OGH 11Os79/12w

OGH11Os79/12w21.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter Sch***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 20. März 2012, GZ 10 Hv 16/12t-115, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das einen rechtskräftigen Teilfreispruch von gleichartigen Vorwürfen enthält, wurde Peter Sch***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er von 24. bis 31. Oktober 2011 in B***** und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge dadurch erzeugt, dass er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Heimo Sch*****, Carsten H***** und Christine H***** 7.788 Gramm Marihuana mit einer Reinsubstanz von 459,49 Gramm Delta-9-THC herstellte, indem er die von Mathias P***** und Carsten H***** aufgezogenen und von Stefan G***** abgeschnittenen Hanfpflanzen nach deren Trocknung im Wohnhaus des Heimo Sch***** abrebelte.

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit b, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, dass die im Rechtsmittel thematisierte Motivation zur Tatbegehung keine entscheidende Tatsache darstellt (RIS-Justiz RS0088761) und damit gar nicht erörterungsbedürftig war, durfte der Inhalt des Sicherstellungsprotokolls vom 31. Oktober 2011 (ON 52 S 21) - der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider - schon deshalb unerwähnt bleiben, weil der Umstand, dass anlässlich einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten kein Suchtgift vorgefunden wurde, der Feststellung, der Angeklagte sollte für seine Mitwirkung an der Suchtgifterzeugung ein bis zwei Kilogramm Marihuana erhalten, keineswegs entgegenstünde.

Die Aussagen der Zeugen Carsten H***** und Christine H***** hinwieder hat das Erstgericht gar wohl erwogen, indem es in Befolgung des Gebots des § 270 Abs 2 Z 5 StPO ausreichend (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428) begründete, weshalb es den Depositionen des Carsten H***** in der Hauptverhandlung - im Gegensatz zu dessen Angaben vor der Polizei - die Glaubwürdigkeit versagte (US 8), jenen der Christine H***** aber nichts abgewann, was die Schuld des Angeklagten in Frage gestellt hätte (US 10).

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere zu dem die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt umfassenden Täterwillen (US 6 f), hat das Schöffengericht auf die Abschätzbarkeit der aus der Anzahl der zur Trocknung aufgehängten Hanfpflanzen zu gewinnenden Mengen an Marihuana für den - auf langjährige Suchtgifterfahrung zurückblickenden - Angeklagten, dessen zweimalige Mitwirkung am Abrebeln sowie auf das Ausmaß des ihm als Lohn hierfür in Aussicht gestellten Anteils an dem erzeugten Marihuana gestützt (US 10 f), wobei die von den Tatrichtern aus den Verfahrensergebnissen gezogenen Schlüsse weder Kriterien logischen Denkens noch allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderlaufen, sodass eine offenbar unzureichende (Schein-)Begründung (Z 5 vierter Fall) entgegen den Beschwerdebehauptungen nicht vorliegt.

Die vom Beschwerdeführer vermissten Gründe für die Konstatierung der Mittäterschaft (US 6) finden sich auf US 8 f. In welcher Hinsicht diese den Feststellungen zum Tatvorsatz des Angeklagten und den dazu angestellten Erwägungen der Tatrichter widersprechen sollten (der Sache nach Z 5 dritter Fall), lässt die Beschwerde im Dunkeln. Sie gleitet vielmehr in diesem Zusammenhang in Überlegungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ab („nicht plausibel“).

Die gesetzmäßige Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert striktes Festhalten an den zum Tatsächlichen getroffenen Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit und die auf dieser Grundlage zu führende Darlegung, dass dem Gericht bei Beurteilung des Urteilssachverhalts ein Rechtsirrtum unterlaufen sei. Unerheblich ist dabei, ob die mit dem Gesetz zu vergleichenden Feststellungen einwandfrei zustande gekommen oder dargestellt sind oder erheblichen Bedenken begegnen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584; RIS-Justiz RS0099810). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch durch Vorkommen in der Hauptverhandlung indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580).

Die vorliegende, Rücktritt vom Versuch reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit b und 10, der Sache nach nur Z 10) ist nicht an diesen Anfechtungskriterien ausgerichtet:

Die Tatrichter gingen davon aus, dass sich der Rechtsmittelwerber (lediglich) an der - diesfalls aber vollendeten - Erzeugung eines Teils von 7.788 Gramm Marihuana aus einer sichergestellten Gesamtmenge von 67.338,3 Gramm dieses verpönten Stoffs beteiligte (US 6).

Überlegungen zu einem strafbefreienden Rücktritt vom Versuch - gemeint offenbar hinsichtlich der ihm gar nicht zugerechneten Erzeugung weiterer Suchtgiftquanten (so nominell aus Z 5) - versagen daher.

Die Berufung auf die angebliche Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, wonach dieser „aus eigenen Stücken und freiwillig von der Tathandlung Abstand nahm“, ignoriert den Schuldspruch wegen vollendeter Delinquenz und bringt überdies einen Feststellungsmangel nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung, übergeht sie doch die Bekundungen des Beschwerdeführers, er habe, nachdem er „rund eineinhalb bis zwei Stunden“ mit Abrebeln beschäftigt gewesen sei (ON 114 S 5), damit „aufgehört“, weil ihm dies „einfach zu heiß“ geworden sei (ON 114 S 11).

Im Übrigen würde Straflosigkeit eines Beteiligten nach § 16 StGB verlangen, dass dieser nicht nur seinen Beitrag abgebrochen, sondern auch die Vollendung der Straftat durch die anderen verhindert hätte (RIS-Justiz RS0090269, RS0090513), was der Beschwerdeführer gar nicht für sich in Anspruch nimmt.

Der von der Subsumtionsrüge (Z 10, nominell verfehlt auch Z 9 lit b) erhobene Einwand „rechtsirriger“ Annahme von Mittäterschaft, die dazu geführt hätte, dass dem Angeklagten zu Unrecht die Erzeugung der gesamten, das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigenden Menge an Suchtgift als das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 SMG zugerechnet worden wäre, ignoriert gleichfalls den Urteilssachverhalt, wonach der Beschwerdeführer zumindest zweimal getrocknete Hanfpflanzen gemeinsam mit drei weiteren Personen abgerebelt und solcherart - mit darauf gerichtetem Vorsatz - im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit diesen 7.788 Gramm Marihuana (Reinsubstanz 459,49 Gramm Delta-9-THC) hergestellt habe (US 6), und verfehlt damit die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Das weitere, mangelnde Feststellungen zum „Zeitpunkt der Deliktsvollendung“ durch den Angeklagten sowie zu der von diesem allein erzeugten Suchtgiftmenge reklamierende Vorbringen und die vom Beschwerdeführer daran geknüpfte Spekulation, sein Verhalten wäre möglicherweise (bloß) dem „Tatbestand der § 27 SMG bzw § 28a Abs 1 SMG zu subsumieren“, können folglich auf sich beruhen.

Der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass nicht jeder der einvernehmlich mit verteilten Rollen handelnden Mittäter selbst das gesamte Tatbild verwirklichen, sondern bloß eine dem Tatbestand konforme Ausführungshandlung setzen muss, um den gesamten - von seinem Vorsatz umfassten - Erfolg zu verantworten (Fabrizy in WK2 § 12 Rz 26; RIS-Justiz RS0089808).

Mit dem Einwand rechtlich verfehlter Annahme von Vollendung statt Versuch übergeht die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) die zur - vollendeten - Erzeugung einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge an Suchtgift durch den Angeklagten und seine Mittäter getroffenen Urteilskonstatierungen (US 6) und verlässt damit den Anfechtungsrahmen des herangezogenen (materiellen) Nichtigkeitsgrundes.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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