OGH 11Os81/18y

OGH11Os81/18y28.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Beqir T***** wegen der Verbrechen des Mordes nach §§ 75; 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 3. Mai 2018, GZ 614 Hv 1/18f‑82, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00081.18Y.0828.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Hernals verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Beqir T***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (I./) und §§ 15, 75 StGB (II./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem wurde „gemäß § 26 Abs 1 StGB“ „das sichergestellte Messer“ eingezogen (US 8).

Danach hat er am 19. August 2017 in W*****

I./ Perica G***** vorsätzlich getötet, indem er ihm zwei Stiche mit einem Klappmesser mit einer 9 cm langen Klinge versetzte, wobei der erste Stich oberhalb der rechten Brustwarze in die linke Herzwand eindrang, diese im Bereich des stumpfen Herzrandes beschädigte und der zweite Stich unterhalb der linken Brustwarze die linke Herzkammer im Bereich des scharfen Herzrandes eröffnete, wodurch G***** aufgrund einer Sticheröffnung der linken Herzkammer infolge Verblutens an Herz-Kreislaufversagen verstarb;

II./ Almir S***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihm einen Messerstich im Bereich des Bauchs versetzte, wodurch dieser eine Sticheröffnung der linken Bauchseite unterhalb des Rippenbogens sowie eine Blutung aus der Zwischenrippenarterie erlitt.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen und gegen das Einziehungserkenntnis richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurde dem Antrag des Angeklagten auf „neuerliche Vorladung“ der Polizeibeamten „Thomas Z***** und Andreas K***** (phonetisch), die die Einvernahme am 13. September 2017 durchgeführt haben“, zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte bereits damals von einer Falle gesprochen hat“, weiters „die Auswertung des Handys der Zeugin B***** beantragt hat“ und „die Beamten ihm mitgeteilt haben, die Auswertung des Handys würde selbstverständlich erfolgen“ (ON 81 S 8 f), zu Recht nicht entsprochen, weil er keinen Konnex zur Schuld- oder zur Subsumtionsfrage erkennen ließ (RIS‑Justiz

RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327 ff). In der Beschwerde nachgetragene Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618). Da die Gründe für die ablehnende Entscheidung ebenfalls nicht unter Nichtigkeitssanktion stehen (vgl RIS‑Justiz RS0121628, RS0116749), bedarf die darauf bezogene Beschwerdekritik keiner inhaltlichen Erwiderung.

Im Recht hingegen ist die gegen das Einziehungserkenntnis (US 8) gerichtete Sanktionsrüge (Z 13 erster Fall StPO):

Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Dabei spricht das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS‑Justiz RS0121298 [T7, T13]). Davon kann – wie die Beschwerde zutreffend einwendet – bei einem „Klappmesser“ (mit einer „Klingenlänge von 9 cm“; US 7) ohne Hinzutreten besonderer Eigenschaften in der Regel nicht die Rede sein (vgl RIS‑Justiz RS0082031 [T6, T7 und T9]; Ratz in WK² StGB § 26 Rz 12 f). Feststellungen dazu als (notwendige) Grundlage der Gefährlichkeitsprognose hat das Gericht allerdings nicht getroffen, sondern die Maßnahme bloß unter Anführung der verba legalia (US 9) und Bezugnahme auf die Gesetzesstelle begründet (US 8).

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeits-beschwerde war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Einziehungserkenntnis aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das sachlich und örtliche zuständige Gericht (§§ 445, 445a StPO; Fuchs/Tipold, WK‑StPO § 444 Rz 98; 14 Os 30/12m) zu verweisen.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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