig am 23. Oktober 2006 beim Erstgericht eingelangten Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 20. Oktober 2006 (ON 510) werden Dr. Markus Z***** und Erich Z***** folgende Verbrechen und Vergehen vorgeworfen:

I. Dr. Markus Z*****

1. das in dreizehn Angriffen teilweise als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB begangene Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB mit einer (tatsächlich eingetretenen) Schadenssumme von rund 7 Mio Euro und einer geplanten von weiteren rund 8,2 Mio Euro;

2. das teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB begangene Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB mit einem zugefügten Schaden von rund 8,6 Mio Euro;

3. das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB und

4. das Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 1 StGB;

II. Erich Z*****

1. das in mehrfachen Angriffen teilweise als Bestimmungs- und Beitragstäter nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB begangene Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB mit einer Schadenssumme von rund 2,95 Mio Euro;

2. das als Bestimmungstäter nach § 12 zweiter Fall StGB begangene Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB mit einer Schadenssumme von rund 1,1 Mio Euro;

3. das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und 2 StGB mit einem Schaden von jedenfalls mehr als 50.000 Euro;

4. das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB sowie

5. das damit in Tateinheit begangene Vergehen der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 12 zweiter Fall, 15, 288 Abs 1 StGB.

Diese Anklageschrift hat infolge Einspruchsverzichts Rechtswirksamkeit erlangt.

Mit Beschluss vom 10. Oktober 2006, AZ 6 Bs 458/06p (ON 508 der Ur-Akten), gab das Oberlandesgericht Innsbruck den Beschwerden von Dr. Markus Z***** und Erich Z***** gegen den die Fortsetzung der Untersuchungshaft anordnenden Beschluss des Untersuchungsrichters nicht Folge und sprach aus, dass dieser Haftbeschluss längstens bis 11. Dezember 2006 wirksam ist.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den beiden Angeklagten erhobenen, getrennt ausgeführten Grundrechtsbeschwerden sind nicht berechtigt. Dr. Markus Z***** bekämpft unter Zugrundelegung seiner eigenständigen Hypothese, diesen käme aus zeitlichen Gründen besondere haftrelevante Bedeutung zu, in vier - gemessen va an den massiven Untreueanschuldigungen marginalen - Fakten den dringenden Tatverdacht. Da er diesen hinsichtlich der zahlreichen weiteren, unbestritten für sich schon haftbegründenden Verdachtsmomente nicht in Frage stellt, ist es in dem auf die Prüfung der Haftfrage beschränkten Verfahren nicht entscheidend, ob auch bezüglich der in der Grundrechtsbeschwerde relevierten Tatvorwürfen der gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verdacht iSv § 180 Abs 1 StPO verdichtet ist (Hager/Holzweber GRBG § 2 E 15; 12 Os 111/98).

Den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO hat der Gerichtshof zweiter Instanz aufgrund der vorliegenden Verfahrensergebnisse, insbesondere der wiederholten Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und des hohen Schadensbetrages ohne Verstoß gegen Denkregeln oder Erfahrungssätze angenommen. Daran ändert auch nichts (§ 180 Abs 3 letzter Satz StPO), dass die letzten Taten mehr als ein Jahr vor der angefochtenen Entscheidung begangen worden sein sollen und „Kreditaufnahmen" durch den Beschwerdeführer „aufgrund der medialen Präsenz" seines Falles „unmöglich" wären.

Der bloße Hinweis des Erich Z***** auf „die bisherigen Ausführungen des Beschwerdeführers in seinen Beschwerden" betreffend den dringenden Tatverdacht und den Haftgrund stellt keine gesetzmäßige Ausführung der Grundrechtsbeschwerde dar, weil sie sämtliche Argumente des Gerichtshofes zweiter Instanz ignoriert und damit den vom Gesetz (§ 3 Abs 1 Satz 1 GRBG) geforderten Bezugspunkt verfehlt (12 Os 130, 131/05t, i uva).

Den angeschlagenen Gesundheitszustand des Erich Z***** hat das Oberlandesgericht ohnedies in seine Erwägungen miteinbezogen. Gegen den logisch und empirisch korrekten Schluss, dass damit die Tatbegehungsgefahr nicht beseitigt wird, vermag der Beschwerdeführer keine berücksichtigungsfähigen Argumente vorzubringen. Durch den lapidaren Einwand beider Beschwerdeführer „aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und des Umstandes, dass die Untersuchungshaft nur die ultima ratio darstellen soll", hätte das Oberlandesgericht Innsbruck im angefochtenen Beschluss befinden müssen, dass die Untersuchungshaft durch gelindere Mittel ersetzt werden könne, wird nicht einmal ansatzweise dargetan, wie die - spezifisch nur von Dr. Markus Z***** (vgl ON 473) - angebotenen Weisungen, die teilweise im Widerspruch zur intendierten Berufstätigkeit dieses Grundrechtswerbers stünden (vgl S 169/XXIII), fallbezogen bei realitätsnaher Betrachtung der Intensität der Tatbegehungsgefahr als Haftsurrogate in Betracht kommen sollten. Im Hinblick auf die Häufigkeit der Tatbegehung, den damit verursachten beträchtlichen Schaden und die sich daraus ergebende hohe Strafdrohung ist die Untersuchungshaft weder bei Dr. Markus Z***** (der in diesem Zusammenhang gesetzesfern mit der - unbestreitbaren - Belastung seiner Familie und seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt sowie nicht substantiierten Beeinträchtigungen bei der „Vorbereitung seiner Verteidigung" argumentiert) noch bei Erich Z***** (der dies überdies schon vom Ansatz verfehlt unter Negierung der „strafrechtlichen Relevanz" der vorgeworfenen Fakten bekämpft) außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe. Die umfangreiche, viele verschiedene Vorwürfe im Bereich der Wirtschaftskriminalität umfassende Untersuchung, die sich in einer faktenreichen Anklage niederschlägt, sowie das beträchtliche Gewicht des Haftgrundes rechtfertigen die Aufrechterhaltung der Haft auch über die Frist des § 194 Abs 3 StPO hinaus.

Dr. Markus Z***** und Erich Z***** wurden somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerden ohne Kostenzuspruch abzuweisen waren (§ 8 GRBG).

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