Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.November 1995, GZ 4 c Vr 9788/95-55, verletzt insoweit, als Manuela S***** damit zu Punkt I/B/2 schuldig erkannt wurde, das Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG auch im Zeitraum von 1988 bis einschließlich (31.)Oktober 1993 begangen zu haben, das Gesetz in der Bestimmung des § 4 Abs 1 JGG und in dem in Art 4 Z 1 des 7.Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Doppelbestrafungsverbot.
Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im zuvor bezeichneten Umfang des Schuldspruchs wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG laut Punkt I/B/2 des Urteilssatzes und in dem die Genannte betreffenden Strafausspruch, ferner der damit in untrennbarem Zusammenhang stehende Beschluß nach § 494 a Abs 1 StPO aufgehoben; gemäß §§ 288 Abs 2 Z 3, 292 StPO wird im Umfang der Urteilsaufhebung in der Sache selbst erkannt:
Manuela S***** wird vom (Anklage-)Vorwurf, sie habe in der Zeit von 1988 bis 31.Oktober 1993 in Wien und Niederösterreich wiederholt Suchtgift erworben und besessen, und sie habe auch hiedurch das Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Zur Neubemessung der Strafe wird die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung hinsichtlich der Angeklagten Manuela S***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem rechtskräftigen Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 15. November 1993, GZ 16 U 166/93-7, wurde die am 31.Mai 1975 geborene Manuela S***** des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt, weil sie in der Zeit von Oktober 1988 bis Oktober 1993 Suchtgift, nämlich Heroin und Cannabis, den bestehenden Vorschriften zuwider erworben und gebraucht hat. Sie wurde hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. November 1995, GZ 4 c Vr 9788/95-55, wurde (ua) Manuela S***** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG und § 15 StGB (Punkt I/A/1 und 2) sowie des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (Punkt I/B/2) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Das bezeichnete Vergehen liegt ihr zur Last, weil sie "in der Zeit von 1988 bis 11.Juli 1995" wiederholt Suchtgifte erworben und besessen hat. Unter einem faßte das Landesgericht gemäß § 494 a Abs 1 StPO den Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 15.November 1993, GZ 16 U 166/93-7, während es hinsichtlich des Urteils des Jugendgerichtshofes Wien vom 31. August 1993, AZ 2 b E Vr 613/93, vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht unter Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre absah. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft hinsichtlich Manuela S***** und des Mitangeklagten Edwin P***** Berufung erhoben, über die vom Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden worden ist.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien steht - wie der Generalprokurator in der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - in zweifacher Hinsicht mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Zunächst wurde das Gesetz in der Bestimmung des § 4 Abs 1 JGG dadurch verletzt, daß Manuela S***** für den Zeitraum von 1988 bis (einschließlich) Mai 1993 Tathandlungen im Sinn des § 16 Abs 1 SGG strafrechtlich zugerechnet wurden, die sie vor Erreichen des 14. Lebensjahres und damit vor Erreichen der Strafmündigkeit begangen hat. Unmündige, die eine mit Strafe bedrohte Handlung begehen, sind jedoch gemäß § 4 Abs 1 JGG nicht strafbar. Der Angeklagten S***** durften somit nur solche Taten strafrechtlich zugerechnet werden, die sie nach dem 31.Mai 1989 begangen hat.
Darüber hinaus verstößt das Urteil des Landesgerichtes im Urteilsfaktum I/B/2 teilweise auch gegen das Doppelbestrafungsverbot.
Gemäß Art 4 Z 1 des 7.Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, deretwegen er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt (oder freigesprochen) worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.
Im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde nun festgestellt, daß die Angeklagte S***** seit dem 13.Lebensjahr Suchtgifte, und zwar zunächst Haschisch und in der Folge fast sämtliche Drogen konsumiert hat (US 5). Demzufolge wurde Manuela S***** in Ansehung des Zeitraumes vom 1.Juni 1993 (Erreichen der Strafmündigkeit) bis (einschließlich) Oktober 1993, soweit ihr das Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG angelastet wurde, wegen derselben Tat verurteilt, deretwegen sie schon vom Jugendgerichtshof Wien mit dem eingangs bezeichneten Urteil vom 15.November 1993, GZ 16 U 166/93-7, verurteilt worden war.
Diese von der Generalprokuratur aufgezeigten - der Angeklagten S***** zum Nachteil gereichenden - Gesetzesverletzungen waren daher festzustellen, gemäß § 292 letzter Satz StPO (wie im Spruch ersichtlich) durch Teilfreispruch zu beheben und dem Landesgericht für Strafsachen Wien die Neubemessung der Strafe aufzutragen. Hiezu wird bemerkt, daß auf Grund der vom Generalprokurator auch gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 15.November 1993, GZ 16 U 166/93-7, erhobenen (gemeinsam ausgeführten) Wahrungsbeschwerde mit - dem diesem Erkenntnis unmittelbar vorangegangenen - Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 27.August 1996, GZ 11 Os 85/96-6, ein Teilfreispruch hinsichtlich des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG erging und die Sanktion für den verbleibenden Teil des Schuldspruches mit drei Wochen Freiheitsstrafe ausgemessen wurde. Diese Strafe wurde gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen und ausgesprochen, daß die Probezeit mit 15. November 1993 (Rechtskraft des in Rede stehenden Urteils) zu laufen begonnen hat.
Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten S***** auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.
Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
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