Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung des Angeklagten Anton S*** sen. wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung des Angeklagten Anton S*** jun. teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Strafe gemäß dem § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird. Im übrigen wird der Berufung des Angeklagten Anton S*** jun. nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
In der Nacht zum 24.Juli 1986 wurden auf der Fahrbahn der Lothringerstraße in Wien Asphaltfräsarbeiten durchgeführt. Am frühen Morgen wurde im Baustellenbereich, der vom übrigen Fahrbahnteil durch Haberkornhüte abgeteilt war, der mit dem Einweisen eines anderen LKWs beschäftigte Arbeiter Siegfried K*** von einer rückwärtsfahrenden Kehrmaschine, Kennzeichen W 756.709, überrollt und tödlich verletzt.
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der Lenker der Arbeitsmaschine, der am 15.Februar 1969 geborene, zur Tatzeit also 17-jährige Anton S*** jun., und dessen Vater Anton S*** sen., der ihm die Lenkung des Kraftfahrzeuges überlassen hatte, des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB schuldig erkannt. Als Fahrlässigkeit liegt Anton S*** jun. zur Last, daß er beim Rückwärtsfahren die gebotene Aufmerksamkeit und Sorgfalt außer acht ließ. Anton S*** sen. wird vorgeworfen, daß er seinem Sohn die Lenkung des LKWs trotz Fehlens einer Lenkerberechtigung sowie einer ausreichenden "Befähigung und Eignung" überließ und überdies nicht für eine Beaufsichtigung bzw. die Bereitstellung eines Einweisers Sorge trug.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den Schuldspruch erhobene, gemeinsam ausgeführte und auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der beiden Angeklagten ist in keinem Anfechtungspunkt begründet.
Vorweg ist unter dem Gesichtspunkt der objektiven Sorgfaltswidrigkeit (§ 6 StGB) zu prüfen, gegen welche Rechtsnormen die Angeklagten verstießen: Mag auch der unmittelbare Baustellenbereich, in dem sich der Unfall ereignete, zufolge seiner Abschrankung vom übrigen Teil der Fahrbahn zur Unfallszeit nicht als - von jedermann unter den gleichen Bedingungen
benützbare - Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinn des § 1 Abs 1 der StVO 1960 anzusehen gewesen sein, so ändert dies nichts an der Geltung dieses Gesetzes. Denn es ist gemäß dem 2.Absatz der genannten Gesetzesstelle auch auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr anzuwenden, insoweit andere Rechtsvorschriften oder der Straßenerhalter nichts anderes bestimmen. Diese Einschränkungen lagen im gegenständlichen Fall nicht vor. Für den Verkehr auf der Baustelle waren vielmehr - worauf schon das Erstgericht zutreffend hinwies - überdies zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 7 Abs 1 des ArbeitnehmerschutzG (BGBl. Nr. 234/1972 idgF) die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 soweit sinngemäß maßgebend, als sie die Sicherheit des Verkehrs betreffen. In dem in der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) erhobenen Einwand gegen die Anwendung des § 7 Abs 1 ArbeitnehmerschutzG übersehen die Beschwerdeführer, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes gemäß seinem § 1 Abs 2 grundsätzlich nicht nur für den eigentlichen Standort eines Betriebes, sondern auch für außerhalb gelegene Arbeitsstellen, daher auch für Straßenbaustellen, gelten. Für das Rückwärtsfahren - das regelmäßig mit besonderen Gefahren verbunden ist und deshalb unter allen Umständen erhöhte Aufmerksamkeit und besondere Vorsicht gerade auch im Bereich von Baustellen verlangt (ZVR 1979/119 uva) - ordnet § 14 Abs 3 StVO 1960 an, daß sich der Lenker, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert, von einer geeigneten Person einweisen lassen muß. Die Beiziehung eines geeigneten Einweisers ist daher ausnahmslos unerläßlich, wenn ein Lenker etwa wegen der Bauart des Fahrzeuges nicht in der Lage ist, die zu befahrende Strecke ständig im Auge zu behalten und sich davon zu überzeugen, daß die Fahrbahn frei ist und (insbesondere) niemand in seiner körperlichen Sicherheit gefährdet wird (ZVR 1979/119 uva). Eben hiezu war der Angeklagte Anton S*** jun. wegen der Bauart der Kehrmaschine - eines einem Müllabfuhrfahrzeug ähnlichen Lastkraftwagens, der keine direkte Sicht nach hinten gewährleistet (vgl. die Lichtbilder S 43 f, 193 dA) - auch unter Benützung der beiden Außenspiegel, wodurch ein erheblicher toter Winkel nicht überbrückt werden konnte, nicht imstande. Er lenkte vielmehr den LKW, wenn auch nur im Schrittempo, über eine von ihm nicht einsehbare Fahrbahnstrecke und verstieß damit gröblich gegen die Schutzvorschrift des § 14 Abs 3 StVO.
Angesichts dieser Sorgfaltswidrigkeit ist die in der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO) relevierte Frage, ob der Angeklagte Anton S*** jun. den später Getöteten zuletzt im linken Außenspiegel gesehen hatte, unentscheidend. Die Argumentation der Beschwerde, wonach der genannte Angeklagte während des Rückwärtsfahrens abwechselnd in den linken und in den rechten Außenspiegel geblickt hätte, zeigt geradezu zwingend auf, daß er der ihn treffenden Pflicht zur erhöhten Vorsicht und Aufmerksamkeit nicht entsprechen konnte und auch nicht entsprach. Denn er gibt mit diesem Beschwerdeeinwand implicite zu, daß er, obwohl er von der Anwesenheit von Arbeitern hinter dem Fahrzeug wußte und sie zufolge des Blickwechsels und des toten Winkels hinter dem Fahrzeug nicht ständig beobachten konnte, seine Fahrt fortsetzte.
Von der in der Beschwerde in bezug auf die Feststellung der Fortsetzung der Fahrt nach letztmaliger Wahrnehmung des in der Folge Verunglückten behaupteten Nichtigkeit wegen unvollständigen Begründung einer entscheidungswesentlichen Tatsache (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO), kann daher keine Rede sein.
Nicht nur der Angeklagte Anton S*** jun. handelte sorgfaltswidrig, sondern auch Anton S*** sen., als er seinem Sohn die Führung des LKWs in Kenntnis der ohne einen Einweiser nur mit einem hohen Risiko durchzuführenden Rückfahrmanöver überließ, ohne seinerseits für einen unbedingt notwendigen geeigneten Einweiser zu sorgen und sich überdies zu vergewissern, ob sein damals noch jugendlicher Sohn überhaupt über jene (Rechts-)Kenntnisse verfügte, die für die Einhaltung der gebotenen spezifischen Sorgfaltspflicht nötig gewesen wären.
Der Beschwerde nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO zuwider war die Gefährdung der auf der Baustelle mit anderen Tätigkeiten befaßten Arbeiter, vor allem der mit der Einweisung anderer Kraftfahrzeuge Beschäftigten, für beide Angeklagte als besonders naheliegend vorhersehbar.
Aus dem Gesagten folgt, daß die beiden Angeklagten durch Verstoß gegen § 14 Abs 3 StVO objektiv und subjektiv sorgfaltswidrig handelten und für den solcherart von ihnen fahrlässig (§ 6 StGB) herbeigeführten Tod des Siegfried K*** haften. Ihr Schuldspruch wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung erging daher zu Recht. Ob den Angeklagten Anton S*** jun. auch der Vorwurf einer verspäteten Reaktion trifft und ob zwischen dem Zuwiderhandeln des Angeklagten Anton S*** sen. gegen das Verbot der Beschäftigung von Jugendlichen zur Nachtzeit (bzw. der Überlassung der Führung von Kraftfahrzeugen im Betriebsgelände an Jugendliche, die keine entsprechende Lenkerberechtigung besitzen; vgl. § 17 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen BGBl. Nr. 146/48 idgF; §§ 2, 9 Punkt 14/b/ der Ausführungsverordnung hiezu BGBl. Nr. 527/81) ein Risikozusammenhang besteht, ist deshalb nicht (mehr) entscheidend, weshalb das auf die Feststellung solcher Sorgfaltswidrigkeiten bezogene Beschwerdevorbringen in der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) keiner Erörterung bedarf. Was schließlich den Einwand gegen den im Urteilsspruch (B) enthaltenen Schuldvorwurf anlangt, daß Anton S*** sen. seinem Sohn Anton S*** jun. die Lenkung der verfahrensgegenständlichen Arbeitsmaschine trotz Fehlens einer "ausreichenden" entsprechenden "Befähigung und Eignung" überließ, so ist dieser Vorwurf durch die Akten- und Rechtslage gedeckt. Nach dem § 7 Abs 4 des ArbeitnehmerschutzG dürfen zur Lenkung eines motorisch angetriebenen Fahrzeuges nämlich nur Arbeitnehmer herangezogen werden, welche "die hiefür notwendige Eignung und Ausbildung nachweisen". Daß Anton S*** jun., abgesehen von der in den Urteilsgründen erwähnten Fahrpraxis, insbesondere eine entsprechende Ausbildung genossen hätte, wurde nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus den Akten.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über die beiden Angeklagten nach dem § 80 StGB unter Anwendung des § 37 StGB, bei Anton S*** jun. auch der Bestimmung des § 11 Z 1 JGG, Geldstrafen, und zwar über
Anton S*** jun. im Ausmaß von 60 Tagessätzen zu 300 S und über
Anton S*** sen. im Ausmaß von 150 Tagessätzen zu 700 S. Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die bisherige Unbescholtenheit der beiden Angeklagten als mildernd.
Anton S*** sen. und Anton S*** jun. streben mit ihren Berufungen die Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze und die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.
Diesem Begehren kommt nur insoweit Berechtigung zu, als bei Anton S*** jun. trotz des Gewichtes der Unrechtsfolgen in Anbetracht seines jugendlichen Alters zur Tatzeit und des Einflusses seines ihm die Lenkung der Arbeitsmaschine überlassenden Vaters von der Rechtswohltat des § 43 Abs 1 StGB Gebrauch zu machen war. Bei Anton S*** sen. kam ein analoges Vorgehen schon im Hinblick auf die auffallende Sorglosigkeit als verantwortlicher Firmeninhaber nicht in Betracht. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, daß Anton S*** sen. nicht "nur" - wie das Erstgericht meint - eine bloße Beitragstäterschaft im Sinn des § 12, dritter Fall, StGB, sondern eine eigenständige, ihn persönlich treffende Sorgfaltswidrigkeit zur Last fällt (vgl. hiezu Leukauf-Steininger2, RN 45 zu § 12 StGB; Burgstaller in RZ 1975, S 30).
Die relevierte Zahl der Tagessätze wurde vom Schöffengericht nach Lage des Falles ohnehin gering bemessen. Für eine weitere Herabsetzung bestand bei beiden Angeklagten kein Anlaß. Es war daher spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)