OGH 11Os58/01

OGH11Os58/0126.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr.Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eichinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Volkan A***** wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG, AZ 4 U 130/99v des Bezirksgerichtes Kitzbühel, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil vom 17. November 1999 (ON 8) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Volkan A***** wegen § 27 Abs 1 SMG, AZ 4 U 130/99v des Bezirksgerichtes Kitzbühel, wurde das Gesetz durch die Hauptverhandlung und Urteilsfällung am 17. November 1999 in der Bestimmung des § 32 Abs 1 JGG und durch den Strafausspruch des Urteils in der Bestimmung des § 5 Z 5 JGG verletzt.

Das Urteil vom 17. November 1999, GZ 4 U 130/99v-8, (einschließlich der darin enthaltenen Weisung) und sämtliche darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen sowie der vom Landesgericht Innsbruck zum AZ 23 EVr 1999/00 gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Widerrufsbeschluss werden aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Kitzbühel verwiesen.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem (Abwesenheits-)Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 17. November 1999, GZ 4 U 130/99v-8, wurde der am 12. Februar 1982 geborene und damit jugendliche Volkan A***** des im Zeitraum "Winter 1997/1998 bis 31. August 1998" begangenen Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG schuldig erkannt und über ihn eine (gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine zweijährige Probezeit bedingt nachgesehene) Geldstrafe von 50 Tagessätzen a 30 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Unter einem fasste die Bezirksrichterin den - entgegen § 494 StPO (insoweit sanktionslos) in das Urteil aufgenommenen, überdies gänzlich unbegründet gebliebenen und offenbar ohne die erforderliche gesonderte Rechtsmittelbelehrung zugestellten (Foregger/Fabrizy StPO8 Rz 1; Mayerhofer StPO4 E 1a, 3 je zu § 494) - Beschluss auf Erteilung einer (darüber hinaus zustimmungspflichtigen - § 51 Abs 3 StGB, vgl Schroll im WK2 § 51 Rz 38) Weisung (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 2 StGB), sich einer regelmäßigen amtsärztlichen Kontrolle zu unterziehen (S 207, 213).

Die Voraussetzungen für die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in Abwesenheit des Beschuldigten hielt das Gericht "gemäß § 459 StPO" (S 213) für gegeben.

In der Folge wurde Volkan A***** mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 15. Dezember 2000, GZ 23 EVr 1999/00-15, wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB unter Anwendung der §§ 37 (Abs 1) StGB, 5 (Z 4) JGG zu einer Geldstrafe verurteilt; gleichzeitig beschloss der Einzelrichter gemäß § 494a (Abs 1 Z 4) StPO den Widerruf der vom Bezirksgericht Kitzbühel gewährten bedingten Strafnachsicht.

Die vom Widerruf betroffene Geldstrafe ist nach der Aktenlage noch nicht vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Im angeführten Verfahren AZ 4 U 130/99v des Bezirksgerichtes Kitzbühel wurde das Gesetz, wie der Generalprokurator mit seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, in mehrfacher Hinsicht verletzt:

Da Volkan A***** zum Zeitpunkt seiner Verurteilung am 17. November 1999 das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, wären in der vorliegenden Jugendstrafsache (§ 1 Z 4 JGG) alle materiellrechtlichen und prozessualen Sonderregelungen des Jugendgerichtsgesetzes zu beachten gewesen.

Nach § 32 Abs 1 JGG ist aber im Verfahren gegen einen Jugendlichen die Vorschrift des § 459 zweiter und dritter Satz StPO (über die Abwesenheitsfolgen) unanwendbar, ein dennoch gefällter Schuldspruch iS des zweiten Halbsatzes leg cit nichtig. Durch Eingehen in die Hauptverhandlung und Fällung eines (kondemnierenden) Urteils gegen den damals jugendlichen Beschuldigten wurde daher in formeller Hinsicht gegen diese Bestimmung verstoßen.

Darüber hinaus wäre die Strafe unter Anwendung des § 5 Z 5 JGG auszumessen gewesen, wonach das Höchstmaß des Strafsatzes (hier: des § 27 Abs 1 SMG) auf die Hälfte herabgesetzt ist. Mangels eines Hinweises auf die in Rede stehende Bestimmung des JGG im Urteil ist davon auszugehen, dass diese (materiellrechtliche) Sondervorschrift vernachlässigt wurde.

Da eine Strafbemessung, der ein unrichtiger Strafrahmen zu Grunde liegt, selbst dann eine Überschreitung der gesetzlichen Strafbefugnis darstellt, wenn die verhängte Sanktion (wie im konkreten Fall) innerhalb jenes Strafrahmens liegt, der richtigerweise anzuwenden gewesen wäre (Foregger/Fabrizy aaO Rz 73; Mayerhofer aaO E 36c, je zu § 281 Abs 1 Z 11), ist der gegenständliche Strafausspruch mit Nichtigkeit behaftet (§§ 468 Abs 1 Z 4, 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO).

Weil sich die mit dem prozessordnungswidrig zu Stande gekommenen und materiellrechtlich fehlerhaften Urteil verbundenen Beeinträchtigungen der Rechte des Beschuldigten zu dessen Nachteil auswirken, war die Feststellung der aufgezeigten Gesetzesverletzungen gemäß § 292 letztem Satz StPO mit konkreter Wirkung auszustatten und das Urteil des Bezirksgerichtes Kitzbühel (einschließlich des mit dem Strafausspruch im Zusammenhang stehenden Beschlusses auf Erteilung einer Weisung gemäß § 50 Abs 1 StGB, dessen dargelegte Mängel unter den gegebenen Umständen allerdings keiner gesonderten Feststellung bedürfen), zu kassieren. Daraus ergibt sich auch die Wirkungslosigkeit aller darauf beruhenden Entscheidungen und Verfügungen - insbesondere des vom Landesgericht Innsbruck im Verfahren 23 EVr 1999/00 gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Widerrufsbeschlusses.

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