OGH 11Os42/12d

OGH11Os42/12d24.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rudolf H***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 10. Jänner 2012, GZ 37 Hv 88/11h-119, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das unbekämpft in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche (verfehlt auch von der rechtlichen Kategorie - vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1) enthält - wurde Rudolf H***** jeweils des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB (I. 1. und III. 1.), des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 (ergänze: Abs 1) Abs 3 erster Fall und der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II.), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I. 2. und III. 2.), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (IV.) und der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 (ergänze: Z 1) StGB (V.) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 206 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren verurteilt.

Danach hat er in Linz

I. von etwa Sommer 2008 bis September 2009 (in den Sommermonaten in beinahe täglichen Angriffen)

1. mit der am 11. Juni 2002 geborenen, sohin unmündigen Lea P***** den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen in einer Vielzahl von Angriffen unternommen, indem er ihre Scheide betastete und Finger in ihre Scheide einführte sowie ihren äußeren und inneren Scheidenbereich mit seiner Zunge berührte und schleckte,

2. außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 11. Juni 2002 geborenen, sohin unmündigen Lea P***** vorgenommen und an sich vornehmen lassen, indem er sie wiederholt im Genitalbereich berührte und sie zur Vornahme von Handverkehr an ihm bis zum Samenerguss bzw zum Berühren seines Geschlechtsteils veranlasste,

wobei die unter I. 1. und I. 2. geschilderten Taten bei der unmündigen Lea P***** eine an sich schwere und länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung (mit ua Angstzuständen - US 7) zur Folge hatten;

II. von etwa Sommer 2008 bis September 2009 in wiederholten Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 7. September 2004 geborenen, sohin unmündigen Emily P***** vorgenommen und an sich vornehmen lassen, indem er sie wiederholt im Genitalbereich betastete und sie veranlasste, seinen Penis mit der Hand zu berühren, wobei diese Taten bei der unmündigen Emily P***** eine an sich schwere und länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer psychischen Belastungsreaktion und einer nach ICD-10 diagnostizierten Anpassungsstörung verbunden mit ängstlichem und autoaggressivem Verhalten in der Dauer von deutlich mehr als einem Monat zur Folge hatten;

III. von Sommer 2008 bis Anfang Jänner 2010 in zahlreichen Angriffen

1. mit der am 25. Juli 2002 geborenen, sohin unmündigen Marion S***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie wiederholt im Genitalbereich betastete und einen Finger in ihre Scheide einführte,

2. außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 25. Juli 2002 geborenen, sohin unmündigen Marion S***** vorgenommen und an sich vornehmen lassen, indem er sie wiederholt im Brust- und Genitalbereich streichelte und betastete sowie zum Handverkehr an ihm bis zum Samenerguss und zum Betasten seines Geschlechtsteils veranlasste,

wobei die unter III. 1. und III. 2. geschilderten Taten bei der unmündigen Marion S***** eine an sich schwere und länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung (mit ua Angstzuständen - US 6) zur Folge hatten;

IV. durch die unter I. bis III. genannten Taten an minderjährigen Personen, die seiner Aufsicht unterstanden, unter Ausnützung dieser Stellung geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen;

V. von Sommer 2008 bis September 2009 pornographische Darstellungen von unmündigen (und) minderjährigen Personen (§ 207a Abs 4 Z 1 und Z 3 lit b StGB) hergestellt, indem er den Genitalbereich der am 11. Juni 2002 geborenen, sohin unmündigen Lea P***** und die Vornahme von geschlechtlichen Handlungen (Beischlaf, Handverkehr, angedeuteter Oralverkehr) mit Lea P***** mit seiner Digitalkamera fotografierte sowie Videos von den sexuellen Übergriffen herstellte, auf seinem PC abspeicherte und die Dateien Lea P***** und Emily P***** unter anderem während sexueller Missbrauchshandlungen vorführte.

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO.

Rechtliche Beurteilung

Das bei der Strafbemessung zu berücksichtigende Doppelverwertungsverbot ergibt sich aus der in § 32 Abs 2 erster Satz StGB enthaltenen Anordnung, Erschwerungs- und Milderungsgründe nur soweit bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen („gegeneinander abzuwägen“) als sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 711).

Dagegen hat das Erstgericht dem Beschwerdevorbringen zuwider nicht verstoßen, indem es neben der Verurteilung wegen des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (IV.) als erschwerend „die besondere Heimtücke im Sinne des § 33 Z 6 StGB annahm, mit der der Angeklagte das Vertrauen der Kinder (aber auch deren Eltern) erschlich, um sich sodann an seinen Opfern vergehen zu können, und mit der der Angeklagte sexuelle Handlungen zumindest an Lea P***** durch 'kindgerechte Gegenleistungen', nämlich die daran geknüpfte Gabe von Eis, erwirkte“ (US 13). Denn diese Umstände sind kein Tatbestandsmerkmal des § 212 Abs 1 Z 2 StGB (s 14 Os 37/08k, RZ 2009, 18 EÜ 54). Im Übrigen ist das Erschleichen eines Vertrauens keineswegs ein punktueller oder statischer Vorgang, sodass die behauptete Änderung der Sexualpräferenz des Angeklagten bei bereits bestehendem Vertrauen genauso wenig von Bedeutung ist wie die von der Gattin des Rechtsmittelwerbers (vorsatzlos) gesetzten Aktivitäten zum Aufenthalt der Kinder im Naheverhältnis (auch) des Beschwerdeführers.

Als disloziertes Vorbringen zur Berufung (die lediglich auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde verweist) zeigen sich die Forderungen nach Berücksichtigung der überlangen Verfahrensdauer, der pädophilen Neigung des Angeklagten und dessen Bemühung um Therapierung, des Verlusts des Arbeitsplatzes, des Aufgebens des Wohnorts und der psychischen Beeinträchtigung der Gattin des Rechtsmittelwerbers sowie der stärkeren Gewichtung dessen Geständnisses.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Dieses wird die dem Konfiskationsausspruch US 4 (dazu US 9, 10) anhaftende - vom Angeklagten nicht aufgegriffene - Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO (die Strafe der Konfiskation nach § 19a StGB war zur Tatzeit gesetzlich noch nicht vorgesehen - Art V BGBl I 2010/108, § 1 Abs 2 StGB) im Rahmen der Berufungsentscheidung wahrzunehmen haben (RIS-Justiz RS0122140, va [T1]).

Abschließend sei angemerkt, dass die Tatrichter entgegen den zutreffenden rechtlichen Ausführungen US 12 f Schuldsprüche (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen weiterer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (zu I. 1. und III. 1.) nicht fällten (vgl ON 118 S 15).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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