OGH 12Os111/19v

OGH12Os111/19v15.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Salvatore C***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Unzuständigkeitsurteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. Juli 2019, GZ 36 Hv 10/19f‑65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00111.19V.1015.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit Anklageschrift vom 5. Juni 2019 (ON 51) legte die Staatsanwaltschaft Wien Salvatore C***** (soweit hier von Bedeutung) ein als Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB beurteiltes Verhalten zur Last.

Danach soll er am 9. September 2003 in W***** mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer Angestellten des Unternehmens B*****, dadurch, dass er mit einer Pistole auf die Kassiererin Elisabeth G***** zielte, sie zur Herausgabe von Geld aus der Kasse aufforderte, dann eine Kundin in den Schwitzkasten nahm, dieser die Pistole an den Kopf hielt und in die Kassenlade griff, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht haben, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübt hat.

Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Schöffengericht gemäß § 261 Abs 1 StPO seine sachliche Unzuständigkeit aus, weil die der Anklage zu Grunde liegenden Tatsachen in Verbindung mit in der Hauptverhandlung hervorgekommenen Umständen auch eine Tatbeurteilung nach § 102 Abs 1 StGB als möglich erscheinen ließen, wofür das Geschworenengericht zuständig sei. Denn für die Tatrichter ergab sich der Verdacht, dass sich der Angeklagte einer Kundin „sonst bemächtigt“ haben kann, indem er diese in den „Schwitzkasten“ nahm und ihr eine Pistole an den Kopf hielt (US 5).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen auf (richtig – vgl RIS-Justiz RS0099554) § 281 Abs 1 Z 6 (iVm Z 5) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die Sachverhaltsbasis eines Unzuständigkeitsurteils kann vom Angeklagten nur nach Maßgabe der § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO in Frage gestellt werden (vgl RIS-Justiz RS0119510; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.158).

An diesen Anfechtungskriterien scheitert die Beschwerde, die allein Begründungsmängel (nominell Z 5 erster und fünfter Fall) in Bezug auf die – hier keinen entscheidenden Umstand darstellende – Zeitspanne des „Sich‑Bemächtigens“ releviert.

Denn nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre kommt dem Zeitmoment bei § 102 Abs 1 StGB nur insoweit Bedeutung zu, als ein bloß kurzfristiges und flüchtiges Festhalten nicht geeignet ist, beim Opfer und Dritten den Eindruck einer ernst zu nehmenden Geiselherrschaft zu erwecken (vgl RIS-Justiz RS0093262; Schmoller, SbgK § 102 Rz 21 f; Kienapfel/Schroll StudB BT I4 § 102 Rz 7; aM Schwaighofer in WK2 StGB § 102 Rz 11 f). Dass diese tatbestandliche Schwelle durch das vom Erstgericht angenommene Einzwängen des Kopfes in den „Schwitzkasten“ und das Halten einer Pistole an den Kopf nicht erreicht worden sein soll, behauptet der Beschwerdeführer aber ohnedies (zu Recht) nicht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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