OGH 11Os35/19k

OGH11Os35/19k28.5.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz‑Hummel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Korner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Johannes E***** und weitere Angeklagte wegen der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 34 Hv 119/17y des Landegerichts Leoben, über die Anträge 1./ des Dr. E***** und 2./ der Mag. Klaudia H***** auf Erneuerung des Verfahrens in Bezug auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 4. Oktober 2018, AZ 10 Bs 252/18m (ON 175 in den Hv‑Akten) sowie deren Anträge auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00035.19K.0528.000

 

Spruch:

Die Anträge werden zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Leoben vom 28. November 2017, AZ 4 St 53/17v, werden Dr. Johannes E***** als die Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 12 zweiter Fall, 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (I./1./) und des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten nach §§ 12 zweiter Fall, 120 Abs 2 StGB (iVm § 1 Abs 1 Z 12 MedienG; XI./), Mag. Klaudia H***** als die Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB und des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten nach §§ 12 zweiter Fall, 120 Abs 2 StGB beurteilte Taten zur Last gelegt.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2018, GZ 5 Hv 23/18a‑159, schloss das Landesgericht für Strafsachen Graz, bei dem das Verfahren zwischenzeitig anhängig war, gemäß § 60 Abs 1 StPO Dr. E***** als Verteidiger der Mitangeklagten Mag. H***** und Johannes W***** aus (I./) und wies die von Dr. E***** sowie den von ihm (bis dahin) vertretenen Personen mehrfach gestellten Anträge, den Strafantrag „gemäß § 451 Abs 2 StPO“ zurückzuweisen, als unzulässig zurück (III./).

Mit Beschluss vom 4. Oktober 2018, AZ 10 Bs 252/18m (ON 175), gab das Oberlandesgericht Graz als Beschwerdegericht der Beschwerde des Rechtsanwalts Dr. E*****, soweit sie sich gegen seinen Ausschluss als Verteidiger richtet, nicht Folge; im Übrigen wies es dessen Beschwerde sowie die im Namen der Angeklagten W***** und Mag. H***** eingebrachten Beschwerden zurück.

 

Rechtliche Beurteilung

Zu 1./:

Dagegen und gegen eine Reihe einzeln bezeichneter Vorgänge richtet sich der – mit einem Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung verbundene – Erneuerungsantrag des sich selbst vertretenden Angeklagten Dr. E*****.

Gemäß § 61 Abs 1 Z 7 StPO muss der Beschuldigte (Angeklagte) bei der Ausführung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens und beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über einen solchen (§§ 363a Abs 2 und 363c StPO) durch einen Verteidiger vertreten sein.

Nach der Definition des § 48 Abs 1 Z 5 StPO ist der Verteidiger eine vom Angeklagten (Z 3 leg cit) verschiedene Person. Das gilt auch dann, wenn der Angeklagte selbst Rechtsanwalt ist. In Ermangelung einer Ausnahmebestimmung (vgl § 28 Abs 1 ZPO) kann daher ein Angeklagter, obwohl er Rechtsanwalt ist, nicht für sich selbst als Verteidiger einschreiten (vgl RIS‑Justiz RS0116566; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 6.78).

Zu 2./:

Der von der Angeklagten Mag. H***** erhobene Erneuerungsantrag richtet sich gegen die Ausschließung ihres Verteidigers Dr. E*****, die Zuständigkeit des Landesgerichts Leoben, die Ladung zur Hauptverhandlung (vermeintlich) ohne Prüfung des Strafantrags (des eingangs erwähnten und eines weiteren vom 21. Oktober 2018) gemäß § 485 StPO sowie die Nichtvorlage des Akts an den Verfassungsgerichtshof.

Auch dieser Antrag ist unzulässig.

In Ansehung des Beschlusses des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 10. Juli 2018, AZ 5 Hv 23/18a, mit welchem der unter einem angeklagte Dr. E***** als Verteidiger der Angeklagten ausgeschlossen wurde, mangelt es an einer vertikalen Erschöpfung des Instanzenzugs im Sinn des Art 35 Abs 1 MRK (vgl RIS‑Justiz RS0122737 [T13]).

Die Erneuerungswerberin hat zwar durch ihren früheren Verteidiger Dr. E***** Beschwerde gegen diesen Beschluss erhoben, mangels Vertretungskompetenz desselben (s den oben erwähnten Entscheidungsteil) jedoch nicht wirksam, weshalb ihre Beschwerde vom Oberlandesgericht Graz als Beschwerdegericht zurückgewiesen wurde (ON 175).

Eine nach der jedenfalls am 19. Februar 2019 durch persönliche Übernahme erfolgten Zustellung der Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 10. Juli 2018 (ON 159) und des Oberlandesgerichts Graz vom 4. Oktober 2018 (ON 175) erhobene Beschwerde der Angeklagten Mag. H***** gegen den erstgenannten Beschluss wurde – zwecks Dartuung der Ausschöpfung des Rechtswegs – ebenso wenig vorgebracht wie eine diesbezügliche Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht. Die für die Zulässigkeit eines Erneuerungsantrags erforderliche Ausschöpfung des Instanzenzugs hinsichtlich des Strafantrags vom 21. Oktober 2018 wird nicht einmal behauptet.

Ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens kann auch im erweiterten Anwendungsbereich des § 363a StPO – dessen Wortlaut folgend – nur wegen einer Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle gestellt werden (RIS‑Justiz RS0132365). Auf Behauptungen der Verletzung von anderswo statuierten Grundrechten ist daher nicht einzugehen.

Der Einwand der Unzuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts Leoben ist somit meritorischer Erledigung ebenso wenig zugänglich wie die Kritik der Erneuerungswerberin, als Angeklagte zur Hauptverhandlung geladen worden zu sein, ohne dass das Gericht die nach § 485 Abs 1 StPO erforderliche (Vor‑)Prüfung des Strafantrags vorgenommen hätte. Überdies indiziert die Anordnung der Hauptverhandlung gemäß § 485 Abs 1 Z 4 StPO, dass das Gericht die Rechtswirksamkeit des Strafantrags als Voraussetzung für die Einleitung des Hauptverfahrens bejaht hat (vgl 15 Ns 3/15g; 11 Ns 3/19h, 11 Ns 29/18f).

Im Übrigen ist – unbeschadet des (Grund-)Rechts auf Entscheidung innerhalb angemessener Frist – weder aus Art 6 MRK noch aus Art 13 MRK ein Anspruch des Angeklagten – worauf das weitwändige Vorbringen aber im Wesentlichen abzielt – auf ohne Durchführung einer Hauptverhandlung erfolgende Entscheidung über eine strafrechtliche Anklage ableitbar.

Wieweit die (Nicht‑)Annahme eines Medieninhaltsdelikts (im Zusammenhang mit einer „privaten Facebook‑Nachricht“) die Verfahrensfairness zu tangieren vermag, bleibt ebenso im Dunkeln wie die behauptete Verletzung des Eigentumsrechts mit Bezug auf erst im Hauptverfahren zu würdigende angebliche Besitzstörungen.

Zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofs wegen der nach der Strafprozessordnung nicht vorgesehenen Anfechtbarkeit der – implizit durch die Anordnung der Hauptverhandlung erfolgten – Entscheidung des Einzelrichters über die Zulässigkeit des Strafantrags einschließlich seiner eigenen örtlichen Zuständigkeit (§ 485 Abs 1 StPO) besteht keine Veranlassung (im Übrigen dazu: RIS‑Justiz RS0130514; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 597 und § 285j Rz 4 bis 6).

Die Anträge auf Erneuerung des Verfahrens waren folglich zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 1, Z 3 StPO).

Demgemäß erübrigt sich ein Eingehen auf die Anträge auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung.

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