OGH 12Os115/10v

OGH12Os115/10v12.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Reich als Schriftführerin in der Strafsache gegen Klaus S***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 12 Hv 16/09p des Landesgerichts Wels, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 3. Juli 2009, GZ 12 Hv 16/09p-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 3. Juli 2009, GZ 12 Hv 16/09p-26, verletzt im Schuldspruch 1 wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB das Gesetz in diesen Bestimmungen.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch 1 sowie demzufolge auch in den Aussprüchen über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Klaus S***** wurde mit - gekürzt ausgefertigtem - rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 3. Juli 2009, GZ 12 Hv 16/09p-26, des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB (1) und des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (2) schuldig erkannt und hiefür zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Schadenersatzbetrags von 51.082,74 Euro an die Privatbeteiligte B***** AG verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; welcher bei Fehlen der Entscheidungsgründe, demnach im Fall einer nach § 270 Abs 4 StPO gekürzten Urteilsausfertigung, diese als Bezugspunkt für die materiellrechtliche Beurteilung ersetzt; vgl zu § 458 Abs 3 StPO idF vor BGBl I 2009/52: Ratz, WK-StPO § 292 Rz 6; 13 Os 52/09k [13 Os 53/09g]; zur auch nach Inkrafttreten des BudgetbegleitG 2009, BGBl I 2009/52, unveränderten Rechtslage siehe 12 Os 49/10p [12 Os 50/10k, 12 Os 51/10g, 12 Os 52/10d]) hat er - soweit hier relevant - in Wels

(1) „am 20. Oktober 2006 durch Verschweigung des mit der B***** AG abgeschlossenen Generalzessionsvertrags, indem er bei den Rechnungen den diesbezüglichen Zessionsvermerk entfernte bzw nicht anbrachte, Verfügungsberechtigte der Firma E***** zur Überweisung von 51.082,74 Euro auf das von ihm bekannt gegebene Konto bei der R*****, Kto-Nr *****, BLZ *****, sohin mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung verfälschter Beweismittel zu Handlungen verleitet, die die B***** AG am Vermögen im Betrag von 51.082,74 Euro schädigte“.

Wie die Generalprokuratur in der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht dieser Schuldspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Zur Subsumtion des Täterverhaltens unter den Tatbestand des Betrugs nach §§ 146 ff StGB ist neben auf unrechtmäßige Bereicherung, Täuschung und Schädigung gerichtetem Vorsatz erforderlich, dass durch die Täuschung des Täters ein Irrtum des Geschädigten oder eines Dritten - über wesentliche Geschäftspunkte - hervorgerufen wurde, der kausal für das die Schädigung unmittelbar herbeiführende Verhalten des Irregeführten war. Der täuschungsbedingte Irrtum muss ein Vermögensinteresse betreffen, das der Getäuschte zu wahren hat (Kirchbacher in WK² § 146 Rz 4, 50; Fabrizy StGB10 § 146 Rz 2).

Der bloße Umstand, dass ein Zedent vertragswidrig zum Nachteil des Zessionars gegenüber dem (nicht verständigten) Schuldner über die abgetretene Forderung disponiert, stellt in der Regel mangels Irreführung über einen für die Rechtsposition des Schuldners maßgeblichen Punkt keine betrügerische Täuschung dar. Eine rechtsgeschäftliche Zession kommt nämlich alleine durch Einigung zwischen Zedent und Zessionar zustande. Zum Schutz des Schuldners, dessen Mitwirkung, Einwilligung oder Information für die rechtswirksame Zession nicht erforderlich ist (Neumayr in KBB² § 1392 Rz 2), normiert § 1395 zweiter Satz ABGB, dass dieser so lange schuldbefreiend an den Zedenten leisten kann, als ihm der Übernehmer der Forderung nicht bekannt ist. Mangels Zustandekommens eines Schuldverhältnisses zwischen Schuldner und Zessionar (§ 1395 zweiter Halbsatz ABGB) bestehen - abgesehen von Sonderfällen - keine besonderen Aufklärungs- oder Nachforschungspflichten des Schuldners im Einlösungsverhältnis, dieser ist sogar im Zweifel befugt, weiterhin an den Zedenten zu leisten (Neumayr in KBB² § 1395 - 1396 Rz 4).

Demzufolge ist es für den Schuldner, in dessen Interesse alleine die schuldbefreiende Wirkung seiner Zahlung liegt, ohne Bedeutung, ob die allenfalls in den Dispositionen des Vertragspartners (des ursprünglichen Gläubigers) über die Forderung gelegene Behauptung, über diese Forderung (noch) verfügungsberechtigt zu sein, der Wahrheit entspricht (vgl zum Ganzen Kirchbacher in WK² § 146 Rz 50; Fabrizy StGB10 § 146 Rz 27; 11 Os 36/94 = JBl 1995, 738; EvBl 1977/120; EvBl 1978/73; SSt 45/28; SSt 45/3).

Ob Klaus S***** bereits zum Zeitpunkt des Entstehens seiner finanziellen Verpflichtungen gegenüber der B***** AG mit auf Täuschung, Schädigung und unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gehandelt hat, ist der angefochtenen Entscheidung ebenso wenig zu entnehmen, wie irgendwelche klärenden Feststellungen über dessen Geschäftsbeziehung zur E*****, den Wissensstand der Verfügungsberechtigten dieses Unternehmens hinsichtlich des Wegfalls der Berechtigung des Verurteilten, über die in Rede stehende Forderung zu verfügen, oder über allenfalls getroffene Nebenabreden, sodass der Schuldspruch wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB mangels tragfähiger Entscheidungsgrundlage nicht dem Gesetz entspricht. Bleibt anzumerken, dass für eine Subsumtion unter § 153 StGB sowohl Konstatierungen zu dem Verurteilten allenfalls von der B***** AG eingeräumten und von ihm missbrauchten (Inkasso-)Befugnissen als auch zur subjektiven Tatseite fehlen.

Da sich der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1 wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und demzufolge auch in den Aussprüchen über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Davon rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen, wie insbesondere der auf diesem gesetzwidrigen Urteilsausspruch beruhende Beschluss des Landesgerichts Wels vom 11. November 2009, GZ 12 Hv 16/09p-32, gelten gleichfalls als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444). Hierauf wird der Verurteilte mit seiner Beschwerde (ON 33) verwiesen.

Das Erstgericht wird zudem im nachfolgenden Rechtsgang in Bezug auf die Erklärung der B***** AG, sich dem Verfahren als Privatbeteiligte anzuschließen (ON 6), zu beachten haben, dass über das Vermögen des Verurteilten zu AZ 19 S 58/07p des Bezirksgerichts Wels am 4. Juli 2007 das Konkursverfahren eröffnet wurde, in dem die Privatbeteiligte (vom Masseverwalter letztlich nicht mehr bestrittene und sodann festgestellte) Forderungen in Höhe von 172.650,60 Euro angemeldet hat (vgl dazu PN und ON 19 in der Beilage A zu ON 22 sowie die Angaben der Zeugin Mag. Waltraud H*****, ON 22 S 15). Soweit aktenkundig wurde der Konkurs bislang nicht aufgehoben.

Die Fällung eines Leistungstitels über eine Konkursforderung aber kommt im Adhäsionsverfahren von vornherein ebenso wenig in Betracht wie ein Feststellungsurteil. Nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes (BGBl I 2004/19) am 1. Jänner 2008, nach der die Möglichkeit der Geltendmachung eines Urteilsanspruchs keine notwendige Voraussetzung der Privatbeteiligung war, konnte sich der Konkursgläubiger dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschließen. Er musste jedoch - sofern im Zeitpunkt der Urteilsfällung im Strafverfahren der Konkurs nicht bereits (rechtskräftig) wieder aufgehoben war - mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden (RIS-Justiz RS0101261 [T6 und T7]). Nach der neuen Rechtslage ist demgegenüber ein von der Geltendmachung eines Urteilsanspruchs unabhängiger Beteiligungsanspruch nicht mehr vorgesehen, sodass ein Anschluss als Privatbeteiligter nur mehr zulässig ist, wenn die inhaltliche Entscheidung über die vom Opfer geltend gemachten privatrechtlichen Ansprüche trotz des gegen den Schädiger anhängigen Insolvenzverfahrens in Betracht kommt. Da aber über die privatrechtlichen Ansprüche im Strafurteil nicht inhaltlich entschieden werden kann, ist die Privatbeteiligung des Konkursgläubigers nicht zulässig. Der Anschluss wird erst (wieder) zulässig, wenn der Konkurs noch während des erstinstanzlichen Strafverfahrens - vor dem Schluss des Beweisverfahrens (§ 67 Abs 3 StPO) - wieder aufgehoben wird (vgl zum Ganzen Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 - 379 Rz 8, 69 und 73 ff).

Die von der B***** AG ungeachtet dieser Umstände abgegebene Anschlusserklärung hätte demnach gemäß § 67 Abs 4 Z 1 StPO als offensichtlich unberechtigt zurückgewiesen werden müssen (Fabrizy StPO10 § 67 Rz 9). Aus § 67 Abs 5 StPO kann eine - im Interesse der Verfahrensökonomie und der Vermeidung unnötiger Prozesskosten bestehende - Verpflichtung zu möglichst frühzeitiger Zurückweisung unzulässiger Privatbeteiligtenanschlüsse abgeleitet werden. Ein entsprechender Beschluss kann vom Betroffenen - in Ermangelung eines gesetzlichen Rechtsmittelausschlusses (vgl § 87 Abs 1 StPO) - nunmehr generell (zur alten Rechtslage hingegen: SSt 55/77) mit Beschwerde bekämpft werden (Fabrizy StPO10 § 67 Rz 12; vgl zum Ganzen Spenling, WK-StPO Vor §§ 366 - 379 Rz 53 ff; 14 Os 30/09g). Auf die angesprochenen Umstände, die zwar dem Akteninhalt, nicht aber der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen sind, weist die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend hin, ohne den Vorgang unterlassener Beschlussfassung als gesetzwidrig zu bekämpfen (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 292 Rz 6, 39 ff).

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