OGH 11Os67/84

OGH11Os67/846.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Juni 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider (Berichterstatter) und Dr. Reisenleitner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Diexer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den Par 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 6. Februar 1984, GZ 9 d Vr 9.107/83-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwaltes Dr. Kodek, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Payrits zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß über den Angeklagten an Stelle einer Freiheitsstrafe gemäß dem § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 360 (dreihundertsechzig) Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 180 (einhundertachtzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt wird. Der Tagessatz wird mit 60 S (sechzig Schilling) bemessen.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2. (unrichtig: 20.) Oktober 1944

geborene Pensionist Josef A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 13.Mai 1983 in Wien Gerhard B durch Versetzen eines Faustschlages ins Gesicht, der eine an sich schwere Verletzung, nämlich einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchstellen, eine Rißquetschwunde an der Oberlippe und Hautabschürfungen am Rücken (infolge eines Sturzes) zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzte.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z. 1 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung nicht zukommt. Unter ziffernmäßiger Anrufung des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes rügt der Angeklagte, daß der Sachverständige Dozent Dr. Stefan C das dem Urteil zugrundeliegende Gutachten vor dem Einzelrichter (S. 36), nicht aber in der Hauptverhandlung vor dem Schöffensenat erstattet habe (vgl. hiezu die gegen den ursprünglich gestellten Strafantrag ON. 3 ausgetauschte Anklageschrift ON. 13).

Mit diesem Vorbringen behauptet der Angeklagte gar nicht, daß der erkennende Gerichtshof nicht gehörig besetzt war (§ 281 Abs. 1 Z. 1 StPO), was nur dann zuträfe, wenn seinen Mitgliedern die für das Richteramt vorgeschriebene Qualifikation fehlt, wenn sie nicht in der gesetzlich bestimmten Zahl an der Hauptverhandlung teilnehmen oder wenn die Beiziehung eines Protokollführers unterblieben ist. Sollte der Angeklagte die Ansicht vertreten, daß durch die Verlesung dieses Gutachtens in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht (S. 62) der Grundsatz der Unmittelbarkeit in einer Nichtigkeit begründenden Weise verletzt worden sei, was dem Beschwerdevorbringen allenfalls entnommen werden kann, ist ihm folgendes entgegenzuhalten:

Eine Verlesung der Gutachten der Sachverständigen in der Hauptverhandlung ist (nur) in den Ausnahmefällen des § 252 Abs. 1 StPO zulässig. Demnach dürfen die Gutachten der Sachverständigen u. a. dann in der Hauptverhandlung verlesen werden, wenn über die Verlesung Ankläger und Angeklagter einverstanden sind (§ 252 Abs. 1 Z. 4 StPO). Da der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung 'keine weiteren Anträge' stellte und sich auch nicht gegen die Verlesung des Gutachtens aussprach (S. 62), konnte der Schöffensenat sein Einverständnis über die Verlesung (§ 252 Abs. 1 Z. 4 StPO) annehmen, zumal es auch stillschweigend erteilt werden kann, und übrigens auch die Staatsanwaltschaft die Ladung des Sachverständigen zur Hauptverhandlung nicht beantragte. Abgesehen daVön ist ein Verstoß gegen die Bestimmungen des § 252

StPO an sich nicht mit Nichtigkeit bedroht (vgl. § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO).

Die Verlesung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. C in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht könnte sohin nur als Verfahrensfehler (§ 281 Abs. 1 Z. 4 StPO) gerügt werden. Insoweit mangelt es aber - wie bereits aufgezeigt - schon an der formellen Voraussetzung eines vom Angeklagten in der Hauptverhandlung erfolglos gestellten Antrages bzw. eines gegen seinen Widerspruch gefällten Zwischenerkenntnisses. Das Vorbringen zu § 281 Abs. 1 Z. 1 StPO bedeutet mithin weder die prozeßordnungsgemäße Darstellung des angerufenen noch sonst eines der im § 281 Abs. 1 StöO taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründe.

In seiner Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO) wendet sich der Angeklagte gegen die Beurteilung seines Tatverhaltens als schwere Körperverletzung im Sinn der § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB Ein Nasenbeinbruch sei auch unter Berücksichtigung einer 'angeblich geringfügigen Dislokation' der Bruchstücke nicht als schwere, sondern nur als leichte Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB zu beurteilen.

Mit diesem Vorbringen setzt sich der Angeklagte einerseits über die Urteilsannahmen hinweg, denen zufolge Gerhard B durch den Faustschlag 'einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung (der Bruchstücke) und Deformation des Nasenrückens' erlitt, was eine Reposition erforderlich machte (S. 71, 72;

siehe auch S. 36/37), und läßt andererseits die zuständige Judikatur des Obersten Gerichtshofes unberücksichtigt, wonach ein Bruch des knöchernen Nasengerüstes mit Dislokation der Bruchenden als an sich schwere Verletzung im Sinn des § 84 Abs. 1 StGB zu beurteilen ist (ÖJZ-LSK 1975/215; vgl. Kienapfel, BT I 2 , RN 14 und Burgstaller im WK, RZ 23, jeweils zu § 84

StGB, sowie EvBl. 1977/224). Die Rechtsrüge erweist sich sohin teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als unbegründet. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher - wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigte - insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 84 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen als erschwerend, hingegen das Geständnis und eine gewisse Erregung zum Tatzeitpunkt als mildernd. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung und bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe an. Wie der - mit einer Deutschen verheiratete -

Angeklagte im Ergebnis zutreffend hinweist, wurde er durch provokante und beleidigende Äußerungen des später Verletzten gegen Deutsche in einen (vom Erstgericht richtig angenommenen) Erregungszustand versetzt. Berücksichtigt man, daß sich der Angeklagte, welcher die letzte Vorstrafe wegen eines Gewaltdelikts im Jahr 1979, also rund vier Jahre vor der verfahrensgegenständlichen Tat, verbüßte und nur durch die grob beleidigende Provokation B` S, der die deutschen Frauen als 'Huren' bezeichnete, zur Tat hinreißen ließ, gelangt man in Verbindung mit dem vom Angeklagten abgelegten Geständnis (siehe S. 61 unten) trotz der Vorstrafenbelastung zu dem Ergebnis, daß mit einer sechs Monate nicht übersteigenden Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden werden kann. Da sich der Angeklagte mehrere Jahre hindurch kein Gewaltdelikt zuschulden kommen ließ und das nun begangene durch die aufgezeigte Provokation ausgelöst wurde, sprechen spezialpräventive Erwägungen nicht gegen die Verhängung einer Geldstrafe an Stelle einer Freiheitsstrafe.

Auch generalpräventive Momente gebieten nicht die Verhängung einer Freiheitsstrafe. In Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB verhängte der Oberste Gerichtshof daher in (teilweiser) Stattgebung der Berufung (vgl. dazu SSt. 46/71 - sogenannte 'Automatik' des § 37 StGB) eine schuldangemessene Geldstrafe von 360 Tagessätzen, an deren Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 180 Tagen zu treten hat (Par 19 Abs. 3 StGB). Die Höhe des Tagessatzes von 60 S ist den persönlichen Verhältnissen und der Leistungsfähigkeit des Angeklagten - dieser bezieht eine Invaliditätspension von 6.035 S monatlich und hat neben seiner ein eigenes Einkommen beziehenden Ehefrau für drei Kinder zu sorgen - angepaßt.

Insoweit der Rechtsmittelwerber die Gewährung der bedingten Strafnachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB) anstrebt, konnte dem Rechtsmittel ein Erfolg nicht zuerkannt werden. Schon angesichts der Täterpersönlichkeit käme einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe nicht die erforderliche Effizienz zu.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

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