OGH 11Os68/02

OGH11Os68/021.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Steindl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jakub M***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 18 Vr 1697/01 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom 11. April 2002, AZ 9 Bs 134/02, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Jakub M***** ist zum AZ 18 Vr 1697/01 beim Landesgericht für Strafsachen Graz eine Voruntersuchung wegen des Verdachtes der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, der kriminellen Organisation nach § 278a Abs 1 StGB und nach § 28 Abs 2 (vierter Fall) und Abs 3 erster und zweiter Fall SMG anhängig. Auf Grund eines internationalen Haftbefehls wurde der Genannte am 12. Juni 2001 in Kroation festgenommen, nach Österreich ausgeliefert und über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Aus dieser wurde er mit Beschluss des Untersuchungsrichters vom 7. November 2001 unter Anwendung der gelinderen Mittel nach § 180 Abs 5 Z 1 und 5 StPO entlassen. Am 3. Jänner 2001 beantragte die Staatsanwaltschaft die Erwirkung der Nachtragsauslieferung aus Kroatien wegen weiterer von der Auslieferungsbewilligung nicht umfasster Faktenkomplexe (S 3n in ON 1 sowie 3g in ON 117). Zum antragskonform gestellten Ersuchen um Erwirkung der Nachtragsauslieferung (ON 124f) vertrat das Bundesministerium für Justiz im Erlass vom 4. Februar 2002, GZ 1.49194/30-IV 1/02, die Auffassung, dass diesem ein ergänzender Haftbefehl über die neu hinzugekommenen Fakten anzuschließen sei und verfügte deshalb die Aktenrückstellung (ON 128). Den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 13.Februar 2002 auf Erlassung eines ergänzenden Haftbefehls gegen Jakub M***** (S 3q) lehnte der Untersuchungsrichter mit dem unangefochten gebliebenen Beschluss vom 27. Februar 2002 (ON 131) ab. Dem am 15. März 2002 präzisierten Antrag auf Ausstellung eines ergänzenden Haftbefehls im Sinne des zitierten Erlasses des Bundesministeriums für Justiz gab der Untersuchungsrichter mit Beschluss vom 19. März 2002 (ON 134) nicht Folge.

Einer dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft (ON 135) erkannte das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 11. April 2002, AZ 9 Bs 134/02, Berechtigung zu, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Untersuchungsrichter im Spruch auf, die nach Art 12 Abs 2 lit a, 14 Abs 1 lit a Europäisches Auslieferungsübereinkommen (§§ 42 Abs 1, 45 ARHV) vorgesehenen Auslieferungsunterlagen auszustellen. In der Begründung der Entscheidung führte es an, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines ergänzenden Haftbefehles im Sinne der Antragstellung der Staatsanwaltschaft gegeben seien, weil bei Beurteilung der Haftgründe auf den Zeitpunkt der Erlassung des ursprünglichen, zur Auslieferung führenden Haftbefehles abzustellen sei. Diesem Auftrag ist der Untersuchungsrichter inzwischen nachgekommen, hat am 16. April 2002 einen ergänzenden Haftbefehl erlassen (ON 147) und diesen dem Bundesministerium für Justiz zur Erwirkung der Nachtragsauslieferung des Jakub M***** übermittelt. Gegen den Beschluss des Gerichtshofes zweiter Instanz richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten. Er bringt im Wesentlichen vor, die vom Beschwerdegericht angeführten Gründe für die Erlassung eines Haftbefehls lägen nicht vor und nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen reiche "jede andere, nach den Formvorschriften des ersuchenden Staates ausgestellte Urkunde mit gleicher Rechtswirkung" für die (Nachtrags-)Auslieferung aus.

Rechtliche Beurteilung

Der in der Begründung der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz erkennbar gegebene Auftrag an den Untersuchungsrichter auf Erlassung eines ergänzenden Haftbefehles stellt noch keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit im Sinne der in § 2 Abs 1 GRBG umschriebenen Möglichkeiten dar. Der zwischenzeitig erlassene, nur zu den Akten genommene und nur für das Nachtragsauslieferungsverfahren verwendete ergänzende Haftbefehl wurde tatsächlich nicht effektuiert, sodass auch dieser - unbeschadet dessen, ob er vom Beschuldigten angefochten und damit der Instanzenzug ausgeschöpft wurde, - ebenfalls keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit bewirkte (vgl 15 Os 177/99, 13 Os 105/00, 14 Os 109/01 uva). Die Grundrechtsbeschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen. Über die Gesetzmäßigkeit des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Graz und des ergänzenden Haftbefehles wird auf Grund einer vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes in einem gesonderten Verfahren entschieden werden.

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