OGH 11Os174/98

OGH11Os174/9818.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Holy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josip D***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 zweiter Satz, erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 19. Oktober 1998, GZ 39 Vr 1641/98-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josip D***** des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßig schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 zweiter Satz, erster Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 1. Juli 1998 in Salzburg eine fremde bewegliche Sache in einem 25.000 S übersteigenden Wert, nämlich eine goldene Halskette samt Goldkreuzanhänger mit Brillanten im Wert von 72.000 S dem Juwelier H***** mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz wegzunehmen versucht hat, wobei er in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Dagegen richtet sich die auf die Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich als nicht berechtigt erweist.

Rechtliche Beurteilung

Die den Ausführungen zu den einzelnen Nichtigkeitsgründen "unter Hinweis auf deren Bedeutung für nahezu alle geltend gemachten Nichtigkeitsgründe" vorangestellten, allgemein gehaltenen Beschwerdeargumente erweisen sich mangels Zuordenbarkeit zu den einzelnen Anfechtungspunkten zum einen als unbeachtlich, zum anderen mangels näherer Substantiierung nicht in einer einer Erörterung zugänglichen Weise geltend gemacht (Mayerhofer StPO4 § 285a E 42a, 46a).

In der Verfahrensrüge (Z 4) moniert der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung am 19. Oktober 1998 gestellten Beweisantrages auf Vernehmung des Zeugen Insp. Wolfgang K***** zum Beweisthema "der Beobachtung der diversen Geschäftsbesuche und des Gesprächs vor und nach dem Vorfall im Juweliergeschäft H*****, respektive Beobachtung während des Verkaufsgespräches" (S 338/III).

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht konnte - wie das Schöffengericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis (S 338/III) zutreffend dargelegt hat - die Aufnahme dieses Beweises ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsinteressen des Angeklagten unterbleiben. Denn unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Zeuge während der Tat nicht im Geschäftslokal anwesend war, hätte es bei Stellen des Beweisantrages eines konkreten Vorbringens bedurft, mit welchen Personen vor und nach dem Vorfall im Juweliergeschäft "Gespräche" geführt wurden und warum deren Inhalt bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen erwarten ließen (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 19, 19aa, b, bb, c). Im übrigen läßt schon die Formulierung des Beweisthemas zur Frage der Beobachtung während des Verkaufsgesprächs erkennen, daß es sich insoferne um einen (unzulässigen) Erkundungsbeweises handelt. Die diesbezüglich in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Erwägungen haben dabei außer Betracht zu bleiben, da bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrages und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen ist (Mayerhofer aaO § 281 Z 4 E 41). Da der Angeklagte die Aufnahme dieses Beweises in der Hauptverhandlung am 19. Oktober 1998 selbst beantragt hat, erübrigt es sich auf jene Einwände einzugehen, die eine Verletzung der Verteidigungsrechte darin erblicken, daß er zur Rückziehung des vorher von der Staatsanwaltschaft gestellten Antrages auf Vernehmung dieses Zeugen nicht gehört worden ist.

Das unter dem Aspekt der Undeutlichkeit erhobene Vorbringen der Mängelrüge (Z 5), aus den Konstatierungen des Erstgerichtes, der bestohlene Juwelier H***** sei ein Juwelier der gehobenen Klasse, bzw aus dem Umstand, daß der Angeklagte die Verkäuferin abzulenken versucht habe, lasse sich nicht erkennen, welche Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden sollten, übergeht zum einen unter Hervorhebung einzelner Feststellungsteile deren Gesamtkontext und verkennt zum anderen, daß eine Urteilsbegründung nur dann undeutlich ist, wenn ihr nicht zu entnehmen ist, welche Tatsachen als erwiesen angenommen wurden und aus welchen Gründen dies geschah (Mayerhofer aaO § 281 Z 5 E 42 f). Davon kann jedoch schon im Hinblick auf die jedes Mißverständnis ausschließenden Entscheidungsgründe keine Rede sein, wonach die versuchte Wegnahme der goldenen Halskette samt Goldkreuzanhänger mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz und der Absicht gewerbsmäßiger Begehung vom Erstgericht klar und deutlich festgestellt (US 6 und 7) und auf die für glaubwürdig befundenen Aussagen der Zeugin S*****, des Ehepaares H*****, sowie die sonstigen äußeren Tatumstände im Zusammenhang mit der schlechten finanziellen Lage des Angeklagten und der zu vorigen Taten gleichartigen Begehungsweise gegründet wurde (US 7 und 8), weshalb die behauptete Nichtigkeit nicht vorliegt.

Als Urteilsunvollständigkeit wird moniert, das Erstgericht habe sich nur mit den belastenden Beweisergebnissen auseinandergesetzt, für den Angeklagten günstige Umstände jedoch ungewürdigt gelassen. Bei dieser Argumentation übersieht der Beschwerdeführer allerdings, daß der formelle Begründungsmangel den Ausspruch über eine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache, das sind solche, die für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände maßgeblich sind, betreffen muß. Dabei kommt weder der Frage, ob eine in Innsbruck durchgeführte - zu diesem Schuldspruchfaktum gar nicht beachtliche - Hausdurchsuchung ergebnislos verlaufen sei, ob der Angeklagte in anderen Geschäften, die er aufgesucht hatte, nichts gestohlen hat, noch daß er in einem "unbemerkten Augenblick" das Schmuckstück an sich genommen hat, Entscheidungsrelevanz zu, gehört doch der genaue Begehungszeitpunkt der Straftat dann nicht zu den wesentlichen, deren Identität bestimmenden Merkmalen, wenn - so wie hier - das individuelle Ereignis klar abgegrenzt ist.

Dem weiteren Beschwerdeeinwand, wonach die Feststellungen "die Verkäuferin und das Ehepaar H***** hätten sich allesamt mit dem Angeklagten beschäftigt" nicht neben derjenigen, daß es im Zuge des Verkaufsgespräches einen "unbemerkten Augenblick" hätte geben können, nebeneinander bestehen könnten, genügt der Hinweis, daß der behauptete Widerspruch ebenfalls keine entscheidende Tatsache betrifft. Gleiches gilt für den unter dem Aspekt der Aktenwidrigkeit aufgegriffenen Umstand, ob der Angeklagte am 1. Juli 1998 vormittags (vor Begehung der Tat) in Wien gewesen ist oder nicht. Insgesamt wird mit der in der Mängelrüge geübten Kritik kein formaler Begründungsmangel aufgezeigt, sondern lediglich versucht, zu für den Angeklagten günstigeren Schlußfolgerungen zu gelangen und somit im Ergebnis auf unzulässige Weise die erstrichterliche Beweiswürdigung zu kritisieren.

Das Vorbringen in der Tatsachenrüge, das Schöffengericht habe zu Unrecht die Aussagen der Belastungszeugen als übereinstimmend und glaubwürdig gewertet und die - nur scheinbar widersprüchlichen - Depositionen des Angeklagten als Schutzbehauptung gewürdigt, stellt keine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen dar.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a gestattet nämlich nicht die Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Insbesondere kann der zur Darlegung erheblicher Zweifel am Gelingen der Wahrheitsfindung gebotene Vergleich aktenkundiger Umstände mit entscheidenden Feststellungen nicht - wie hier - durch die Behauptung ersetzt werden, von der ersten Instanz als glaubhaft angesehene Zeugenaussagen seien zufolge innerer Unwahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung unglaubwürdig (Mayerhofer aaO § 281 Z 5a E 4).

Der weiters unter diesem Nichtigkeitsgrund relevierte Eingriff in Art 6 EMRK durch Nichtbeiziehung eines Dolmetschers im Vorverfahren schlägt schon deshalb fehl, weil die damit behauptete Verletzung des Art 6 Abs 3 lit a und lit e EMRK nicht mit Nichtigkeit bedroht ist (11 Os 3/97). Abgesehen davon hat der Angeklagte in seiner (ersten) Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Salzburg ausdrücklich auf seine Deutschkenntnisse hingewiesen (S 37), sodaß keine aktenkundigen Anhaltspunkte vorliegen, die Sprachschwierigkeiten anläßlich der Einvernahme im Vorver- fahren indizieren.

Die Beschwerde vermag somit weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der zur Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf akten- kundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen.

Die Rechtsrüge (Z 9 erg.: lit a), die zum einen Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite und zum anderen das Vorliegen eines Rücktritts vom Versuch (9 lit b) behauptet, läßt eine gesetzmäßige Darstellung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes vermissen. Hiefür wird nämlich nicht nur ein striktes Festhalten (auch) am gesamten objektiven Urteilssachverhalt gefordert, sondern der Nachweis auf dessen Grundlage, daß dem Erstgericht ein Feststellungsmangel oder ein Fehler bei dem darauf angewendeten Gesetz unterlaufen ist. Diesen prozessualen Geboten zuwider verläßt der Beschwerdeführer den Boden der Urteilsfeststellungen, indem er mit dem Hinweis auf die "freiwillige" und sofortige Rückgabe der tatgegenständlichen Kette die gegenteiligen Urteilsannahmen in ihrer Gesamtheit, wonach der Angeklagte erst nach der Entdeckung des Fehlens des Schmuckstückes und Kundtun des Entsetzens darüber durch die Zeugin S***** vor den ebenfalls anwesenden Geschäftsinhabern - also nach den Annahmen der Tatrichter nicht freiwillig - das Schmuckstück zurückgab (US 6 und 7) negiert. Die bloße Behauptung hinwieder, die Formulierung, der substanzlose Gebrauch der verba legalia (US 7 "in der Absicht, sich durch diesen und weiteren Diebstählen in derselben Größenordnung seinen Lebensunterhalt und auf dieselbe unredliche Art und Weise wie vor seiner Verhaftung zumindest teilweise zu bestreiten, an sich genommen hatte"), reiche zur Feststellung des Vorsatzes nicht aus, läßt den für eine prozeßordnungsgemäße Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderlichen Hinweis vermissen, welche Konstatierung nach Ansicht des Beschwerdeführers vom Schöffengericht für die Annahme eines Vorsatzes noch zu treffen gewesen wäre (vgl Mayerhofer aaO § 281 Z 9a E 5c).

Der Einwand in der Subsumtionsrüge (Z 10), das Erstgericht habe Feststellungen zur Absicht des Täters auf die wiederkehrende Begehung von jeweils schweren Diebstählen unterlassen, übergeht die gegenteilige Urteilskonstatierung (US 7), wonach der Angeklagte sich durch diesen und "weitere Diebstähle in derselben Größenordnung" eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen suchte und bringt damit mangels Festhaltens am gesamten Urteilssachverhalt auch insofern die Rüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.

Unter Heranziehung des Nichtigkeitsgrundes der Z 11 erblickt die Beschwerde einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot, weil die "Vorstrafen zur Annahme der Deliktsqualifikation der Gewerbsmäßigkeit herangezogen" und bei der Strafzumessung "zusätzlich als erschwerend gewertet" worden seien; sie übersieht dabei allerdings, daß sich erstere Annahme auf die Begründung der Schuldspruchsvoraussetzungen durch die Tatrichter bezieht, letztere auf die Bestimmung des § 32 Abs 2 erster Satz StGB, somit auf diejenigen der Strafzumessung, sodaß sich die Rüge diesbezüglich ebenfalls als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt erweist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird demzufolge der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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