OGH 12Os117/96

OGH12Os117/9612.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Stitz als Schriftführer, im Verfahren zur Unterbringung des Miodrag U***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB (§ 107 Abs 1 und 2 StGB) über die Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Mai 1996, GZ 8 b Vr 13.906/95-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Schroll, und der Verteidigerin Dr.Wolf, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und nach § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Der Antrag auf Unterbringung des Miodrag U***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Miodrag U***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 20. Dezember 1995 in Wien dadurch, daß er unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grade beruhte, seine Lebensgefährtin Frieda N***** gefährlich mit dem Tod bedrohte, indem er sie würgte, sie vom Wohnzimmer in die Küche schleifte und mit einem abgerundeten Besteckmesser Stichbewegungen gegen ihren Hals ausführte, eine Tat begangen hat, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist und die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB zuzurechnen wäre, und weil nach seiner Person, nach seinem Zustand und der Art der Tat zu befürchten ist, daß er sonst unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

Der im Unterbringungsantrag der Anklagebehörde vorgenommenen Wertung des Tatverhaltens als versuchte absichtliche schwere Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB vermochte der Schöffensenat nicht zu folgen, weil eine Absicht des Miodrag U*****, N***** am Körper schwer zu verletzen, nicht nachweisbar war (US 5). Die gemäß §§ 262, 430 Abs 2 StPO vorgeschriebene Anhörung der Parteien in der Hauptverhandlung über die vom Unterbringungsantrag abweichende rechtliche Beurteilung der Anlaßtat wurde vom Erstgericht allerdings verabsäumt; der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Wien hat nach der Urteilsverkündung auf ein Rechtsmittel verzichtet (S 313 c verso).

Rechtliche Beurteilung

Miodrag U***** bekämpft das Urteil mit auf die Nichtigkeitsgründe der Z 3, 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Unter dem zuletzt genannten Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit b) weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, daß eine gemäß § 107 Abs 2 StGB strafbare gefährliche Drohung, wie sie ihm als Anlaßtat angelastet wird, (gemäß § 107 Abs 4 StGB) nur mit Ermächtigung des Bedrohten verfolgt werden kann, wenn sie sich gegen bestimmte Angehörige, darunter auch den Lebensgefährten des Täters richtet. Eine Ermächtigung des Tatopfers Frieda N***** zur Verfolgung des Beschwerdeführers, mit dem sie seit 1982 in Lebensgemeinschaft lebt (US 4), liegt - zumal Anzeigeerstattung und Aufforderung zum sicherheitsbehördlichen Einschreiten dazu nicht ausreichen (SSt 50/52) - tatsächlich nicht vor.

Unabdingbare Voraussetzung für die Anordnung einer Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB ist - neben einer entsprechenden Gefährlichkeitsprognose - die Begehung einer mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedrohten Anlaßtat, für die der Täter nur deshalb nicht bestraft werden kann, weil er sie unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes im Sinne des § 11 StGB begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht. Kann die Tat (auch) aus einem anderen Grunde nicht bestraft werden, scheidet sie als Anlaß für die Unterbringung gemäß § 21 Abs 1 StGB aus (Leukauf/Steininger Komm3 § 21 StGB RN 8, 9.

Fehlt es an der gemäß § 107 Abs 4 StGB erforderlichen Ermächtigung, kommt eine Verfolgung des zurechnungsfähigen Täters wegen eines Vergehens nach § 107 StGB nicht in Betracht; dieses die Anlaßtat betreffende Verfolgungshindernis entfaltet auch im Verfahren gegen den unzurechnungsfähigen Rechtsbrecher seine Wirksamkeit.

Die fehlende Ermächtigung der Lebensgefährtin Frieda N***** kann nicht mehr nachgeholt werden; in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen war das angefochte Urteil daher aufzuheben und der Unterbringungsantrag der Staatsanwaltschaft Wien abzuweisen.

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