OGH 11Os40/03

OGH11Os40/0329.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. April 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Burtscher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen György Sandor M***** wegen der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 16. Jänner 2003, GZ 418 Hv 2/02p-235, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde György Sandor M***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (I./1./ und 2./), des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II./1./) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (II./2./) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

I./ Nachgenannte jeweils im Zuge homosexueller Aktivitäten

vorsätzlich getötet, und zwar

1./ nachts zum 6. Oktober 1997 Gerhard D*****, indem er ihm eine 1,5 m lange Metallgliederkette um den Hals schlang, sich auf seine linke Brustkorbhälfte kniete und ihn erdrosselte;

2./ am 30. November oder 1. Dezember 1998 Johann St*****, indem er ihm mit einem harten Gegenstand und einem mehrzinkigen Instrument mehrere Schläge auf den Kopf versetzte, ihn mit der eigenen um den Hals geschlungenen Krawatte drosselte und schließlich erwürgte; II./ Nachgenannten mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar

1./ nachts zum 6. Oktober 1997 Gerhard D***** durch die zu I./1./ angeführten Gewalthandlungen verschiedene näher angeführte Gebrauchs- und Wertgegenstände sowie Bargeld;

2./ am 30. November oder 1. Dezember 1998 Johann St***** durch die zu I./2./ angeführten Gewalthandlungen unter Verwendung der dort bezeichneten Waffen verschiedene näher angeführte Gebrauchs- und Wertgegenstände sowie Bargeld.

Die Geschworenen hatten stimmeneinhellig die nach den Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB gestellten Hauptfragen bejaht und folgerichtig die Eventualfragen in Richtung § 143 letzter Fall StGB sowie § 164 Abs 1, 2 und 4 letzter Fall StGB unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6 (richtig: 8) und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl.

Die Verfahrensrüge (Z 5) kritisiert die Abweisung des Antrags auf Vernehmung mehrerer zum Beweis dafür namhaft gemachter Zeugen, dass sich der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht in Österreich, sondern in Bratislava befunden habe (S 167/VI). Der Schwurgerichtshof durfte dies mit zutreffender Begründung - mit der sich die Beschwerde nicht auseinandersetzt - ablehnen (S 231 f/VI), zumal bei Antragstellung nicht dargetan wurde, weshalb bei gegebener Sachlage die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse, somit nur die Einholung eines Erkundungsbeweises begehrt worden ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327, 330, 353). Soweit Zeugen auch zum Beweis dafür beantragt wurden, dass der Angeklagte "zu so einer Tat vom Wesen her gar nicht fähig sei", betrifft dies nicht sinnliche Wahrnehmungen, die einzig Gegenstand eines Zeugenbeweises sei können, sondern unzulässige Schlussfolgerungen oder Werturteile (Ratz aaO Rz 352, Mayerhofer StPO4 § 150 E 6b, 8). Soweit die Beschwerde die Nichterledigung eines schriftlich außerhalb der Hauptverhandlung eingebrachten Antrags bemängelt, steht ihr entgegen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 238 StPO nur ein in der Hauptverhandlung gestellter Antrag Grundlage für die Geltendmachung des behaupteten Nichtigkeitsgrundes sein kann (Ratz aaO Rz 310). Die Instruktionsrüge (richtig: Z 8) behauptet, die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung sei irreführend unvollständig gewesen. Es hätte im Rahmen der Belehrung "schon bei der Belehrung zur Hauptfrage" wegen Mordes eine Auseinandersetzung mit den "für die Begehung der Tat nach § 76 StGB bzw § 88 StGB wesentlichen Tatbestandsmerkmalen der allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung bzw. der unabsichtlichen Tötung" stattfinden müssen. Die Beschwerde ist nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, weil sie zum einen aktenwidrig davon ausgeht, es wären auch Eventualfragen in Richtung Totschlag und fahrlässiger Tötung (richtig: § 80 StGB) gestellt worden, zum anderen nicht dartut, weshalb - ungeachtet des klaren Gesetzeswortlauts (§ 321 Abs 2 StPO), demzufolge die Rechtsbelehrung nur zu tatsächlich gestellten Fragen zu erfolgen und nur eine Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung sowie eine Auslegung der in der Frage vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes zu enthalten hat - das Fehlen der begehrten Erläuterung eine irreführende Unvollständigkeit bewirke (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65). Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag (zu I./2./) mit dem Hinweis auf eine am Tatort gefundene nicht dem Angeklagten zuordenbare DNA-Spur sowie mit der Behauptung, die im Rahmen der Verfahrensrüge genannten Zeugen hätten auch von Amts wegen vernommen werden müssen, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen.

Die Äußerung des nunmehrigen Wahlverteidigers gemäß § 35 Abs 2 StPO versucht bloß in prozessual unzulässiger Weise in der Nichtigkeitsbeschwerde unterlassenes Vorbringen - einschließlich Ausführungen zu einer im Rechtsmittel inhaltlich gar nicht geltend gemachten Fragenrüge (Z 6) - nachzuholen (Mayerhofer StPO4 § 35 E 1). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

Anzumerken bleibt, dass die zu I./1./ und II./1./ verwendete 1,5 m lange Metallgliederkette nach ihrer festgestellten Wirkungsweise einer Waffe im technischen Sinn gleichkommt und daher dem Waffenbegriff des § 143 zweiter Fall StGB zu unterstellen gewesen wäre (vgl Eder-Rieder in WK2 § 143 Rz 18). Da die Nichtannahme der genannten Qualifikation zu II./1./ jedoch zum Vorteil des Angeklagten wirkte und von der Anklagebehörde unbekämpft blieb, kann dies auf sich beruhen.

Zur Entscheidung über die Berufung ist die Zuständigkeit des Gerichtshofs zweiter Instanz gegeben (§§ 344, 285i StPO). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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