OGH 11Os25/21t

OGH11Os25/21t27.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Adnan H***** wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 10. Dezember 2020, GZ 8 Hv 74/20m‑52, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00025.21T.0427.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Adnan H***** der Verbrechen (richtig: des Verbrechens) der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – zusammengefasst – am 14. September 2020 in N***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gemeinsam mit Sinan K***** und drei bislang unbekannten Fahrzeugschleppern die rechtswidrige Einreise bzw Durchreise von Fremden, nämlich der beiden kosovarischen Staatsangehörigen Nazim G***** und Lirim Ha***** in bzw durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, nämlich von Ungarn nach Österreich, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gefördert.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 4, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 4 StPO setzt voraus, dass über einen in der Hauptverhandlung vom Beschwerdeführer gestellten Antrag nicht oder nicht im Sinne dieses Antrags mit Zwischenerkenntnis entschieden worden ist. Die Hintansetzung von Verfahrensgrundsätzen zum Nachteil eines Beschwerdeführers muss also durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis des erkennenden Gerichts erfolgt sein (RIS‑Justiz RS0099250).

[5] Bereits daran scheitert die Verfahrensrüge (Z 4), die das Unterbleiben einer Entscheidung über die mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020 begehrte Feststellung, „dass das Recht des Beschuldigten auf das vertrauliche Gespräch mit seinem Verteidiger [anlässlich einer Unterredung in der Justizanstalt am 24. September 2020] verletzt wurde“ (ON 17 S 2 f), kritisiert.

[6] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern (vgl RIS‑Justiz RS0118780).

[7] Mit der Behauptung, es fehle an belastbaren Nachweisen, „dass der Angeklagte (oder auch andere Personen) über 'längere Zeit' einen Zusammenschluss gebildet haben“, wendet sich die Tatsachenrüge (Z 5a, der Sache nach auch Z 10) des Angeklagten, dem eine Beteiligung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 114 Abs 4 erster Fall FPG, § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB) und nicht deren Gründung (§ 278 Abs 1 erster Fall) zur Last liegt, nicht gegen entscheidende Tatsachen (vgl Plöchl in WK 2 § 278 Rz 5 ff, 14 f, 27 ff, 45, 46).

[8] Soweit die Rüge solcherart erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen zum Vorliegen einer kriminellen Vereinigung (US 3) erwecken will, scheitert dies beim Obersten Gerichtshof – es genügt der Hinweis auf die mängelfreien Erwägungen der Tatrichter, die sich insbesondere auf eine (von den geschleppten Personen geschilderte) hoch professionelle und arbeitsteilige Zusammenarbeit mehrerer Mittäter im Zuge der Schleppung durch mehrere Länder unter Einsatz gefälschter Dokumente bezogen (US 10 f).

[9] Die – ebenso eine Ausschaltung der Qualifikation des § 114 Abs 4 erster Fall FPG anstrebende – Subsumtionsrüge (Z 10) vermisst Feststellungen, „welche zumindest drei Personen einen 'Zusammenschluss' im Sinn des § 278 Abs 2 StGB“ als Erfordernis für eine Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 3 StGB) „gebildet haben“.

[10] Sie leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS‑Justiz RS0116565), weshalb es für eine Tatbegehung des Angeklagten als Mitglied (§ 114 Abs 4 erster Fall FPG, § 278 Abs 1 zweiter Fall StGB – zur Konkurrenz vgl Plöchl in WK 2 § 278 Rz 62) an der auf entgeltliche Schleppungen von Fremden nach oder durch Länder des Schengenraums über mehrere Monate ohne gültige Reisepapiere ausgerichteten kriminellen Vereinigung entscheidend sein soll, ob sich die weiteren Mitglieder (zumindest drei unbekannte Fahrzeug- und Fußschlepper sowie Sinan K***** – vgl US 3) bereits an deren Gründung (§ 278 Abs 1 erster Fall StGB) beteiligt haben (vgl Plöchl in WK 2 § 278 Rz 27 ff, 45, 46).

[11] Mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO ist anzumerken, dass der in der Annahme zweier Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG (US 2, 15) angesichts hier vorliegender tatbestandlicher Handlungseinheit gelegene Subsumtionsfehler (vgl 11 Os 139/15y) für den Angeklagten nicht nachteilig ist, weil bei richtiger Subsumtion als erschwerend zu werten gewesen wäre, dass zwei Personen geschleppt wurden. Ein amtswegiges Vorgehen ist schon im Hinblick auf die solcherart vorliegende Fehlerkompensation nicht erforderlich (RIS‑Justiz RS0114927). Im Übrigen besteht hinsichtlich der verfehlten Subsumtion keine (dem Angeklagten zum Nachteil gereichende) Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS‑Justiz RS0118870).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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