OGH 11Os50/06x

OGH11Os50/06x20.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gebhart als Schriftführer, in der Strafsache gegen Arno St***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Krems an der Donau vom 16. März 2006, GZ 16 Hv 23/06w-59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Mag. Fuchs, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Lepsinger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten, nicht aber jener der Staatsanwaltschaft, wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 10 (zehn) Jahre herabgesetzt.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Arno St***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 19. August 2005 in Kautzen Alexander Sch***** durch das Versetzen eines Schlages mit einem Spaten auf dessen Kopf vorsätzlich getötet.

Die Geschworenen bejahten die anklagekonforme Hauptfrage nach Mord und ließen demnach folgerichtig die Eventualfragen I bis III nach Totschlag, absichtlicher schwerer Körperverletzung (§ 87 Abs 1, Abs 2 letzter Fall StGB) und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, in der das Unterbleiben einer Eventualfrage nach Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB kritisiert wird, ist nicht berechtigt.

Dem Beschwerdestandpunkt folgend wäre die begehrte Fragestellung indiziert gewesen, weil nach den Angaben des Nichtigkeitswerbers „vor der Polizei" die Tat auf „Kurzschlusshandlung, Black-out oder Ähnliches" zurückzuführen, ihm der Grund dafür nicht genau bekannt, er nach dem Schlag gegen Sch***** etwa eine Minute ohnmächtig gewesen, nach der polizeilichen Vernehmung kollabiert und bei ihm ein krampfartiger Zustand mit fehlender Kontaktierbarkeit aufgetreten sei, überdies von einer Alkoholisierung von 2,3 ‰ zur Tatzeit und zufolge Einnahme eines Medikaments von einer wesentlich stärkeren Wirkung des Alkohols beim Angeklagten „bis hin zur völligen Berauschung" auszugehen wäre. Zudem wird in der Rüge auf Passagen in der Verantwortung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung verwiesen, wonach er die „Nerven verloren" bzw ein „Black-out" gehabt und er zu viel getrunken gehabt habe, er sich an den Vorfall nicht erinnern könne, ohnmächtig geworden sei, über zwei Promille gehabt habe und „das Fass .... am Überlaufen" gewesen sei. Dieses Vorbringen ist zunächst dahin zu relativieren, dass den Rechtsmittelwerber nach seinen Angaben im Vorverfahren lautes Schimpfen und Schreien des späteren Mordopfers, mit welchem er seit Jahren im Streit lebte, in Rage gebracht und er aus diesem Grund das Tatwerkzeug an sich genommen habe (S 67/I), er mehr als sechs Stunden nach der Tat (nach der Mitteilung über seine bevorstehende Einlieferung in das landesgerichtliche Gefangenenhaus) - bei kurzfristigen krampfartigen Zuständen - kollabiert sei (S 71, 83/I) und der tataktuelle Blutalkoholwert bei 2,25 ‰ gelegen sei (vgl Protokoll über die Atemalkoholuntersuchung S 57/I). Zudem kann nach den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen der Wirkstoff Diazepam die Wirkung von Alkohol zwar verstärken, jedoch lag nach dessen weitergehender Expertise die im Blut des Angeklagten (bei einer Blutprobenerhebung etwa achteinhalb Stunden nach der Tat - S 257/I) nachgewiesene Konzentration der in Rede stehenden Substanz unterhalb des als therapeutisch betrachteten Konzentrationsbereiches (S 263/I iVm S 117/II).

Arno St***** deponierte im Vorverfahren, vor der gegen 15.00 Uhr verübten Tat Bier getrunken zu haben (S 65, 91, 119/I) und verantwortete sich in der Hauptverhandlung, zur Tatzeit alkoholisiert gewesen zu sein (S 49, 55, 73/I), stellte jedoch zu keiner Zeit einen durch übermäßigen Alkoholkonsum allein oder durch zusätzliche (die Wirkung von Alkohol verstärkende) medikamentöse Intoxikation herbeigeführten Zustand einer unkontrollierten Berauschung dar. Hält man sich weiters die überwiegend detailgetreue Rückerinnerung des Beschwerdeführers an seine Handlungen sowie die Aussage des Zeugen Franz K***** zum zielgerichteten Vorgehen des Angeklagten (S 77 ff iVm S 21 ff/II) vor Augen und bedenkt den tataktuellen Blutalkoholwert, enthalten die in der Beschwerde angeführten, in der Hauptverhandlung vorgekommenen (S 119/II) Beweisergebnisse kein Tatsachenvorbringen, das im Falle der Richtigkeit die Annahme zuließe, der Angeklagte habe die Tat in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand (vgl dazu mwN Steininger in WK² § 287 Rz 14) begangen, somit kein tatsächliches Substrat für die Stellung einer Eventualfrage nach § 287 Abs 1 StGB, weshalb in deren Unterbleiben auch keine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (§ 314 StPO) erblickt werden kann. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur - zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von vierzehn Jahren, wobei es als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und die Provokation durch das Opfer, als erschwerend keinen Umstand wertete.

Von den mit gegensätzlichem Anfechtungsziel erhobenen Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten erweist sich letztere als berechtigt.

„Praktische Wehrlosigkeit" des alkoholisierten Opfers - was die Anklagebehörde als zusätzlichen Erschwerungsgrund ansieht - ist aus dem Beweisverfahren nicht hervorgekommen, vielmehr deponierte der Zeuge K***** (S 87 f/II, 129/I) ein recht aktives Reagieren Sch*****s auf den ersten Angriff St*****s.

Ebenso wenig im Recht ist der öffentliche Ankläger mit dem Vorbringen, die Provokation durch das Opfer sei zu stark als mildernd gewertet worden. Im Gegenteil: die oftmaligen Verbalattacken (vgl etwa S 35 ff/I) gegen Mitglieder der Familie, der Sch***** (nach eigener früherer Angabe - S 43/I) viel verdankt, stellen sich als besonders unangebracht und somit berechtigten Unmut zu erregen geeignet dar. Die von der Verteidigung angestrebte Zubilligung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 8 StGB scheidet allerdings zufolge der Entscheidung der Geschworenen aus (Moos in WK² § 76 Rz 60).

Der aktuelle, zum Tod des Opfers führende Kausalverlauf (Lungenentzündung zwei Monate nach der Tat - S 107 f/II) mildernd wirken, weil ein Schlag mit einem Spaten gegen den Kopf die schwere, letztlich für das Versterben kausale Verletzung (Bruch des zweiten Halswirbels mit Quetschung des Rückenmarkes und demzufolge schlagartige Reflexlosigkeit - S 107/II) keinesfalls als außergewöhnlich erscheinen lässt.

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens ist dem Angeklagten der Gebrauch berauschender Mittel nicht zum Vorwurf zu machen, ihm sohin der Milderungsgrund des § 35 StGB zugute zu halten (Ebner in WK² § 35 Rz 4 - 7).

Der Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 17 StGB liegt der Argumentation des Berufungswerbers zuwider nicht vor, weil dieser einen Vorsatz auf schwere Verletzung oder Tötung bestritt (S 47/II) und seine übrige Verantwortung (Zugestehen zweier Schläge mit dem Spaten [S 49 ff/II]) angesichts der übrigen Beweisergebnisse (Zeuge K***** S 77 ff/II; Sachverständigengutachten S 103 ff/II) keinen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung zu leisten geeignet war.

Zufolge der ergänzten besonderen Strafzumessungsgründe und bei Bedacht auf die in § 32 Abs 2, Abs 3 StGB genannten Schuldkriterien war die Unrechtsfolge auf die gesetzliche Mindeststrafe zu reduzieren

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