OGH 12Os108/96 (12Os109/96)

OGH12Os108/96 (12Os109/96)12.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Stitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang H***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29.Februar 1996, GZ 4 c Vr 4469/95-103, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt bzw zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung wird bewilligt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruchkomplex A/I/1 bis 3 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die auf den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Wolfgang H***** wurde - soweit hier von Bedeutung - (A/I) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und (C) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Demnach hat er in Wien (A/I) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er (1) im Frühjahr 1994 insgesamt zumindest 5 bis 10 Gramm Kokain an Haluk Ö*****, (2) in der Zeit von Sommer bis November 1994 insgesamt zumindest 5 bis 10 Gramm Kokain an den gesondert verfolgten Manfred H***** und (3) in der Zeit von Jänner bis Dezember 1994 insgesamt zumindest 5 Gramm Kokain an den gesondert verfolgten Robert P***** verkaufte; (C) am 8.Jänner 1995 andere mit Gewalt (bzw durch gefährliche) Drohung zu Handlungen genötigt, nämlich (I) Wolfgang P*****, indem er ihm eine Pistole entgegenhielt und ihn sinngemäß mit dem Erschießen bedrohte, zum Verlassen der Wohnung des Armin S***** und (II) Karin B***** zum Betreten der vorerwähnten Wohnung, indem er sie an den Jackenaufschlägen erfaßte und in die Wohnung zog.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses - in Rechtskraft erwachsene weitere Schuldsprüche sowie Teilfreisprüche enthaltende - Urteil meldete der Angeklagte rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, versäumte jedoch durch seinen Verteidiger nach der Urteilszustellung am 2.Juli 1996 eine fristgerechte Ausführung dieser Rechtsmittel bis zum 30.Juli 1996. Gegen diese Fristversäumung - die Rechtsmittelausführung wurde erst am 31.Juli 1996 zur Post gegeben - richtet sich der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im wesentlichen mit der hinreichend bekräftigten Begründung, daß die Sekretärin der Verteidigerkanzlei die bereits am 19.Juli 1996 verfaßte Rechtsmittelschrift aus der vom Verteidiger für 30.Juli 1996 vorbereiteten Postmappe in der irrigen Annahme entnahm, die Postaufgabe der Rechtsmittelausführung sei nach wie vor von der vermeintlich noch offenen, zwischenzeitig jedoch (ohne entsprechende Information der Kanzleiangestellten) bereits erteilten Zustimmung des Angeklagten abhängig. Da unter den gegebenen Umständen einzuräumen ist, daß der im Kanzleibetrieb unterlaufene Koordinierungsfehler auf einem Versehen bloß minderen Grades beruht, war dem Angeklagten die angestrebte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Ausführungsfrist antragskonform zu bewilligen.

Der aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO lediglich gegen die oben wiedergegebenen Schuldsprüche gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur hinsichtlich des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG (Schuldspruchkomplex A/I) Berechtigung zu.

Abgesehen davon, daß Kokain - entgegen der erstgerichtlichen Orientierung an einer vermeintlich strengeren Judikatur - die Kriterien der nach § 12 Abs 1 SGG tatbestandsessentiellen großen Menge nach gefestigter Rechtsprechung erst ab einem tatverfangenen Quantum von 15 Gramm Reinsubstanz erfüllt (ua EvBl 1988/4), trifft es im Sinn der weiteren Beschwerdeargumentation auch zu, daß das angefochtene Urteil hinsichtlich jedes der in Rede stehenden Teilfakten A/I/1, 2 und 3 insofern mit subsumtionsentscheidenden Feststellungsmängeln behaftet ist, als die Frage der Qualität der tatverfangenen Suchtgiftquanten (anteilige Reinsubstanz) durchwegs offen gelassen wird. Insoweit zeigt sich demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde, daß - mangels abschließender Spruchreife - die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, weshalb spruchgemäß mit entsprechender Teilaufhebung vorzugehen war.

Die in der Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung (C) behaupteten formellen Begründungsmängel liegen allerdings - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - nicht vor. Enthalten doch die Angaben des Zeugen Robert P***** vor der Polizei (durchaus im Einklang mit seiner Darstellung gegenüber Karin B***** - 251/I) den von der Beschwerde vermißten ausdrücklichen Hinweis auf das im Kontext unmißverständlich drohende Hantieren des Angeklagten mit einer "Handfeuerwaffe" (253/I). Daß sich Karin B***** vor der Polizei unter Hinweis auf den raschen Geschehensablauf nicht in der Lage sah, konkrete Wahrnehmungen zum Einsatz einer Faustfeuerwaffe durch den - nach ihrer Primäreinlassung sowohl gegen sie als auch gegenüber P***** spontan aggressiven - Angeklagten wiederzugeben (263 f/I), konnte schon deshalb als nicht entscheidend auf sich beruhen, weil die Zeugin eine mögliche Unvollständigkeit ihrer Eindrücke vom Tatgeschehen sinngemäß selbst einräumte. Nicht anders verhält es sich mit den Angaben des Armin S*****, der zunächst nicht einmal die Anwesenheit des Zeugen P***** am Tatort registriert haben wollte (265 f/I). Die von Karin B***** und Robert P***** in der Hauptverhandlung entwickelten Entlastungstendenzen hinwieder fanden in den Urteilsgründen ohnedies die gebotene Mitberücksichtigung (US 11).

In ihrem den Schuldspruch C betreffenden Teil war die Nichtigkeitsbeschwerde daher als offenbar unbegründet (gleichfalls bereits in nichtöffentlicher Sitzung) zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).

Mit seiner durch die auch den Strafausspruch erfassende Teilkassierung des angefochtenen Urteils gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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