OGH 11Os39/18x

OGH11Os39/18x28.8.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen D***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 14. November 2017, GZ 36 Hv 88/17m‑31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00039.18X.0828.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde D***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (II./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (IV./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, und zwar

1./ zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Mitte 2004 und September 2005 in G***** dadurch, dass er sich von seinem am ***** 2002 geborenen Sohn V***** mit der Hand am nackten (US 3) Penis intensiv (US 3 f) berühren ließ,

2./ zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen September 2010 und April 2012 in G***** (US 3) dadurch, dass er sich von seiner am ***** 2005 geborenen Tochter S*****, seinem am ***** 2006 geborenen Sohn L*****, seiner am ***** 2008 geborenen Tochter M***** und seiner am ***** 2010 geborenen Tochter So***** mit der Hand am nackten (US 3) Penis intensiv (US 3 f) berühren ließ,

II./ durch die unter I./ angeführten Taten von mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Personen eine geschlechtliche Handlung an sich vornehmen lassen,

III./ im Sommer 2016 in G***** M***** dadurch, dass er sie an den Oberarmen erfasste und aus dem Auto zerrte, mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen eines Pkw genötigt,

IV./ durch die unter III./ angeführte Tat M***** am Körper misshandelt und dadurch zumindest fahrlässig in Form von Petechien am rechten Oberarm verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Kritik der gegen die Schuldsprüche I./ und II./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter die Urteilsannahmen zu Intensität und Dauer des Kontakts zwischen dem Geschlechtsteil des Angeklagten und dem Körper der Opfer mängelfrei begründet:

So stützte das Schöffengericht die Feststellung, wonach V***** den nackten Penis seines Vaters nicht bloß flüchtig, sondern mit einiger Intensität bzw intensiv berührte (vgl US 3 vierter Absatz, US 4 zweiter Absatz), auf die Angaben der Zeugin H***** über die von ihr wahrgenommene Erektion des Angeklagten während des Badens mit seinem Sohn und das ihr sodann vom Angeklagten berichtete Anfassen seines Penis durch das Kind sowie auf die Aussage der Zeugin Ma*****, wonach ihr Mann ihr erzählt habe, dass V***** einmal den Penis seines Vaters habe entdecken wollen und dies zu einer Erektion geführt habe (US 8 zweiter Absatz iVm US 5 ff).

Die Konstatierung, wonach S*****, L*****, M***** und So***** den nackten Penis ihres Vaters jeweils nicht bloß flüchtig, sondern intensiv anfassten bzw berührten (US 3 letzter Absatz, US 4 zweiter Absatz), erschloss das Erstgericht logisch und empirisch einwandfrei aus den Angaben des Angeklagten, wonach jedes seiner vier Kinder beim gemeinsamen Baden seinen Penis angefasst und dieser anzuschwellen begonnen habe, in Verbindung mit der Aussage der Zeugin Ma***** über die von ihr wahrgenommene Erektion ihres Mannes während des Badens mit den Kindern (US 8 letzter Absatz iVm US 5 ff).

Der Einlassung des Angeklagten (ON 30 S 5) ist gerade nicht zu entnehmen, dass er „unverzüglich“ abwehrend oder auf Beendigung zielend den Berührungen durch seine Kinder entgegentrat, sondern erst nachdem das „Hingreifen“ durch vier Kinder bereits zum Anschwellen des Gliedes des Vaters führte. Mit Blick auf die Einordnung von § 207 Abs 1 zweiter Fall StGB als echtes Unterlassungsdelikt (Philipp in WK2 StGB Rz 4; Hinterhofer, SbgK Rz 4 – je zu § 207 mit Erwähnungen der im Schrifttum vertretenen anderen Meinungen) bedurfte es keiner gesonderten Erörterung der erwähnten Aussagepassage. Das „Lassen“ in § 207 Abs 1 StGB ist eben als rein passiv zu verstehen (iSv „zu‑lassen“ und nicht „veran‑lassen“); anders demgegenüber das „Verleiten“ (in zB § 207 Abs 2 StGB).

Dass dem Rechtsmittelwerber die tatrichterlichen Erwägungen nicht überzeugend erscheinen und aus den Verfahrensergebnissen auch andere Schlüsse gezogen werden könnten, stellt keine Nichtigkeit im Sinn der Z 5 dar.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand zuwider (Z 5 vierter Fall) haben die Tatrichter ihre Überzeugung vom Vorliegen der subjektiven Tatseite in Bezug auf die Schuldsprüche I./ und II./ (US 4 zweiter Absatz) methodisch einwandfrei (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452) aus dem objektiven Tatgeschehen, nämlich dem intensiven, zu einer Erektion führenden Anfassen des nackten Penis des Angeklagten durch seine Kinder (im Alter von maximal sieben Jahren [US 3 f]), und der allgemeinen Lebenserfahrung abgeleitet (US 9 erster und zweiter Absatz).

Indem der Beschwerdeführer die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter kritisiert, diesen eigene Überlegungen gegenüberstellt und unter Wiederholung seiner – jegliche sexuelle Tendenz in Abrede stellenden (ON 30 S 3 „für mich ... keinen Sexualbezug“; vgl Philipp in WK2 StGB § 202 Rz 9), vom Schöffengericht jedoch als unglaubwürdig verworfenen (vgl US 8 f) – Verantwortung für seinen Standpunkt günstigere Schlüsse zieht, zeigt er formelle Begründungsmängel in der Bedeutung der Z 5 nicht auf, sondern wendet sich bloß unzulässig gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die gegen die Schuldsprüche I./ und II./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zum „Zulassen der Vornahme geschlechtlicher Handlungen von unmündigen bzw minderjährigen verwandten Personen durch den Angeklagten an sich“. Sie orientiert sich jedoch nicht– wie bei Geltendmachung materiell-rechtlicher Nichtigkeit erforderlich (RIS‑Justiz RS0099810) – an der Gesamtheit der Urteilsannahmen, wonach D***** das nicht bloß flüchtige, sondern intensive, zu einer Erektion führende Anfassen seines nackten Penis durch seine unmündigen Kinder jeweils „sinnlich in Form einer intensiven Berührung seines Penis wahr[nahm]“, „diese Geschehen jeweils sexualbezogen“ bzw als geschlechtliche Handlung erfasste und „dennoch handelte“ (US 3 f; iVm US 1, 2), womit die Tatrichter unmissverständlich zum Ausdruck brachten, dass der Angeklagte trotz Erkennens des Sexualbezugs des Körperkontakts aus seiner Passivität nicht heraustrat (vgl Philipp in WK² StGB § 207 Rz 4 f). Welche über diese Feststellungen hinausgehenden Konstatierungen für die rechtsrichtige Subsumtion erforderlich sein sollen, erklärt die Beschwerde nicht (vgl RIS‑Justiz RS0116569).

Indem die Diversionsrüge (Z 10a) nicht auf Basis des gesamten Urteilssachverhalts, sondern bloß zu den Schuldsprüchen III./ und IV./ unter der Prämisse eines „Wegfalls der Fakten I./ und II./“ argumentiert, verfehlt sie die Anfechtungskriterien des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0124801, RS0119091; vgl ferner zur Unzulässigkeit einer Sanktions- und Reaktionskumulierung Schroll, WK‑StPO § 198 Rz 47 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – wie schon die Generalprokuratur zutreffend ausführte, aber entgegen der zu deren Stellungnahme erstatteten Äußerung des Verteidigers – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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