Spruch:
Der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Beschwerdegericht vom 9. August 2001, AZ I Bl 227/01, verletzt in seiner - zusammengefasst wiedergegebenen - Begründung, wonach dem Bezirksgericht die Kompetenz zur Verfahrenseinstellung nach § 451 Abs 2 StPO erst nach Vorliegen eines Antrages auf Bestrafung nach § 451 Abs 1 StPO zukommt, das Gesetz in der Bestimmung des § 451 Abs 2 StPO.
Dieser Beschluss wird aufgehoben und dem Landesgericht Innsbruck aufgetragen, neuerlich dem Gesetz gemäß über die Beschwerde des Privatanklägers zu entscheiden.
Text
Gründe:
Am 18. Juni 2001 brachte Peter J***** als Privatankläger beim Bezirksgericht Silz schriftlich den Antrag auf Einleitung von Vorerhebungen gegen unbekannte Täter wegen des Verdachtes des Vergehens der Beleidigung nach § 115 StGB ein, weil er von (im Wege der Vernehmung einer Zeugin auszuforschenden) namentlich unbekannten Kunden einer Konditorei am 11. Juni 2001 als "Brockn" bezeichnet und hiedurch verspottet, beleidigt und gekränkt worden sei. Ferner stellte er den Antrag, ihm Verfahrenshilfe zu gewähren. Mit Beschluss vom 23. Juni 2001, GZ 2 U 100/01i-4, wies das Bezirksgericht Silz beide Anträge ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Bezeichnung "Brockn" weder als Beschimpfung noch als Verspottung beurteilt werden könne, weshalb der Tatbestand des § 115 StGB, dessen Publizitätsanforderungen darüber hinaus nicht erfüllt seien, nicht verwirklicht worden sei.
Mit Beschluss vom 9. August 2001, AZ I Bl 227/01 (= ON 8 des Aktes 2 U 100/01i), gab das Landesgericht Innsbruck als Beschwerdegericht der dagegen erhobenen Beschwerde des Privatanklägers Folge, hob den angefochtenen Beschluss zur Gänze auf und trug dem Bezirksgericht Silz die Fortsetzung des Verfahrens sowie die neuerliche Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe auf. In meritorischer Hinsicht ging das Beschwerdegericht weder auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses noch auf die Beschwerdeausführungen des Privatanklägers ein. Es begründete seine Entscheidung vielmehr damit, dass jener Teil des erstgerichtlichen Beschlusses, mit dem der Antrag des Privatanklägers auf Einleitung von Vorerhebungen gegen unbekannte Täter abgewiesen worden war, als Beschluss auf Einstellung des Verfahrens gemäß § 451 Abs 2 StPO anzusehen sei, dem Bezirksgericht (nach im Kontext zitierter ständiger Judikatur des Beschwerdegerichtes) eine derartige Kompetenz jedoch erst nach Stellung eines (hier nicht vorliegenden) Antrages auf Bestrafung zukomme. Dem Erstgericht sei zwar darin beizupflichten, dass nach dem Inhalt des Antrages vom 18. Juni 2001 die Tatbestandsmäßigkeit der inkriminierten Äußerung im Sinne des Tatbildes des § 115 StGB sehr fraglich sei, mangels Vorliegens eines konkreten, einer Überprüfung gemäß § 451 Abs 2 StPO zugänglichen Bestrafungsantrages könne dies aber ebensowenig wie der Antrag auf Verfahrenshilfe abschließend beurteilt werden.
Rechtliche Beurteilung
Diese Rechtsansicht des Beschwerdegerichtes steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Die Novellierung des § 451 Abs 1 StPO durch das Strafprozessänderungsgesetz 1993 zu den Erfordernissen des - nunmehr
- schriftlichen Antrags auf Bestrafung ließ die Bestimmung des § 451 Abs 2 StPO in der geltenden Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987, wonach der Richter das Verfahren einzustellen hat, wenn er unter anderem der Überzeugung ist, dass die dem Antrag zugrunde liegende Tat vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht ist, unberührt. Durch die letztgenannte Regelung sollte - der dazu gefestigten Judikatur (etwa SSt 48/50 = JBl 1978, 46 = EvBl 1978/24 = RZ 1977/127) Rechnung tragend - dem Richter die Möglichkeit eröffnet werden, im Falle aktueller Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgründe aber auch, wenn er sonst die Tat für straflos hält, "die Einleitung der strafgerichtlichen Verfolgung mit Beschluss ab(zu)lehnen" (RV 359 Blg XVII. GP 34). Da eine strafgerichtliche Verfolgung auch durch einen - verjährungshemmenden
- Antrag des (Privat)Anklägers auf Vornahme gerichtlicher Vorerhebungen eingeleitet wird, ist die Rechtsansicht des Beschwerdegerichtes, das einen Antrag auf Bestrafung als unabdingbares Einstellungserfordernis fordert, nicht haltbar. Dies auch deshalb, weil nicht einsichtig ist, dass das Gericht, das schon
- wie hier - bei Prüfung der Antragstellung auf Vornahme von Vorerhebungen zur Ansicht gelangt, dass der den Anträgen zugrunde liegende Sachverhalt in keinem Fall gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt oder dass Verfolgungshindernisse vorliegen, gleichwohl sämtliche beantragten Vorerhebungen durchführen und einen - nicht fundierten - Antrag auf Bestrafung abwarten müsste, um erst auf dessen Grundlage einen bereits in einem früheren Verfahrensstadium indizierten Einstellungsbeschluss gemäß § 451 Abs 2 StPO zu fassen.
Da die auf rechtsirriger Begründung beruhende Beschwerdeentscheidung des Landesgerichtes Innsbruck dem (unbekannt gebliebenen) Verdächtigen zum Nachteil gereicht, war sie zu kassieren und insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
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