OGH 11Os38/04

OGH11Os38/0429.6.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Felbab als Schriftführerin, in der Strafsache gegen August W***** und einen anderen Angeklagten wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 30. Oktober 2003, GZ 32 Hv 44/02a-123, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen betreffend die K*****GesmbH (I/1, II/1, III/1) und die B*****GesmbH (II/2) sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an der Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche enthält, wurde August W***** der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I), nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (II) und nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG (III) schuldig erkannt. Danach hat er im Bereich des Finanzamtes Melk und des Finanzamtes für Körperschaften in Wien

I. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht durch Abgabe unrichtiger Steuererklärungen, sodass Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, nicht oder zu niedrig festgesetzt wurden, sowie Abgaben, die selbst zu berechnen sind, nicht entrichtet wurden, vorsätzlich eine Verkürzung nachstehender Abgaben bewirkt, und zwar

1) als tatsächlicher Machthaber der K*****GesmbH an

  1. a) Umsatzsteuer 1992: 89.102.- S; 1993: 90.453.- S,
  2. b) Kapitalertragssteuer 1992: 7.778.- S,

    2) als Einzelunternehmer der August W***** an Umsatzsteuer 1989:

    1.487.199.- S; 1990: 444.605.- S,

    II. unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar

    1. 1) als tatsächlicher Machthaber der K*****GesmbH 1994: 20.286.- S,
    2. 2) als tatsächlicher Machthaber der B*****GesmbH 1992: 260.000.- S,

      III. unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von nach § 76 EStG 1988 entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung nachstehender Abgaben bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar

      1) als tatsächlicher Machthaber der K*****GesmbH

  1. a) Lohnsteuer 1992: 72.902.- S; 1993: 74.007.- S; 1994: 10.584.- S,
  2. b) Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe 1992:

    32.545.- S; 1993: 33.039.- S; 1994: 7.088.- S,

    2) als Einzelunternehmer der August W*****

  1. a) Lohnsteuer 1989: 1,013.999.- S; 1990: 303.140.- S,
  2. b) Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe 1989:

    452.678.- S; 1990: 135.330.- S.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie ist teilweise im Recht.

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5) zu den die K*****GesmbH betreffenden Fakten (I/1, II/1, und III/1) auf, dass das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung zur entscheidungswesentlichen Feststellung der Machthaberstellung des Angeklagten in diesem Unternehmen die mit dieser Annahme nicht in Einklang stehenden Ausführungen des durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingebrachten (S 19/VII) schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. K***** (S 285 f/VI) mit Stillschweigen übergangen hat. Weil nicht auszuschließen ist, dass die Tatrichter bei Berücksichtigung auch dieses Beweismaterials zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis gekommen wären, zwingt die vorliegende Unvollständigkeit der Begründung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421) zur Kassierung der betroffenen Schuldsprüche und zur Verfahrenserneuerung in diesem Umfang.

Hingegen schlägt die Mängelrüge zu den das Einzelunternehmen August W***** betreffenden Fakten (I/2 und III/2) fehl. Soweit sie bemängelt, dass die Tatrichter die Aussagen des ehemaligen Mitangeklagten und späteren Zeugen Siegfried H***** zur behaupteten Existenz der L*****GesmbH als unglaubwürdig verworfen haben, und die Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" reklamiert, macht sie keine Begründungsmängel geltend, sondern erschöpft sich in einer in diesem Rahmen unzulässigen Kritik an der erstrichterlichen Beweiswürdigung. Einer detaillierten Erörterung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. K***** über die theoretische Möglichkeit, dass eine Gesellschaft dieses Namens bereits vor Einführung des elektronischen Firmenregisters amtswegig gelöscht worden sei (S 438/VI), bedurfte es schon deshalb nicht, weil hieraus kein für den Angeklagten positiver Beweiswert ableitbar wäre, zumal das Schöffengericht seine Feststellungen über die Nichtexistenz eines solchen Unternehmens in erster Linie auf das Fehlen jeglicher Unterlagen bei den in Frage kommenden Gebietskrankenkassen gestützt hat (US 27).

Im Recht ist die Rüge nach Z 9 lit b zum die B*****GesmbH betreffenden Faktum II/2. Denn dem Urteil sind keine geeigneten Feststellungen zu entnehmen, die eine Überprüfung der vom Erstgericht vorgenommenen rechtlichen Beurteilung, wonach der Strafaufhebungsgrund des § 29 FinStrG bezüglich dieser Tat nicht vorgelegen sei (US 28), ermöglichten. Zutreffend zeigt die Beschwerde in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien für eine strafbefreiende Selbstanzeige (Sachverständiger Dr. K***** S 153/VI, 18/VII; Zeugin Maria L***** S 504f/VI) auf, die entsprechende Konstatierungen erforderlich gemacht hätten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600). Dieser Feststellungsmangel zwingt zur Aufhebung des Schuldspruchs und Anordnung der Verfahrensneudurchführung auch in diesem Punkt.

Die Rechtsrüge nach Z 9 lit a zu den das Einzelunternehmen August W***** betreffenden Fakten (I/2, und III/2) ist nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, weil sie sich mit der Behauptung von "Feststellungsmängeln" in einer ausschließlichen Wiederholung ihres diesbezüglichen Vorbringens im Rahmen der Mängelrüge erschöpft und somit neuerlich zum einen nur einen Begründungsmangel behauptet, zum anderen die Beweiswürdigung bekämpft.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher teilweise Folge zu geben und das angefochtene Urteil im bezeichneten Umfang aufzuheben (§ 285e StPO). Im Übrigen war sie - der Äußerung nach § 35 Abs 2 StPO zuwider - teilweise als offenbar unbegründet, teilweise als nicht gesetzmäßig ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§285d StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.

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