OGH 11Os31/20y

OGH11Os31/20y12.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der FI Ponath als Schriftführerin in der Strafsache gegen Danijel M***** (geboren am 8. März 1994) wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a zweiter Fall SMG, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien und einen zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a StPO vom 2. Oktober 2018 (GZ 41 Hv 48/18d-9), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Leitner, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00031.20Y.0512.000

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 41 Hv 48/18d des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzen

1./ der Strafausspruch des Urteils vom 2. Oktober 2018 § 33 Abs 1 Z 2 StGB;

2./ der Beschluss auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung der zu AZ 122 Hv 37/16d des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten Probezeit § 53 Abs 1, Abs 3 StGB sowie § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO.

Das genannte Urteil, das im Ausspruch über die Einziehung von Suchtgift unberührt bleibt, wird im Übrigen aufgehoben und die Sache insoweit an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu neuer Verhandlung und Entscheidung verwiesen.

Der zugleich mit dem Urteil ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf der zu AZ 122 Hv 37/16d des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der betreffenden Probezeit wird ersatzlos aufgehoben.

 

Gründe:

Mit – gekürzt ausgefertigtem und am 5. Oktober 2018 in Rechtskraft erwachsenem – Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. Oktober 2018, GZ 41 Hv 48/18d‑9, wurde der in Wien am 8. März 1994 geborene serbische Staatsangehörige Danijel M***** (ON 9 S 1 iVm ON 3 S 1 und ON 2 S 1) des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a zweiter Fall SMG schuldig erkannt und zu einer – für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen – Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Bei der Strafbemessung wertete das erkennende Gericht das Bestehen von „zwei einschlägige[n] Vorstrafen“ als erschwerend (ON 9 S 5).

Zugleich fasste es den Beschluss, „vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zur Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen zu AZ 122 Hv 37/16d […] gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB“ abzusehen und „gemäß § 494a Abs 6 StPO die Probezeit auf fünf Jahre“ zu verlängern (ON 9 S 3).

Zum Urteilszeitpunkt war der Angeklagte allerdings unbescholten, weil sich sowohl das von der Verlängerung der Probezeit betroffene, als auch das im Rahmen der Strafzumessung ersichtlich weiters angesprochene zweite Verfahren (AZ 153 Hv 40/13v des Landesgerichts für Strafsachen Wien) nicht auf diesen, sondern auf den gleichnamigen, am 2. März 1994 in Wien geborenen österreichischen Staatsbürger Danijel M***** bezog (vgl ON 2 S 13; ON 6).

 

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt, stehen der Strafausspruch des Urteils und der damit gemeinsam verkündete Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. Oktober 2018, GZ 41 Hv 48/18d‑9, mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach § 53 Abs 1 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe zu widerrufen, wenn der Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt wird und der Widerruf zusätzlich zur neuerlichen Verurteilung geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Wird die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung nicht widerrufen, kann das Gericht eine Probezeit, falls sie kürzer bestimmt war, bis auf höchstens fünf Jahre verlängern (Abs 3 leg cit).

Liegen die Voraussetzungen für das Absehen vom Widerruf einer bedingten Nachsicht oder bedingten Entlassung vor, so ist dies gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 4 StPO mit Beschluss auszusprechen. In einem solchen Beschluss kann das Gericht auch die betreffende Probezeit verlängern (Abs 6 leg cit).

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters (§ 32 Abs 1 StGB). Hiezu hat das Gericht die den Täter betreffenden Erschwerungs‑ und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen (Abs 2 leg cit).

Dabei ist nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB insbesondere erschwerend zu werten, wenn der Täter schon wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Tat verurteilt worden ist.

Sowohl ein Vorgehen gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO iVm § 53 Abs 1, Abs 3 StGB als auch die erschwerende Wertung einer einschlägigen Vorstrafe im Rahmen der Strafzumessung setzen demnach eine (oder mehrere) entsprechende Vor‑Verurteilungen des Angeklagten voraus.

Nach der – anhand der Bezug habenden Akten des Landesgerichts für Strafsachen Wien eindeutig auszumachenden – Tatsachengrundlage des angefochtenen Urteils (vgl 11 Os 82/19x [11 Os 83/19v]) war mit den Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. September 2016, AZ 122 Hv 37/16d, und vom 26. Juni 2013, AZ 153 Hv 40/13v, nicht der am 8. März 1994 in Wien geborene und die serbische Staatsangehörigkeit aufweisende Angeklagte Danijel M*****, sondern ein gleichnamiger, am 2. März 1994 in Wien geborener österreichischer Staatsbürger verurteilt worden (ON 2 S 13, ON 6).

Die vom erkennenden Gericht im Rahmen der Strafzumessung dennoch erfolgte Berücksichtigung dieser Urteile als für den Angeklagten erschwerend verstieß somit gegen § 33 Abs 1 Z 2 StGB; der in Bezug auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. September 2016, GZ 122 Hv 37/16d‑13, gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf und auf Verlängerung der Probezeit verletzte hingegen § 53 Abs 1 und Abs 3 StGB sowie § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO.

Die daraus resultierenden Gesetzesverletzungen wirkten sich zum Nachteil des Verurteilten aus, sodass deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung zuzuerkennen war.

Um eine gänzliche Neubeurteilung des vorliegenden Einzelfalls in Bezug auf sämtliche Diversionsvoraussetzungen (nach dem 11. Hauptstück der StPO oder nach §§ 35 Abs 2, 37 SMG) unter Berücksichtigung auch der Unbescholtenheit des Verurteilten zu ermöglichen, war nicht nur der Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), sondern auch der Schuldspruch aufzuheben (vgl § 289 StPO; RIS‑Justiz RS0119278; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 4) und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen.

Klarstellend wird schließlich darauf hingewiesen, dass – weil das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien bereits in Rechtskraft erwachsen und damit die Probezeit in Gang gesetzt worden war – der Beginn einer (im weiteren Rechtsgang allenfalls ausgesprochenen) Probezeit mit jenem Zeitpunkt festzuhalten sein wird (RIS‑Justiz RS0092039).

Vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen bedürfen keiner formellen Aufhebung (RIS‑Justiz RS0100444).

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