OGH 11Os7/10d (11Os8/10a)

OGH11Os7/10d (11Os8/10a)2.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wascha P***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. November 2009, GZ 054 Hv 160/09g-23, und einen Vorgang erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleitner, sowie des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Patzer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Wascha P*****, AZ 054 Hv 160/09g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, verletzen das Gesetz

1. die gekürzte Ausfertigung des Urteils vom 30. November 2009 (ON 23) in § 270 Abs 4 Z 2 StPO iVm § 488 Abs 1 StPO sowie

2. das genannte Urteil in seinem Strafausspruch im § 43a Abs 3 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch nach § 43a Abs 3 StGB aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von 13 Monaten und 10 Tagen wird für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Wascha P***** wurde mit dem rechtskräftigen, in gekürzter Ausfertigung abgefassten Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. November 2009, GZ 054 Hv 160/09g-23, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt, von der ein Teil von zwölf Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Das Urteil wurde unter Verwendung des Formblattes StPO Form U7 in gekürzter Form ausgefertigt; eine gedrängte Darstellung der vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen enthält es nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die gekürzte Urteilsausfertigung und der Strafausspruch stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, erweitert den Anwendungsbereich der gekürzten Urteilsausfertigung auf Urteile, mit denen (außer im geschworenengerichtlichen Verfahren - vgl § 342 erster Satz StPO) eine Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren ausgesprochen wird (§ 270 Abs 4 erster Satz StPO). Den Materialien zufolge sollte diese Maßnahme einer „Entlastung der Strafgerichtsbarkeit ohne Reduktion des Rechtsschutzes“ dienen (ErlRV 113 BlgNR 24. GP 34, 43 f). Daher fordert die Z 2 des § 270 Abs 4 StPO, dass die gekürzte Urteilsausfertigung neben den wesentlichen Bestandteilen des Urteils (§ 270 Abs 2 StPO) im Falle einer Verurteilung auch die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung zu enthalten hat. In der Regel ist der Verweis auf die bloß, aber vollständig im Urteilsspruch beschriebenen, als erwiesen angenommenen Tatsachen zulässig und ausreichend. Der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO reicht aber dann nicht aus, wenn die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts nicht nachvollziehbar und - etwa für den Fall eines nachfolgenden Antrags nach dem 16. Hauptstück der Strafprozessordnung - überprüfbar ist, weil die Formulierungen des Urteilsspruchs die dazu erforderlichen Feststellungen nicht hinreichend ersetzen können (Danek, WK-StPO § 270 Rz 32, 60; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580).

Da die vorliegende gekürzte Urteilsausfertigung die als erwiesen angenommenen Tatsachen (konkret zur Absicht iSv § 70 StGB) nicht enthält, liegt die aufgezeigte Gesetzesverletzung tatsächlich vor. Sie gereicht jedoch in concreto dem Verurteilten Wascha P***** nicht zum Nachteil, sodass sich der Oberste Gerichtshof diesbezüglich zu keiner Maßnahme nach § 292 letzter Satz StPO veranlasst sah.

Anders war allerdings hinsichtlich des bekämpften Strafausspruchs vorzugehen.

Wird auf eine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, aber nicht mehr als zwei Jahren erkannt, ist unter den in § 43a Abs 3 StGB genannten Voraussetzungen ein Teil der Strafe bedingt nachzusehen. Der nicht bedingt nachgesehene Teil der Strafe darf nicht mehr als ein Drittel der Strafe betragen (§ 43a Abs 3 zweiter Satz StGB), was beim vorliegenden Strafausspruch unbeachtet blieb. Bei einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten durfte der nicht bedingt nachgesehene Teil der Strafe höchstens sechs Monate und 20 Tage betragen. Dieser verfehlte Strafausspruch gereicht dem Angeklagten zum Nachteil, sodass sich der Oberste Gerichtshof in diesem Punkt veranlasst sah, das Urteil in seinem Ausspruch nach § 43a Abs 3 StPO aufzuheben.

Da der in Haft befindliche Angeklagte seine Vorführung zum Gerichtstag beantragt hatte, konnte der Oberste Gerichtshof sogleich in der Sache selbst erkennen und einen Teil der Freiheitsstrafe von dreizehn Monaten und zehn Tagen für eine Probezeit von drei Jahren, deren Lauf bereits am 1. Dezember 2009 begonnen hat, bedingt nachsehen (vgl RIS-Justiz RS0091988 [T10, T13 bis T15]).

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