OGH 11Os199/83

OGH11Os199/8315.2.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Helige als Schriftführer in der Strafsache gegen Otto A wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs 1 lit a und c PornG über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 28.Juli 1983, GZ 28 Vr 3.839/78- 60, erhobene Nichtigkeißsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Proksch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.April 1928 geborene Kaufmann Otto A im zweiten Rechtsgang neuerlich des Vergehens nach dem § 1 Abs 1 lit a und c PornG schuldig erkannt. Ihm wird angelastet, in der Zeit vom 2.April 1975 bis 14.Juli 1976 in Innsbruck in gewinnsüchtiger Absicht die im Urteilsspruch näher bezeichneten unzüchtigen Druckwerke teils zum Zweck der Verbreitung vorrätig gehalten und teils anderen überlassen zu haben. Von der Anklage, das Vergehen nach dem § 1 Abs 1 lit c PornG auch hinsichtlich einer Reihe weiterer Druckwerke begangen zu haben, wurde der Genannte gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Otto A mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Teilfreispruch erwuchs in Rechtskraft. Die vom Angeklagten überdies angemeldete Berufung wurde im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof zurückgezogen. Entgegenzutreten ist zunächst der Meinung des Beschwerdeführers, der im Tatbestand des § 1 PornG verwendete Begriff der Unzüchtigkeit sei unklar, nicht genügend determiniert und jedenfalls so unbestimmt, daß insofern vom Gericht ein Gesetzesprüfungsverfahren durch den Verfassungsgerichtshof zu veranlassen wäre. Denn der (Rechts-) Begriff 'unzüchtig' im § 1 PornG ist schon im Zusammenhalt mit den übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes und unter Berücksichtigung des sich daraus ergebenden Zweckes der Strafnorm einer (einheitlichen) Auslegung durch das Gericht zugänglich. Zu einer Verfahrensunterbrechung zwecks Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof besteht demnach kein Anlaß (vgl. 11 Os 17/83).

Nach der schon zur Zeit der Tat herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, an der insoweit auch in den im Ersturteil zitierten Entscheidungen verstärkter Senate festgehalten wurde (vgl. EvBl

1977/186, SSt. 51/51), sind Schriften und Abbildungen sexuellen Inhalts dann als pornographisch zu beurteilen, wenn sie eine anreißerisch verzerrte, exzessiv aufdringliche Wiedergabe geschlechtlicher Betätigungen zum Gegenstand haben. Darunter fallen insbesondere - generell und ohne Rücksicht auf den angesprochenen Personenkreis (vgl. abermals SSt. 51/51) - alle Darstellungen intensiver gleichgeschlechtlicher Sexualbetätigung, sexueller Gewalttätigkeiten, sowie von Unzuchtsakten mit Unmündigen und mit Tieren. Daß die Darstellung solcher Unzuchtsakte darüber hinaus eine qualifiziert propagandistische Wirkung entfalten müßte, wurde von der damaligen Judikatur des Obersten Gerichtshofs - zum Unterschied von später vereinzelt ergangenen, zufolge der Entscheidung des verstärkten Senates SSt. 51/51 heute nicht mehr aktuellen Entscheidungen - nicht verlangt. Enthielten daher nach den Konstatierungen des Gerichtes sämtliche vom Schuldspruch erfaßten Druckwerke auf sich selbst reduzierte und von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen losgelöste, das Obszöne betonende Darstellungen von Unzuchtsakten der oben erwähnten Art, teils in Form von Bildern, teils in Form von Beschreibungen, und zwar in zumindest fünf Fällen von sexuellen Gewalttätigkeiten auch sadistischer oder masochistischer Natur, in wenigstens zwei Fällen von Unzuchtsakten mit Tieren und in allen übrigen Fällen von Unzuchtsakten mit Personen des gleichen Geschlechts (vgl. Bd. II, S 80 d.A), so waren diese Druckwerke jedenfalls als unzüchtig im Sinn des § 1 PornG zu qualifizieren.

Der Beschwerdeführer kann sich darum nicht mit Erfolg darauf berufen, daß es ihm beim Stand der zur Tatzeit herrschenden Judikatur unmöglich gewesen sei, zwischen erlaubter und strafgesetzlich verbotener Pornographie zu unterscheiden, weshalb er den pornographischen Charakter der inkriminierten Darstellungen erst auf Grund der gegenwärtigen Auslegung des Begriffs der Unzüchtigkeit erkannt habe. In diesem Zusammenhang versagt auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs RZ 1975/73 zum Nachweis mangelnden Unrechtsbewußtseins, weil diese Entscheidung einen wesentlich anders gelagerten Fall betrifft. Mit seinem Vorbringen, zum damaligen Zeitpunkt sei ihm das Unrecht seines Tuns nicht bewußt gewesen, behauptet der Beschwerdeführer, der Sache nach Urteilsnichtigkeit gemäß der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO relevierend, einen Rechtsirrtum im Sinn des § 9 StGB. Ein solcher könnte jedoch nur dann einen Schuldausschließungsgrund bilden, wenn er dem Täter nicht vorzuwerfen wäre. Selbst unter der Annahme, daß der Angeklagte erst im Zuge dieses Strafverfahrens Einblick in die Bedeutung des Begriffs der Unzüchtigkeit gewonnen haben sollte (vgl. jedoch Bd. II, S 57, 94 d.A), wäre ihm ein derartiger Rechtsirrtum vorzuwerfen und demgemäß der Tatbestand nach dem § 1 Abs 1 lit a und c PornG anzulasten, wenn das Unrecht für ihn wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn er sich mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt machte, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre (§ 9 Abs 2 StGB). Bei der Prüfung dieser Frage ist davon auszugehen, daß - der Meinung des Beschwerdeführers zuwider - ein Zeitschriftenhändler sich grundsätzlich nicht darauf verlassen darf, daß eine nach österreichischem Recht gar nicht statthafte Vorzensur von Druckwerken ausländischer Herkunft schon bei der Einfuhr durch Zoll- und Polizeibehörden oder durch die Staatsanwaltschaft stattfindet. Er hat sich vielmehr in jedem Fall über die Frage, ob der Inhalt eines Druckwerks unzüchtig ist, selbst Klarheit zu verschaffen. Tut er dies nicht, so ist ein auf dem Nichtverschaffen einer verläßlichen Information darüber beruhendes irrtümliches Verkennen des Umstands, daß eine Schrift oder Darstellung, deren Inhalt ihm der Art nach bekannt ist, zur strafrechtlich verpönten Pornographie zählt, (ohne Rücksicht auf die leichte Erkennbarkeit des Unrechts für jedermann schlechthin) ihm jedenfalls vorzuwerfen, wenn er dessen ungeachtet objektiv unzüchtige Druckwerke in gewinnsüchtiger Absicht zum Zweck der Verbreitung vorrätig hält oder anderen überläßt (vgl. abermals 11 Os 17/83).

So gesehen versagt aber sowohl der Vorwurf einer den Ausspruch über entscheidende Tatsachen betreffenden Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO), das Erstgericht habe die Zeugenaussage des Norbert B mit Stillschweigen übergangen, wonach bei der Einfuhr unzüchtiger Schriften auf Grund einer Weisung der Bundesministerien für Inneres und für Finanzen die Zollbeamten mit der Staatsanwaltschaft Rücksprache zu pflegen haben, als auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf seine Verantwortung, sich erst nunmehr (im zweiten Rechtsgang) der absoluten Unzüchtigkeit der von ihm angebotenen Schriften bewußt geworden zu sein (vgl. Bd. II, S 59) und auf die Erklärung seines Lieferanten Viktor C vertraut zu haben, daß keines der Druckwerke einen nach dem Pornographiegesetz strafbaren Inhalt aufweise und er wegen der 'Vorzensur' durch die Staatsanwaltschaft diese Gegenstände bedenkenlos verkaufen könne; denn keiner der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände vermag die Vorwerfbarkeit eines ihm allenfalls zuzubilligenden Verbotsirrtums auszuschließen. Im übrigen behauptete der Angeklagte zwar, er habe weder Veranlassung gehabt, noch sei ihm zuzumuten gewesen, die von ihm feilgebotenen Zeitschriften im Detail auf die Strafbarkeit ihres Inhalts zu prüfen. Er gab jedoch zu, sich des Umstandes bewußt gewesen zu sein, daß diese Druckwerke auch Darstellungen (intensiver) gleichgeschlechtlicher Unzucht enthalten, was bereits bei oberflächlicher Betrachtung der Schriften für ihn zu ersehen gewesen sei (vgl. Bd. I, S 429 f., Bd. II, S 36, 56, 58 f.d.A). Erkannte aber der Angeklagte sohin in tatsachenmäßiger Beziehung, daß die von ihm in Verkehr gesetzten oder zur Verbreitung bestimmten Zeitschriften Darstellungen enthalten, die ihrer Art und ihrer objektiven Beschaffenheit nach unter den Begriff der (harten) Pornographie fallen, so verantwortet er den Tatbestand nach dem § 1 Abs 1 lit a und c PornG, ohne daß ihm in diesem Zusammenhang ein schuldausschließender Rechtsirrtum zustatten kommen kann. Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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