OGH 11Os89/95

OGH11Os89/9528.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Prof.Dr.Hager, Dr.Mayrhofer und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Radichevich als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ewald G***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.Feber 1995, GZ 3 a Vr 11967/94-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ewald G***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 25.Oktober 1994 in Wien Alaattin D***** durch Versetzen von Messerstichen gegen dessen Körper eine schwere Körperverletzung, nämlich eine Stichwunde im Bereich der linken Brustkorbhälfte mit Eröffnung der Brusthöhle, sowie eine ca 3 cm lange Schnitt- oder Rißquetschwunde an der linken Stirnscheitelgrenze absichtlich zugefügt hat.

Gegen den Schuldspruch richtet sich die allein auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; indes zu Unrecht.

Als undeutlich moniert der Beschwerdeführer die Urteilsfeststellung, wonach der Angeklagte dem (an der Theke sitzenden) D***** "über dessen Schulter oder seitlich an diesem vorbeigreifend" einen Messerstich in die linke Brustvorderwand versetzte, weil daraus nicht hervorgehe, wie es tatsächlich zu dem Messerstich gekommen sei.

Der Ausspruch über entscheidende Tatsachen ist indes nur dann undeutlich, wenn aus den Feststellungen des Urteils nicht zu erkennen ist, welche Handlung der Angeklagte nach Ansicht des Gerichtes vorgenommen und mit welchem Vorsatz er sie gesetzt hat oder, wenn überhaupt nicht zu erkennen ist, was das Urteil feststellen wollte (Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 42).

Neben der durch § 260 Abs 1 Z 1 StPO gebotenen individualisierenden Beschreibung der Tat des Angeklagten im Urteilsspruch wurde in den Urteilsgründen der Sachverhalt dahin konkretisiert, daß der Angeklagte sich zu dem an der Theke sitzenden D***** begab und ihm einen Messerstich in die linke Brustvorderwand versetzte, wobei er ihn knapp oberhalb der Brustwarze in unmittelbarer Nähe der Herzspitze so traf, daß die Brustwand durchstochen und die Brusthöhle eröffnet wurde (US 4). Solcherart ist aber die dem Beschwerdeführer zur Last liegende Tat mit hinlänglicher Deutlichkeit beschrieben.

Der weitere Vorwurf, die erstgerichtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite der absichtlich schweren Körperverletzung seien unzureichend begründet, weil das Erstgericht das Vorliegen der subjektiven Komponente "lediglich" aus dem äußeren Tatgeschehen im Zusammenhang mit der bei seiner Festnahme vor der Sicherheitsbehörde deponierten Rechtfertigung (daß er seinen Widerpart wegen einer alten Geschichte niedergestochen habe 15 iVm US 7) erschlossen habe, geht fehl. Es genügt der Beschwerdeargumentation zu erwidern, daß keine oder eine offenbar unzureichende Begründung nur dann vorliegt, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluß auf die zu begründende Tasache entweder überhaupt nicht ziehen läßt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist. Daß aber aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen - wie vom Beschwerdeführer behauptet - auch andere als die von den Tatrichtern abgeleiteten, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären und das Gericht sich dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden hat, ist ein Akt richterlicher Beweiswürdigung, der einen Begründungsmangel (Z 5) nicht zu bewirken vermag (Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 21, 22, 24).

Dem Beschwerdeeinwand, das erstinstanzliche Urteil gehe in seiner Beweiswürdigung zur inneren Tatseite im Gegensatz zu den vorangegangenen Feststellungen unrichtigerweise davon aus, daß der Messerstich "hinterrücks" erfolgte, obwohl es insbesondere (auch) die Möglichkeit offengelassen habe, daß der Stich seitlich vorbeigreifend geführt wurde, genügt es zu erwidern, daß im gegebenen Urteilskontext das Wort "hinterrücks" ersichtlich in der sprachlichen Bedeutung von "überraschend und in böser Absicht" (Duden, Bedeutungswörterbuch2 340) verwendet worden ist und zum Ausdruck bringen sollte, daß der Stichführung mit dem in Rede stehenden Messer gegen die linke Brustvorderwand des an der Theke sitzenden D***** keine Auseinandersetzung unmittelbar vorausgegangen war (US 4, 7).

Letztlich versagt auch der Einwand der Aktenwidrigkeit. Denn eine solche liegt nur vor, wenn in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wird, das deren Inhalt nicht bildet, wenn also der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben wird. Das Erstgericht hat die Rechtfertigung des Angezeigten gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten: "Es handelt sich um eine alte Geschichte, weshalb ich ihn niedergestochen habe. Mehr sag ich dazu nicht" (15) mit den Worten: "Andererseits hat der Angeklagte schon bei seiner informativen Befragung bei seiner Festnahme (15) zugegeben, daß er seinen Widerpart wegen einer alten Geschichte niedergestochen habe" - völlig aktengetreu - wiedergegeben (US 7). Soweit die Beschwerde aber mit dem Vorbringen, eine solche "Aussage" sei auch sinngemäß nicht getätigt worden und unter Verweis auf den anderslautenden Inhalt der Niederschrift mit dem Angeklagten vor der Bundespolizeidirektion Wien vom 26.Oktober 1994 behauptet, daß zwischen den vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen und den diesen zugrunde gelegten Beweisergebnissen ein Widerspruch bestehe, wird jedenfalls eine - unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels nur einen formalen Vergleich gestattende - Aktenwidrigkeit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht (Mayerhofer-Rieder aaO § 281 Z 5 E 191).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird demnach der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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